aber informativ. Richterich: "Bei Windturbinen gibt es noch genug zu optimieren" Kategorie: Branchen-News | Quelle/Autor: powernews.org | Datum: 19. 10. 2010
Über die Situation beim Windturbinenhersteller Nordex sprach E&M mit Vorstandschef Thomas Richterich.
E&M: Herr Richterich, spürt Nordex noch die Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise sowohl bei ihrem internationalen als auch beim nationalen Geschäft?
Richterich: Die kurze Antwort lautet: Ja. Ich will aber etwas ausholen: 2010 wird der Windmarkt, wenn überhaupt, nur marginal wachsen. Den Rückgang in den USA zwischen 30 und 50 Prozent können die Märkte in China und in Europa nicht kompensieren. Gleichzeitig haben alle Windturbinenhersteller auf Basis der Wachstumsraten von vor 2008 neue Kapazitäten aufgebaut, was das Geschäft derzeit schwierig macht.
E&M: Übersetzt heißt das, die Preise sinken. Sie erzielen längst nicht mehr die gewohnten Verkaufspreise.
Richterich: Diesen Preisdruck gibt es sicherlich, keine Frage. Ich mache aber keinen Hehl daraus, dass wir diesen an unsere Zulieferer weitergeben. In der Summe ist es für uns deshalb ein Nullsummenspiel. Den Preisdruck beim Absatz kompensieren wir bei der Beschaffung.
E&M: Wie schlägt sich Nordex auf dem deutschen Markt, auf dem Sie in den vergangenen Jahren nur marginal vertreten waren?
Richterich: Besser. Wir profitieren von dem SDL-Bonus (Systemdienstleistungsbonus; d. Red.). Wir rüsten einige Altanlagen nach und haben mit der N100 auch endlich die richtige Maschine für einen Schwachwindstandort wie Deutschland. Die Anlage liefert 20 Prozent mehr Windstrom, kostet den Kunden aber nur drei bis vier Prozent mehr als eine N90. Wir rechnen deshalb mit einer Belebung unseres Marktanteiles.
E&M: Wird die von der Bundesregierung geplante Laufzeitverlängerung der Atomreaktoren die Dynamik des Windkraftausbaus hierzulande bremsen?
Richterich: Davon gehe ich nicht aus. Ich halte das Gesamtpaket mit der befristeten Laufzeitverlängerung für eine vernünftige Lösung. Das wird den großen Energieversorgern weiterhin den Spielraum geben, in erneuerbare Energien investieren zu können. In Summe kann meines Erachtens die Windbranche mit dem Energiekonzept leben.
„Mit dem EEG schaffen wir für die Windenergie die Grid Parity auf der Erzeugungsseite"
E&M: In Berlin steht auch die Novellierung des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes an. Was sind Ihre Vorstellungen für die künftige Förderung der Windkraft onshore und offshore?
Richterich: Wenn die Bundesregierung ihre eigenen Klimaziele erreichen will, führt kein Weg an der Offshore-Windnutzung vorbei. Gerade hier haben wir noch eine Reihe von Problemen zu lösen. Ich nenne nur die Stichworte: fehlende Spezialschiffe, schleppende Finanzierung, Netzanbindung, Zurückhaltung bei den Versicherungen oder noch nicht ausgereifte Servicekonzepte für den Betrieb und die Wartung der Windturbinen auf See. Offshore ist für die Windbranche noch kein Tagesgeschäft. Deshalb macht es meines Erachtens Sinn, den Sprinterbonus zu verlängern oder auch die Netzanschlusspflicht.
E&M: Was ist für onshore wichtig?
Richterich: Auf einzelne Vergütungshöhen will ich mich noch nicht festlegen. Viel wichtiger ist für mich, dass im EEG weiterhin der Druck für Kostensenkungspotenziale aufrechterhalten wird. Es wird viel über die Grid Parity bei der Photovoltaik geschrieben und geredet. Mit dem EEG schaffen wir für die Windenergie die Grid Parity auf der Erzeugungsseite. An den Anlagen gibt es noch genug zu optimieren. Beispielsweise allein mit neuen aerodynamischeren Blattprofilen. Aber auch bei der Fertigung sehe ich noch genügend Spielräume für eine zunehmende Industrialisierung. Wir produzieren heute endlich die Stückzahlen im Jahr, bei denen sich eine Linienfertigung lohnt. Und wir werden weitere Verfahren aus der Automobilindustrie anwenden.
E&M: Zurück zum Offshore-Thema. Nordex hat sich mit 40 Prozent an dem Projekt Arcadis Ost 1 in der Ostsee beteiligt. Ist es Ihr Ziel, zu den zehn ersten Projekten zu zählen, für die die KfW-Bankengruppe ein Sonderkreditprogramm in Höhe von fünf Milliarden Euro auflegt?
Richterich: Noch kennt niemand die genauen Bedingungen. Für mich ist bei diesem Kreditprogramm vor allem die Botschaft an die Geschäftsbanken entscheidend, dass die Finanzierung von Offshore-Windparks zum normalen Business werden soll. Ob wir auf das KfW-Kreditprogramm zurückgreifen, entscheiden wir, wenn wir die genauen Bedingungen kennen.
„Wir entwicklen eine neue Offshore-Windturbine mit sechs Megawatt Leistung"
E&M: Bleibt es für Arcadis Ost 1 bei dem bisherigen Zeitplan mit der Inbetriebnahme im Jahr 2014?
Richterich: Sagen wir 2014/2015. Dafür wollen wir auch eine neue Offshore-Windturbine entwickeln. Und zwar mit direkter Antriebstechnik und sechs Megawatt Leistung. Den Prototypen wollen wir 2012 an Land, im Jahr darauf im Wasser errichten. Ab 2014 wollen wir die ersten Maschinen bei Arcadis Ost 1 installieren. So sieht der derzeitige Zeitplan aus.
E&M: Was sind denn Ihre Gründe, nun auf die getriebelose Antriebstechnik umzuschwenken?
Richterich: Je weniger Komponenten eine Windturbine hat, desto weniger störanfällig und wartungsintensiv ist sie. Es hat in den vergangenen drei Jahren eine Reihe von technologischen Entwicklungen gegeben, insbesondere den Generatorring zu verkleinern, wobei es auch gelungen ist, die Fertigungstoleranzen zu verringern. Letztlich gehen wir davon aus, dass für Offshore-Anwendungen einfach das Gondelgewicht nennenswert sinken muss. Das ist am besten mit der getriebelosen Antriebstechnik möglich.
E&M: Die Botschaft lautet also: Nordex springt jetzt wie Siemens oder GE auch auf den getriebelosen Zug?
Richterich: Lassen Sie uns unsere Erfahrungen mit dem Prototypen ab 2012 abwarten. Grundsätzlich erwarte ich, dass die aktuell sehr dogmatisch geführte Debatte, was ist besser, getriebelos oder mit Getriebe, sich im Jahr 2015 gelegt haben wird. Denken Sie an die Automobilbranche: Vor 25 Jahren gab es erbitterte Diskussionen darüber, ob der Dieselmotor der bessere Antrieb sei oder nicht. Heute bietet jeder größere Automobilhersteller Fahrzeuge sowohl mit Otto- als auch mit Dieselmotoren an. Eine ähnliche Entwicklung erwarte ich auch für die Windbranche. Derzeit ist für mich nicht erkennbar, dass sich eine der beiden Antriebstechnologien komplett durchsetzen wird.
E&M: Ihre Hauptaktionärin Susanne Klatten hat vor kurzem ihren Anteil an Nordex von 23 auf gut 25 Prozent erhöht. Was bedeutet das für Sie?
Richterich: Es wird keine Änderung unserer Geschäftspolitik geben. Die Aufstockung ist für uns ein Vertrauensbeweis eines Aktionärs, der die Nordex nun schon seit fünf, sechs Jahren als Aufsichtsratsmitglied genauestens kennt. Die Familie Klatten hat angekündigt, ihren Anteil nicht noch weiter ausbauen zu wollen und den anderen Aktionären ein Übernahmeangebot zu machen. Nordex ist mit den Klattens gut gefahren, die Klattens gut mit uns, das wird hoffentlich auch künftig so bleiben.
E&M: Nordex hatte im vergangenen Jahr Windturbinen mit gut 1 000 MW Kapazität gefertigt. Wo sehen Sie Ihr Unternehmen in zwei Jahren?
Richterich: Darüber Aussagen zu treffen, ist derzeit noch zu früh. Wir sehen positive Signale, der Klimaschutz hat weltweit an Bedeutung gewonnen. Was aber noch fehlt, sind Anzeichen, dass es im kommenden Jahr zu einer deutlichen Belebung auf den internationalen Windmärkten kommen wird.
Zur Person Neben Aloys Wobben (Enercon) und Joachim Fuhrländer zählt Thomas Richterich, Jahrgang 1960, mittlerweile zu den dienstältesten Managern eines Windturbinenherstellers. Seit Ende 2002 gehört Richterich dem Nordex-Vorstand an, dessen Sprecher er seit 2005 ist. Zu seinen Aufgabenbereichen gehören vor allem die Ressorts Finanzen und Controlling. Genau mit diesen Tätigkeiten hatte er schon in seinen früheren Berufsstationen zu tun. 1989 begann Richterich seine Berufskarriere beim MAN-Konzern, den er im Jahr 2000 als Kaufmännischer Geschäftsführer bei der Ferrostaal Industrial Plan Services GmbH verließ. Danach folgte ein kurzes Intermezzo beim Babcock Borsig-Konzern, für den er zuletzt im Jahr 2002 als Kaufmännischer Geschäftsführer der Babcock Borsig Power GmbH tätig war.Ralf Köpke zurück |