Grossaufmarsch der Glatzen von Adrian Müller Vom Rütli hat man sie vertrieben, doch an der Gedenkfeier zur Schlacht von Sempach sind sie willkommen. Deshalb erwarten Experten am kommenden Samstag so viele Rechtsextreme wie noch nie am Winkelried-Denkmal. Die Luzerner Regierung nimmts gelassen.
Rechtsextreme auf dem Rütli am 5. August 2007. (Bild: Keystone/Sigi Tischler)In der rechtsextremen Szene mobilisiert die Partei National Orientierter Schweizer (PNOS) seit einigen Wochen für die Gedenkfeier der Schlacht bei Sempach, wo die Eidgenossen im Jahre 1386 die Habsburger schlugen. Letztes Jahr versammelten sich ungefähr 160 Leute aus dem Umfeld der «Helvetischen Jugend», den «Hammerskins» und der PNOS. Die Neonazis marschierten am Schluss des Festumzugs mit und legten nach dem Ende der offiziellen Feier einen Kranz am Winkelried-Denkmal nieder.
Luzerner Regierung sieht kein Problem
«Zum Schlachtjahrzeit sind alle ganz herzlich eingeladen», steht im Festaufruf des Luzerner Regierungspräsidenten, Markus Dürr. Auch Neonazis sind willkommen: «Solange die Rechtsextremen die Feier nicht stören, stellen sie für uns kein Problem dar. Darum distanzieren wir uns auch nicht von ihnen», sagte Dürr auf Anfrage von 20 Minuten Online. «Natürlich bin ich persönlich gegen Rechtsextremismus.» Dürr beruft sich auf die Versammlungsfreiheit. «Ich habe aber von den Rechtsextremen noch nie etwas bemerkt», sagt Dürr weiter. Dies, obschon Bilder von «Tele Tell» beweisen, dass sich im vergangen Jahr Neonazis auf dem Festgelände befanden. Von dem Aufruf der PNOS hat aber auch Dürr erfahren: Das Thema sei in der nächsten Regierungsratssitzung am Dienstag traktandiert – also wenn die ganze Sache bereits gelaufen ist.
So viele Rechtsextreme wie noch nie
Der Luzerner Hans Stutz, Beobachter der Rechtsextremen-Szene und parteiloses Mitglied der Grünen Stadtratsfraktion, kann darüber nur den Kopf schütteln: «Wer vor Ort ist, kann unmöglich über die Rechtsextremen hinwegsehen.» Die Neonazis versammelten sich jeweils ein wenig abseits von der offiziellen Feier bei der Kapelle. Unmittelbar nach dem Ende der offiziellen Festivitäten strömten sie zum Rednerpult und legten beim Gedenkstein ihren Kranz nieder. «Sie vereinnahmen die Veranstaltung also für ihre Zwecke», sagt Stutz weiter. Er erwartet dieses Jahr «so viele Rechtsextreme wie noch nie.»
Der Präsident der FDP Kanton Luzern, Herbert Widmer, meint dazu: «Es ist störend, dass Rechtsextreme immer mehr nationale Anlässe für ihre Zwecke missbrauchen.» Die SP Kanton Luzern kritisiert die Kantonsregierung: «Es ist erstaunlich, wie zaghaft sich der Kanton vom Aufmarsch der Rechtsextremen distanziert», sagt Co-Präsident Jörg Häfliger.
In Sempach herrscht Stille
Auf die Problematik angesprochen, reagiert die Sempacher Bevölkerung gereizt: Fast niemand will etwas zum Thema sagen, schon gar nicht mit Namen.
«Ein grossteil der Sempacher nimmt den Aufmarsch der Rechtsextremen gelassen hin - leider», sagt der Geschäftsführer des Restaurant Bierhaus in Sempach. Man müsse abwarten, wie sich das Ganze entwickelt: «Ich hoffe einfach, dass nicht noch mehr Neonazis kommen.» Ein anderer Restaurantbesitzer, der nicht namentlich genannt werden will, beschreibt die Szenerie beim Marsch: «Wenn die Rechtsextremen durchlaufen, herrscht unter den Zuschauern einfach grosse Stille.» |