Sicherheitsabschläge machen Mut für einen Wiedereinstieg - TecDAX-Anleger auf Schnäppchenjagd
Die günstigen Kurse am deutschen Aktienmarkt nutzen viele Anleger für den Wiedereinstieg. Das begrenzt aber die zukünftige Nachfrage. Wenig Dämpfung für sofort verkaufsbereite Investoren, die bei steigenden Kursen schnelle Erfolge suchen.
Marktstimmung DAX
Gianni Hirschmüller, Cognitrend Wer einen Grund brauchte, um seine Aktienbestände guten Gewissens zu reduzieren, hatte bis zum Ende der vergangenen Woche abschreckende und damit gute Argumente im Überfluss. Speziell der rasant steigende Ölpreis machte den Marktteilnehmern zu schaffen, insbesondere nach den Warnungen des EZB-Chefs Trichet vor Inflationsgefahren durch hohe Öl- und Rohstoffpreise. Dass eine Verteuerung in diesem Tempo ungesund für die Wirtschaft sein muss, war eine Erkenntnis, der man sich spätestens beim Betanken des eigenen Fahrzeugs und dem anschließenden Blick ins leere Portemonnaie nicht mehr verschließen konnte. Die offizielle Bestätigung ließ dann auch nicht lange auf sich warten. Die Auftragseingänge der deutschen Industrie waren im März zum Vormonat um 0,7 Prozent gesunken, was wesentlich zur allgemeinen Verunsicherung der Akteure beitrug. Dabei hat sie die anhaltende Zinsdiskussion in den USA ohnehin bereits seit Wochen erheblich in Unruhe versetzt.
Sentimentindikator der Deutschen Börse
Zu seiner Berechnung werden die Optimisten ins Verhältnis zu den Pessimisten gesetzt und mit der Anzahl der neutralen Stimmen gewichtet. Die blauen Balken in den Grafiken stellen also das Maß an Optimismus im jeweiligen Marktsegment dar.
Aus diesen Daten lassen sich Aussagen über Positionierung und Einstiegspreise der Investoren treffen und somit mögliche stimmungsbedingte Marktschieflagen erkennen. Jedoch ist die absolute Größe der Werte für die Analyse nicht relevant, sondern die Veränderung im Betrachtungszeitraum. Nicht einmal die ausgezeichneten US-Arbeitsmarktdaten, die am vergangenen Donnerstag und Freitag veröffentlicht wurden, konnten verhindern, dass die Marktteilnehmer die Woche ziemlich lädiert abschlossen. Der Rutsch an den Aktienbörsen, vor allem im DAX-Index, beschleunigte sich sogar noch einmal zu Wochenbeginn. Seitdem scheint interessanterweise die Angst bei vielen Händlern verflogen zu sein. Statt Verunsicherung dominiert nun Hoffnung, tritt jetzt Zuversicht an die Stelle von Besorgnis. Das lässt sich an den Reaktionen und Kommentaren während der letzten beiden Handelstage ablesen. Mittlerweile sprechen die meisten wieder von einem gerade in der Entwicklung befindlichen, „gesunden Boden“. Zudem sei der Markt innerhalb kurzer Zeit um fast 400 Punkte gefallen und wäre deshalb „überverkauft“, behaupten die Techniker. Andere Akteure beschweren sich sogar regelrecht darüber, dass momentan „alles schwarz gesehen werde“. Aber nicht nur den Aussagen der Händler kann man entnehmen, dass ihre Sicht des Marktgeschehens innerhalb der letzten 48 Stunden einen Umschwung erfahren hat. Auch unsere jüngste Stimmungserhebung bestätigt diese Tendenz. Unser Bull-/Bear-Index® hat den höchsten Stand seit Ende März erreicht. Wir vermuten, dass dieser neue Optimismus durch Käufe in den letzten beiden Handelstagen entstanden ist. Die deutlichen Abschläge beim DAX scheinen einen nicht unerheblichen Teil der Händler aus der Reserve gelockt zu haben. Der DAX, zwischenzeitlich fast zehn Prozent günstiger im Angebot, erschien ihnen offensichtlich attraktiv genug, um ein Investment zu wagen. Die bislang neutral eingestellten Anleger empfanden die jüngsten Verluste wahrscheinlich als Sicherheitsabschlag, der hoch genug ausfiel, um sie zum Wiedereinstieg zu ermutigen.
Dieses plötzliche Vorherrschen von Zuversicht bereitet uns Sorgen. Denn die bessere Stimmung, die durch die Abwanderung aus dem Neutralen in das Bullenlager zustande gekommen war, ging auf Kosten zukünftiger Nachfrage. Nun ist der DAX für zukünftige Attacken deutlich schlechter gewappnet. Zudem scheint eine Vielzahl der Optimisten, die sich bereits zu höheren Kursen engagiert hatten, dem Kursverfall nur zugeschaut zu haben. Ihr Tun beziehungsweise Nichtstun folgt der Hoffnung, dass sich alles wieder zum Besseren wenden wird. Aus diesem Grund benötigt ein Großteil der Akteure nun dringend steigende Aktienkurse, weshalb man jetzt bereits von einer erhöhten Verkaufsbereitschaft bei steigenden Preisen ausgehen kann. Dies könnte mögliche kurzfristige Erholungsphasen im Keim ersticken. Dazu kommt die Gefahr, dass Stopp-Loss-Verkäufe dem DAX bei erneut fallenden Kursen übel zusetzen werden.
Verhältnis Optimisten zu Pessimisten Bullish Bearish Neutral Total 51 % 23 % 26 % ggü. Vorwoche + 7 % - 1 % - 6 %
DAX-Stimmungskurve
Stand DAX 12.05.2004, 12:00 Uhr: 3.835 Punkte (- 4,0 % gegenüber der vorigen Erhebung)
Marktstimmung TecDAX
Claudia Bauer, Cognitrend Auch die Technologiewerte wurden in der vergangenen Woche vom Sog des Abwärtsstrudels erfasst. Am Freitag sah es zwar noch danach aus, dass der TecDAX entgegen den Standardwerteindizes dem Kursrutsch standhielt, die Wahrheit holte ihn dann aber am Montag doch noch ein. Die Akteure, die in der Vorwoche ins Bärenlager gewandert waren, werden den über vier-prozentigen Abschlag gefeiert und wohl auch zur Gruppe derer gezählt haben, die nicht müde wurden vor Zinserhöhungen in den USA und hohen Rohstoffpreisen zu warnen. Die jüngste zwölf-prozentige Abwanderung der Bären zeigt, dass sie nun ihre Gewinne eingesammelt haben. Allerdings später als von uns erwartet, denn bevor der Index einen zwischenzeitlichen Boden fand, sackte er zunächst durch ein Nachfrageloch.
Am Dienstag war bisweilen die erste Erholung und mit ihr ein Stimmungswechsel zu beobachten. Positive Unternehmensergebnisse wurden quasi von einem Tag zum anderen bejubelt. Der Wandel in den Kommentaren von „ganz anständig“ in der Vorwoche zu „Rekord-Ergebnis“ in dieser Woche war deutlich sichtbar. Blickt man nun auf den satten Zuwachs von acht Prozent im Bullenlager, wird klar, dass ein Teil der Akteure nicht nur das Bärenkostüm abwarf, sondern auch eine Kehrtwende um 180 Grad vollzog. Die Kurse waren für diese Akteure offenbar verlockend günstig. Mit dem satten Zuwachs im Bullenlager ist unser Bull-/Bear-Index® nun wieder auf dem höchsten Stand seit einem Monat gestiegen. Im Gegensatz zu den aktiven Bären bleiben die Optimisten, die ihre Positionen schon längerer Zeit (durch-)halten, auch weiterhin diesen Engagements treu. Ihr Angebot ist noch nicht vom Markt verarbeitet und wird zusammen mit den Verkäufen der neuen Bullen auf höheren Kursen den Index mehr als nur begrenzen. Sollte der TecDAX indes erneut Schwäche zeigen, dürften die Stimmung im angewachsenen Bullenlager kippen und Kursrückgänge durch Long-Liquidationen beschleunigt werden.
Verhältnis Optimisten zu Pessimisten Bullish Bearish Neutral Total Private 43 % 19 % 38 % Institutionelle 47 % 30 % 23 % Total 45 % 25 % 30 % 100 % ggü. Vorwoche + 8 % - 12 % + 4 %
TecDAX-Stimmungskurve
Stand TecDAX 12.05.2004, 12:00 Uhr: 560 Punkte (- 4,4 % gegenüber der vorigen Erhebung) |