manager-magazin.de, 21. April 2006
Zahltage im Wonnemonat
Von Kai Lange
21 Milliarden Euro schütten die Dax-Unternehmen in diesem Jahr an ihre Aktionäre aus. Die meisten überweisen das Geld in den kommenden Wochen. Ein Vergleich der Dividenden-Strategien zeigt: Einige Ausschüttungs-Champions sind Scheinriesen, und wer nur auf den Dax schaut, verschenkt Geld.
Ja, wir werden sie in den kommenden Wochen noch öfter hören, diese abgedroschene Börsenweisheit, dass man im Mai seine Aktien verkaufen soll. Für die These spricht, dass nach drei Jahren Aktienrally in den kommenden Monaten sicherlich der eine oder andere Rücksetzer kommen wird und die Sell-in-May-Schlaumeier dann laut "Siehste" rufen werden. Doch es gibt viele Gründe, die gegen einen Verkauf im Mai sprechen.
Nicht nur, dass Aktienverkäufer im Mai 2005 eine großartige Sommerrally verpasst hätten. Dagegen spricht vor allem, dass die meisten Dax-Unternehmen dank rigider Spar- und rabiater Entlassungsprogramme wieder glänzend verdienen – und einen Großteil dieser Gewinne im Wonnemonat Mai ausschütten.
Rund 21 Milliarden Euro, so viel wie nie zuvor, reichen die 30 Dax-Unternehmen in Form von Dividenden in diesem Jahr an ihre Aktionäre weiter. Das sind rund 45 Prozent mehr als im Vorjahr und etwa 35 Prozent mehr als im bisherigen Rekordjahr 2000. Acht Dax-Unternehmen haben bereits gezahlt, doch zwischen 29. April (Bayer) und 2. Juni (Deutsche Bank) werden 22 Dax-Unternehmen Geld an ihre Aktionäre überweisen. Wer wann wie viel auszahlt und welche Dividendenwerte derzeit besonders attraktiv sind, zeigt folgende Tabelle.
Maitage sind Zahltage
Maitage sind Zahltage für deutsche Aktionäre. Anhand der zu verteilenden Milliarden stehen verschiedene Modelle zur Auswahl, um bestmöglich von Dividendentiteln zu profitieren. Dividendenrendite, Kontinuität und Dynamik der Ausschüttung spielen dabei ebenso eine Rolle wie der Vergleich zwischen Deutschland und Europa.
Gezahlte Dividenden: Rekord aus dem Jahr 2000 in diesem Jahr übertroffen Zunächst das Technische: Da Dividenden in der Regel am Tag nach der Hauptversammlung gezahlt werden, sollte die ausgewählte Aktie spätestens am Tag der HV gekauft und frühestens einen Tag nach dem Aktionärstreffen verkauft werden. Da die Aktie am Tag der Dividendenzahlung jedoch "ex Dividende" gehandelt wird, das heißt die gezahlte Dividende vom Aktienkurs abgezogen wird, sollten Dividendenjäger dem Papier schon ein wenig Zeit geben, um den Dividendenabschlag wieder einzuspielen. Sonst droht ein Nullsummenspiel mit steuerlichen Nachteilen, da Dividendeneinkünfte, die oberhalb des Freibetrages von 1370 Euro liegen, wie andere Kapitalerträge auch nach dem Halbeinkünfteverfahren versteuert werden müssen.
Scheinriesen Eon, Telekom und Tui
Wer sich auf den Dax beschränken und kurzfristig eine hohe Rendite erzielen will, sollte die Unternehmen mit der aktuell höchsten Dividendenrendite (Ausschüttung mal 100 geteilt durch aktuellen Börsenkurs) herausfiltern. Der Energieversorger Eon ist aktuell mit 7,2 Prozent Dividendenrendite Spitzenreiter, da das Unternehmen am 5. Mai neben einer regulären Dividende von 2,75 Euro eine Sonderdividende von 4,25 Euro aus dem Degussa-Verkauf ausschütten wird.
Es folgen die Deutsche Telekom (5,2 Prozent), Tui (4,5 Prozent), Lufthansa (3,5 Prozent) und die Deutsche Post (3,2 Prozent) – ThyssenKrupp (3,6 Prozent) und DaimlerChrysler (3,2 Prozent) haben ihre Dividenden für das abgelaufene Geschäftsjahr bereits ausgeschüttet. Diese Unternehmen bieten derzeit mit ihren Ausschüttungen jeweils eine höhere Rendite als eine Bundesanleihe mit einem Jahr Restlaufzeit. Die Tücken der deutschen Dividenden-Champions
Aber Vorsicht. Die Deutsche Telekom kommt vor allem deshalb auf eine Toprendite, weil der Aktienkurs seit Anfang 2005 um rund 20 Prozent eingebrochen ist.
Die größten Dividendenzahler im Dax: Fünf Konzerne schütten jeweils mehr als eine Milliarde Euro aus Für T-Aktionäre, die auf diese Weise inmitten des Börsenbooms Geld verloren haben, sind 5 Prozent Dividendenrendite ein schwacher Trost.
Spitzenreiter Eon wird schon im kommenden Jahr ohne die Sonderdividende auf Normalmaß schrumpfen, obwohl auf Grund der extrem gestiegenen Energiepreise eine gute Basis für weiter steigende Gewinne gelegt ist. Und Tui? Der Reisekonzern hat zwar seinem Topmanagement üppige Gehaltssteigerungen spendiert, die Dividende aber unverändert gelassen. Grundsätzlich ist Vorsicht angebracht, wenn Dividenden nicht aus steigenden Gewinnen, sondern aus der Substanz finanziert werden – dies stellt zwar Aktionäre kurzfristig zufrieden, kostet aber die Zukunft.
EuroStoxx50 attraktiver als Dax
Trotz der Rekordausschüttung in diesem Jahr sind die Dax-Unternehmen im europäischen Vergleich immer noch recht geizig. Während der Dax auf eine durchschnittliche Dividendenrendite von 2,5 Prozent kommt und damit das Zinsniveau eines ordentlichen Tagesgeldkontos erreicht, bringen es die im EuroStoxx 50 gelisteten Werte auf eine durchschnittliche Rendite von 3,1 Prozent.
Spendabelster europäischer Dividendenzahler ist der spanische Energieversorger Endesa , der sich durch Zahlung einer Sonderdividende vor einer Übernahme durch Eon schützen will.
Es folgen Eon, der italienische Versorger Enel sowie die Deutsche Telekom und France Telecom , die alle eine Dividendenrendite von mehr als 5 Prozent bieten. Versorger und Telekomunternehmen sind für Dividendenjäger in Europa damit die attraktivsten Branchen.
Ausschüttung verdoppelt – nicht immer freiwillig
Anleger könnten anhand der Dividenden-Tabelle auch diejenigen Werte herausfiltern, die ihre Ausschüttungen im Vergleich zum Vorjahr am stärksten gesteigert haben.
25 der 30 Dax-Konzerne haben ihre Dividende für 2005 angehoben, während Adidas , DaimlerChrysler , Metro und Tui die Ausschüttung jeweils unverändert lassen. Beim Chiphersteller Infineon , der seinen Aktionären erneut eine Nullrunde verordnet, ist seit Jahren ohnehin nichts zu holen.
Vier Dax-Unternehmen haben dagegen ihre Dividende mindestens verdoppelt. Commerzbank , Deutsche Börse , Eon und Hypo Real Estate bieten Dividendensteigerungen zwischen 100 und 200 Prozent. Bei der Deutschen Börse ist die von 0,70 auf 2,10 Euro verdreifachte Auszahlung jedoch auf den Druck von Hedgefonds zurückzuführen, die gleichzeitig auch Börsenchef Werner Seifert und Aufsichtsratschef Rolf-E. Breuer aus den Ämtern gedrängt haben – ob die Deutsche Börse unter neuer Regie auch die Gewinne ähnlich stark steigern und in eine glückliche Ehe mit der Vierländerbörse Euronext geführt werden kann, bleibt offen. Der Kick der Kontinuität
Dividendenmonat: Im Mai schütten die meisten Dax-Konzerne Geld aus Traumhafte Dividendenrenditen können also auch Kursstürzen oder einem Angriff von Heuschrecken geschuldet sein – und ebenso rasch wieder verfliegen wie ein schöner Traum. Anleger mit vorsichtiger Natur sollten daher eher auf ein "Nachhaltigkeitsmodell" setzen, empfiehlt Frank Schallenberger, Aktienstratege bei der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW).
Im "Nachhaltigkeitsmodell" kommen diejenigen Unternehmen zum Zug, die aktuell eine attraktive Dividendenrendite bieten und bei denen gleichzeitig eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass die Dividende konstant bleibt oder weiter steigt.Gewinnwachstum, Gewinnstabilität, Bonitätsranking, Dividendendeckung und die Dividendenhistorie der vergangenen zehn Jahre werden in diesem Modell ebenfalls berücksichtigt.
Vor dem Hintergrund dieser Methode empfiehlt die LBBW als attraktivste Dividendenwerte die Energiekonzerne RWE und Eon , die Deutsche Telekom , die Deutsche Post sowie den Chemiekonzern BASF . Die Telekom, so die These der LBBW, dürfte für das laufende Geschäftsjahr ihre Dividende sogar auf einen Euro pro Aktie steigern und käme damit bei aktuellem Kurs von 13,60 Euro auf eine erwartete Dividendenrendite für 2006 in Höhe von 7,5 Prozent.
Mit Blick auf den EuroStoxx50 empfiehlt die Landesbank neben der deutschen RWE den italienischen Versorger Eni, das französische Kreditinstitut Société Générale sowie die niederländische Bank ABN Amro als langfristig attraktivste Dividendenwerte.
Schutz in schwachen Märkten
Dividendenstarke Unternehmen seien auch dann eine gute Wahl, wenn die Märkte nach mehreren Boomjahren einen Gang zurückschalten, argumentiert Schallenberger. Ein Konzern, der auf Grund einer stabilen Gewinnsituation kontinuierlich eine attraktive Dividende zahle, zeichne sich auch in mageren Börsenjahren durch relative Stärke aus. Somit gelten sie als defensives Papier.
Doch auch an Boomphasen haben dividendenstarke Unternehmen einen maßgeblichen Anteil. Der Dax hat seit seinem Start bei 1000 Punkten im Jahr 1998 inzwischen knapp 5000 Punkte zugelegt – knapp 2000 Punkte kamen allein durch die ausgezahlten Dividenden zu Stande, die in den Performance-Index eingerechnet werden. Das bedeutet, dass rund 40 Prozent der Dax-Performance seit 1998 auf Dividendeneffekte zurückzuführen sind, so Schallenberger.
Wer sich seit 2004 lediglich auf die 15 stärksten Dividendenzahler im Dax konzentrierte, hat in den vergangenen zwei Jahren mit mehr als 50 Prozent Rendite deutlich besser abgeschnitten als der Käufer eines Dax-30-Zertifikats (plus 40 Prozent). Es lohnt sich also langfristig, ausschüttungsstarken Titeln auch über den Monat Mai hinaus treu zu bleiben – man muss sich ja nicht auf den Dax und auch nicht auf die Scheinriesen beschränken.
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