ist zwar schon älter aber doch interessant....Wer historische Parallelen ziehen möchte, sollte sich nicht die viel zitierte Krise aus dem Jahr 1929 ansehen, denn das war eine reine Aktienblase. Die Aktienmärkte spielen in der gegenwärtigen Unruhe nur eine untergeordnete Rolle. Für uns viel relevanter sind die Turbulenzen in den USA aus dem Jahr 1907. Damals löste der Ruin eines umstrittenen Kupferhändlers, der in seinem Nebenjob auch noch Vorstandschef einer großen Bank war, eine Kettenreaktion aus, die zu dem Totalzusammenbruch des amerikanischen Bankensystems führte. Dabei spielten die Trusts eine wichtige Rolle, die mit den heutigen Hedgefonds vergleichbar sind. Sie hatten keine Banklizenz und damit auch keinen Zugang zum Geldmarkt, der nur den Banken vorbehalten war.
Die Krise im Jahre 1907 erreichte ihren Höhepunkt mit der Insolvenz der Knickerbocker Trust Company, eben eines dieser Trusts, die plötzlich in einen Engpass gerieten. Knickerbocker war zwar solvent in dem Sinne, dass die Schulden durch das Vermögen gedeckt waren. Der Trust war nur kurzfristig nicht liquide. Als die Investoren in Panik gerieten und ihr Geld zurückforderten, musste Knickerbocker seine Tore schließen. Die Folge war ein Run auf das gesamte amerikanische Bankensystem. Die Panik endete damit, dass der große Bankier John Pierpont Morgan sich einmischte und umfangreiche Liquiditätshilfen organisierte, mit deren Hilfe die Kreditinstitute ihre Türen bis zum Ende der Öffnungszeiten offenhalten konnten.
Eine der wichtigen politischen Konsequenzen, die man aus der Panik des Jahres 1907 gezogen hat, war die Etablierung einer Zentralbank, der Federal Reserve, die durch den Federal Reserve Act im Jahre 1913 gegründet wurde. Bis dato oblag die Oberaufsicht des Interbankenmarktes den Clearing-Häusern, die den Banken unterstanden.
Es gibt heute Parallelen, aber auch Unterschiede zu der Krise vor 100 Jahren. Damals gab es noch keine Geldpolitik, denn es existierten keine Zentralbanken. Die Panik von 1907 zeigt uns aber, wie hochgradig ansteckend Finanzkrisen sind, die im Bankensystem selbst entstehen. In unserem heutigen Fall haben sich Banken mit komplizierten Finanzprodukten verspekuliert, allerdings nicht in ihrem eigenen Namen, sondern über sogenannte Conduits, speziell zu diesem Zweck gegründete Gesellschaften, die außerhalb der Bankbilanz ihr Unwesen trieben. Als die ersten Probleme auftauchten, beim amerikanischen Finanzkonzern Bear Stearns im Juli und später bei der IKB Deutsche Industriebank, begannen die Banken, einander zu misstrauen. Es kam im August zu akuten Engpässen an den Geldmärkten. Auch der Markt für verbriefte Commercial Paper, kurzfristige Geldanleihen, mit denen sich vorwiegend die Conduits und Hedgefonds finanzieren, brach beinahe zusammen, wodurch viele Investoren in akute Schwierigkeiten geraten sind. Betroffen waren aber auch Banken, von denen man das am wenigsten vermutete. Wer hätte schon gedacht, dass die SachsenLB am US-Immobilienmarkt kräftig mitzockte, und zwar ohne Verständnis der komplizierten Finanzprodukte, die dort gehandelt wurden.
Was sollte man tun? Die Krise des Jahres 1907 wurde durch die Bereitstellung von Liquidität beendet. Unter Notenbanken ist diese Strategie umstritten. Denn wenn man die Märkte zu großzügig mit Liquidität versorgt, belohnt man doch nur die waghalsigen Investitionen der Banken. Vor allem birgt die Großzügigkeit der Zentralbanken das Risiko einer noch größeren Blase später, denn dieselben Akteure kehren dann, gestärkt durch die Finanzspritzen und geringen Zinsen, an den Markt zurück. Andererseits besteht natürlich die Gefahr, wie damals im Jahr 1907, einer hochgradig ansteckenden Krise.
Zentralbanken müssen zwischen diesen Extremen einen Mittelweg finden. Am Ende werden sie aber alles unternehmen, um das System zu schützen. Mit weiteren Zinssenkungen in den USA sollte man daher rechnen. In Europa wird es zumindest nicht mehr zu Zinserhöhungen kommen. Das Problem in den USA ist der rapide Verfall der Immobilienpreise. Der Finanzökonom Robert Shiller warnte sogar vor einem Preisrückgang von 50 Prozent in einigen Regionen. Der Zusammenhang zwischen US-Immobilienpreisen und der Realwirtschaft ist durch viele Studien belegt. Ein Finanzanalyst der Ratingagentur Moody’s spekulierte gar, ob sich Amerikas Wirtschaft nicht schon im September in einer Rezession befand.
Zwischen einer Krise auf den Kreditmärkten und einer in der Realwirtschaft ist der Weg nicht weit. Und von einer Krise in den USA zu einer in Europa ist der Weg sogar noch kürzer. Eine Rezession in Amerika träfe deutsche und asiatische Exporte schwer. Wenn man außerdem den dämpfenden Effekt des hohen Euro-Dollar-Wechselkurses berücksichtigt, dann sind die Transmissionsmechanismen vom US-Hypothekenmarkt bis hin zum Mittelständler im Sauerland offensichtlich. Dass sich die Weltkonjunktur irgendwann einmal wieder etwas verlangsamen würde, war klar. Dass es aber so knüppeldick kommt, das hat in Deutschland niemand auf der Rechnung.
Was bleibt noch zu tun? Kurzfristig kann man nicht viel mehr machen als Liquidität bereitstellen und vielleicht die Zinsen ein wenig senken. Langfristig muss man aber das Finanzsystem selbst reparieren. ..... von Wolfgang Münchau http://www.capital.de/politik/100007840.html |