Schäfer warnt BVB: "Die kommen nicht direkt vom Baum"
DORTMUND Winfried Schäfer (60) hat wenig Zeit. „Bin gerade beim Friseur“, ruft er ins Telefon. "Versuchen Sie es später nochmal.". Und später an diesem Montag erzählt der Fußballspieler trainierende Weltenbummler dann doch noch über seine aktuelle Station beim FC Baku, den Fußball in Aserbaidschan und warum Borussia Dortmund am Donnerstag im Europa League-Playoff gegen Qarabag Agdam besonders aufpassen muss.
Herr Schäfer, Aserbaidschans Nationaltrainer Berti Vogts beklagt, dass in diesem Land Schach der Nationalsport sei. Gefolgt von Gewichtheben, erst dann käme Fußball. Warum muss sich der BVB dennoch vorsehen?
Winfried Schäfer: Weil so ein Playoff-Spiel seine eigenen Gesetze hat...
Eine von Trainern gern gebrauchte Floskel...
Schäfer: Stimmt. Aber wissen Sie, wie viele vermeintlich favorisierte Klubs schon an ihrer Überheblichkeit gescheitert sind? Dortmund hat sicher deutlich mehr Qualität, aber sie dürfen auf keinen Fall nachlässig werden. Dann könnte es eng werden. Denn Qarabag wittert eine historische Chance. Sie wären das erste Team Aserbaidschans, das die Gruppenphase der Europa League erreicht. Momentan schwimmt der Klub regelrecht auf einer Euphoriewelle.
Sie trainieren seit Juni den FC Baku und kennen Dortmunds Gegner. Was können Sie uns verraten?
Schäfer: Sie haben den polnischen Vizemeister Wislav Krakau ausgeschaltet. Also kommen sie nicht gerade direkt vom Baum. Obwohl Krakau in diesen beiden Spielen sehr schlecht war. Qarabag hat ein sehr junges Team mit vielen „local heroes“. Da spielen nur Einheimische mit sehr viel Herzblut, die auch den zentralen Kern der Nationalmannschaft stellen.
Was kann Qarabag fußballerisch?
Schäfer: Dortmund muss sich gerade im heimischen Stadion vorsehen. Qarabag kontert sehr gern, steht in der Defensive sehr kompakt und hat mit Aliyev einen sehr quirligen Stürmer. Vorteil für den BVB: Afran Ismailov hat sich das Kreuzband gerissen. Er ist ein wichtiger Offensiv-Spieler, der Agdam sehr fehlen wird. Außerdem weiß ich nicht, wie die jungen Spieler reagieren, wenn sie vor 80 000 Zuschauern im Signal Iduna Park auflaufen müssen.
Der BVB hat einen Beobachter nach Baku geschickt. Was hat er dort nicht gesehen, was Sie ihm noch mitteilen können?
Schäfer: Der BVB sollte zu Hause tunlichst vorlegen. Auf dem Platz in Baku trainieren und spielen drei Mannschaften, dazu die Nationalelf. Der Rasen ist nicht mit Bundesliga-Rasen zu vergleichen. Noch ein Tipp: Baku heißt „Wind“. Es kann passieren, dass es am Donnerstag in einer Woche nicht nur sehr heiß, sondern auch sehr windig ist. Dann ist Fußball Lotterie.
Hand aufs Herz: In welcher deutschen Liga könnten die Klubs aus Aserbaidschan mithalten?
Schäfer: Die besten Vier haben annähernd Zweitliga-Qualität. Im Fußball ist Aserbaidschan ein Entwicklungsland. Darum sind wir europäischen Trainer ja hier. Aber es tut sich eine Menge, nicht nur, weil dank Öl und Gas auch mehr Geld in den Sport fließt. Das heißt aber nicht, dass hier Unsummen gezahlt werden. Die Vereins-Vorstände arbeiten hier sehr vernünftig und umsichtig. Glauben Sie mir: Ein Joel Epalle, den ich aus Bochum geholt habe, verdient hier weniger als in der Bundesliga. Wir sind hier nicht in Dubai.
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