In unserer Landtagswahlserie blicken wir nach Sachsen, wo seit der friedlichen Revolution die CDU regiert. Auch der Freistaat hat mit der Wirtschaftskrise zu kämpfen, nun will die Linke Wirtschaftskompetenz beweisen. Zunächst ein Besuch beim insolventen Qimonda-Werk.
Olaf Schmiedel braucht Überzieher für seine Schuhe. Zwar ruhen die Maschinen seit dem Frühjahr, aber im Herzstück des Qimonda-Werks, wo einst die Chipproduktion lief, sind noch immer selbst feinste Staubpartikel eine Gefahr, können die empfindlichen Maschinen beschädigen. Früher hat der Maschinenbauingenieur Schmiedel hier den Herstellungsprozess überwacht, heute führt er Kaufinteressenten durch die Produktionslinien, beantwortet Fragen.
"Die Ruhe ist schlimm, ich habe selber dem Automatisierer das Signal gegeben, dass er das Transportsystem anhalten soll und ich habe selber hier in der Fertigungsstraße gestanden, als die Vehikel das letzte Mal gezuckt haben. Das tut weh."
Rund 150 Mitarbeiter hat Qimonda in Dresden noch, von vorher mehr als 3000. Sie begleiten die "Verwertung" des Unternehmens, so nennt es das Insolvenzrecht. "Wir machen hier alles zu Cash," so nennt es der Geschäftsführer Wolfgang Schmid:
"Das ist hier unsere Kantine, Platz für 500 Mitarbeiter."
Ein leichter Essensduft liegt noch in der Luft. Hier werden jetzt Büromöbel ausgestellt: Stühle, Container, Spinde. Am wichtigsten ist es aber, die Maschinen in Schuss zu halten. Viele Hightech-Komponenten sind schon verkauft, laufen jetzt irgendwo bei Taipeh, sagt Bernd Janke. Besonders bitter für den Elektrotechnik-Ingenieur: Hier trennen sie sich von Spitzentechnologie, die europaweit ohne Konkurrenz ist:
"Die Kunden, die hier Maschinen kaufen kommen, das sind ja Ingenieure, die können das selber nicht verstehen, dass wir nicht mehr da sind, wenn man auf Ingenieurebene miteinander spricht. Der Haupttenor ist Bewunderung und Verwunderung darüber, dass man so etwas in Europa nicht aufrechterhält."
Ohne staatliche Unterstützung hätten sie keine Chance gehabt, sagen sie hier, denn der Konkurrenz in Asien greife der Staat entschieden unter die Arme. Welche Partei sehen sie als Hoffnungsträger? Schulterzucken.
"Guten Tag, darf ich Ihnen mal was mitgeben auf den Weg - das Wahlprogramm der Linken."
Szenenwechsel: die Reichenstraße in Bautzen, Fußgängerzone, barocke Häuserfassaden in zartrosa, hellgelb und Terracotta. Vier Genossen unterstützen den Spitzenkandidaten der Partei "Die Linke", André Hahn, im Wahlkampf-Endspurt. Die Qimonda-Pleite ist auch hier Thema:
"Die CDU hat aus rein ideologischen Gründen, keine Staatsbeteiligungen zu wollen, aus rein ideologischen Gründen, den Untergang des Unternehmens und den Verlust von Tausenden von Arbeitsplätzen zu verantworten. Was in Amerika funktioniert, was in Asien funktioniert, wenn wir hier überhaupt noch Hightech-Arbeitsplätze haben wollen, muss auch bei uns möglich sein."
Untätigkeit und Fahrlässigkeit wirft die Linke Ministerpräsident Tillich vor. Der CDU-Spitzenmann hat sich für Qimonda zwar eingesetzt, aber zu einer Staatsbeteiligung konnte der Freistaat sich nicht durchringen. Im Vergleich zu den anderen ostdeutschen Bundesländern gibt Sachsen wirtschaftlich noch immer den Primus, aber die Krise trifft die Unternehmen auch hier hart. Qimonda ist nur eine von rund 1000 Firmen, die im ersten Halbjahr aufgeben mussten, rund 100 mehr als im vergangenen Jahr. Darum hat auch die Partei die "Linke" das Thema Wirtschaft prominent an den Anfang ihres Landeswahlprogrammes gesetzt. Spitzenkandidat Hahn:
"Wir haben Wirtschaftskonzepte wie keine andere Partei in Sachsen, und überall, wo ich bin, präsentiere ich die auch, und inzwischen schreibt die CDU ja von uns ab, wenn Herr Tillich jetzt Innovationsgutscheine für kleine und mittelständische Unternehmen fordert. Wir haben das im April beschlossen, das habe ich im April vorgestellt. Wir haben Konzepte und jetzt wollen wir sie auch umsetzen."
Die Linkspartei als synonym für Wirtschaftskompetenz? Diese Touristin aus Crimmetschau bei Zwickau ist skeptisch:
"Ich denke, das dauert noch ein Stück, ich denke, das hat die CDU noch voll im Griff und die FDP, die Linke kann das alleine nicht. Die Wirtschaft bestimmt doch, was hier passiert in dem Land."
Jüngsten Umfragen zufolge kann die Linke auch in Sachsen - etwa im Vergleich mit den Liberalen - kaum von der Krise profitieren. Ein Grund, so André Hahn, sei die Rolle der Linken als Oppositionspartei - die Akteure seien die anderen sagt er, und:
"Wenn schon die wirtschaftliche Situation unsicher ist, dass man dann, obwohl diejenigen, die die Krise mitverursacht haben, ganz maßgeblich, durch die eigene Gesetzgebung, doch bei dem bleibt, was man schon kennt, auch wenn man unzufrieden ist, dass man sich nicht traut, auch noch einen politischen Wechsel herbeizuführen."
Den würde André Hahn gerne als nächster sächsischer Ministerpräsident einläuten, mit der SPD - die Umfragen derzeit bei gut zehn Prozent sehen - und den Grünen als Juniorpartner. Glaubt man den Werten, ist diese Perspektive allerdings eher eine theoretische Möglichkeit.
Bernd Janke, den E-Techniker von Qimonda, interessieren solche Zahlenspiele allenfalls am Rande. In diesen Wochen denkt er in kürzeren zeitlichen Dimensionen:
"Meine Perspektive ist jetzt erst mal, den Prozess so lange zu begleiten, wie man mich jetzt hier braucht. Dann mache ich einen Schnitt und werde mich um eine neue Tätigkeit kümmern, vorzugsweise in Dresden. Und wenn das nicht geht, dann eben bundesweit. Das ist der Plan." |