Opel, Wadan, Infineon: Deutschland ist auf der Suche nach Investoren, Russland auf Schnäppchenjagd. Bei Merkels Besuch in Sotschi bauen Deutschland und Russland ihre Zusammenarbeit in der Wirtschaftskrise deutlich aus - Einigkeit herrschte auch bei G-20.
14.08.2009, 15:43 Uhr
SOTSCHI. Dimitrij Medwedjew hatte erst mal ein Lob parat. Kaum ist Merkels Mercedes vor der palmenumsäumten Sommerresidenz des russischen Präsidenten am Schwarzen Meer vorgefahren, da umgarnte der Gastgeber die Kanzlerin schon. "Es ist eine schwierige Zeit, die wir alle durchmachen", sagte der russische Präsident und blickte seinen Gast an. "Aber nichtsdestotrotz gibt es auch positive Erscheinungen und das ist die Tatsache, dass die deutsche Wirtschaft jetzt erste Anzeichen der Wiederbelebung zeigt." Und wer für die guten Zahlen aus Deutschland gesorgt hat, weiß der Russe natürlich auch. "Das ist das Ergebnis der konsequenten Politik der Bundesregierung."
Nicht nur das Lob wird Merkel zu Beginn ihrer eintägigen Visite in Russland gerne hören. Mit seinen einleitenden Worten war Medwedjew mitten im Thema dieses deutsch-russischen Treffens - im Vordergrund stehen wirtschaftliche Fragen. In der Wirtschaftskrise rücken Deutschland und Russland näher zusammen. Konkret ging es in Sotschi um drei russische Investitionsvorhaben in Deutschland - den Einstieg eines russischen Investors bei der Wadan-Werft, die Opel-Übernahme durch den Magna-Konzern und die russische Sberbank sowie mögliche russische Investitionen beim angeschlagenen Chip-Hersteller Infineon/ Qimonda. Ausgerechnet in der Wirtschaftskrise bieten sich hier Chancen für eine verstärkte Zusammenarbeit, Merkel spricht von einer "win-win"-Situation.
Ungeschminkt machte auch Medwedjew die Interessen Russlands deutlich. In der Wirtschaftskrise ließen sich "Aktiva zu niedrigen Preisen kaufen", sagt er. Der Präsident auf Schnäppchenjagd, ein bisschen klingt es so, obwohl gerade auch Russland von der Wirtschaftskrise hart getroffen ist. Es gelte, die Wirtschafsstruktur Russlands zu verbessern, so Medwedjew. "Infineon/Qimonda oder der Erwerb von Opel sind hochtechnische Bereiche - das ist das, was uns fehlt, und was uns vor künftigen wirtschaftlichen Turbulenzen schützen wird."
Bei Opel, dem prominentesten Objekt dieser Vorhaben, unterstützt die Bundesregierung das Angebot von Magna und der russischen Sberbank. Dies machte Merkel einmal mehr deutlich. "Magna ist eine Firma, die sich im Autobereich auskennt und ein strategisches Interesse an Opel hat", sagt Merkel. "Ich weiß, dass Opel nicht der Bundesregierung gehört, sondern im wesentlichen GM", so die Kanzlerin. Doch ohne Deutschland gehe es eben auch nicht. So ist GM auf die Bürgschaften von Bund und Opel-Ländern angewiesen. CDU-Ministerpräsidenten wie Roland Koch oder Dieter Althaus haben bereits darauf hingewiesen, dass diese Zusagen für den Finanzinvestor RHJ nicht automatisch gelten. Merkel sagt das mit Rücksicht auf die Amerikaner nicht so deutlich, meint aber dasselbe, wenn sie in Sotschi sagt, zwischen GM und Deutschland herrsche "Einigungszwang". Deutsch-russische Interessen treffen sich auch bei den Wadan-Werften in Rostock-Warnemünde und Wismar. Dort richten sich alle Hoffnungen auf Igor Jussufow, den neuen Investor, der bereits einen Vorvertrag geschlossen hat. Gemeinsam mit seinem Sohn Witalij will er mit 40,5 Mio. Euro bei der insolventen Werft einsteigen und bis zu 1 600 der rund 2 500 Arbeitsplätze erhalten. Mindest ebenso wichtig wie dieses Geld: Als Mitglied des Gazprom-Aufsichtsrat könnte Jussufow einen besseren Draht zu den russischen Machthabern haben als der bisherige Investor.
Diese Beziehungen könnten helfen, für Aufträge zu sorgen: Russland braucht Spezialschiffe, die Wadan herstellt - etwa Transporter für Flüssiggas oder eistaugliche Frachter für die Erschließung des Stockmann-Gasfeldes in der Barentsee. Ein Geschäft, dessen Logik der Physikerin Merkel einleuchtet. "Die Werften in Deutschland sind nach der Einheit auf einen sehr hohen Stand gebracht worden", sagt sie. Wenn ein Russe hier investiere und Russland dann dort Spezialschiffe bauen lassen wolle, sei dies "ein intelligentes Projekt".
Daneben ging es um die Neuordnung des künftigen Finanzsystems, um Vorbereitungen für den G-20-Gipfel Ende September in Pittsburgh. In Russland, das die Finanzkrise nicht mit verursacht hat, aber wie kaum ein zweites Land aber unter ihren Folgen leidet, meint Merkel, einen Verbündeten für ihre Forderung nach einer stärkeren Regulierung der Finanzmärkte gefunden zu haben. Zu recht, wie Medwedjew sagte. "Ich unterstütze die Charta für nachhaltiges Wirtschaften." Das ist Merkels Vorschlag für die G-20-Konferenz.
Ein Thema, das bei Pressekonferenzen in Russland eigentlich an prominenterer Stelle gesetzt ist, kam erst ganz zum Schluss zur Sprache - die Menschenrechte. Medwedjew sprach den Angehörigen der im Kaukasus ermordeten Menschenrechtsaktivisten sein Beileid aus. Merkel, die bei Medwedjew am Vorabend von Berlin aus in deutlichen Worten zu rascher Aufklärung gemahnt hatte, blieb ebenfalls zurückhaltend. "Ich weiß, dass dem russischen Präsidenten die Einhaltung der Menschenrechte sehr am Herzen liegt", sagt sie. Merkel, das merkt man bei der abschließenden Pressekonferenz, kommt gut mit Medwedew klar. Die ruppige Art seines Vorgängers Wladimir Putin, dieses Kräftemessen um jeden Preis, hat der neue Präsident nicht nötig. Zumal sich die Interessen treffen, mitten in der Wirtschaftskrise.
http://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/...er-magna;2445109;0
############################### kein wort über ifx oder qi... komisch... kommt heute noch was?! hmmm.... nachrichtensperre? |