[....] EU-Industriekommissar Günter Verheugen warnte in der Hannoverschen Neuen Presse, die Autoindustrie erlebe, »einen Einbruch wie seit vielen, vielen Jahren nicht mehr«. Verheugen fügte hinzu: »Wir befinden uns in einem tiefen Tal. Wenn wir das nicht schnell hinter uns lassen, wird massiver Stellenabbau unausweichlich.«
Die Industrie verlangte angesichts der Krise verstärkte staatliche Anreize für den Kauf von Neuwagen. Der Präsident des Verbandes der Automobilindustrie, Matthias Wissmann, sprach sich in der Berliner Zeitung (Dienstagausgabe) für einen raschen Übergang zur am CO2-Ausstoß orientierten Kfz-Steuer aus. Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) unterstützte die Forderung.
Ferdinand Dudenhöffer, Professor für »Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Automobilwirtschaft« sowie langjähriger Marketingstratege bei Opel und Porsche, forderte ein »Kreditprogramm der Regierung für die Autozulieferer«. Ohne günstiges Geld vom Staat gingen »in den nächsten zwei Jahren bis zu 20 Prozent der Autozulieferer in Konkurs«, sagte er der Bild-Zeitung (Dienstagausgabe). »Dann fallen bis zu 50000 Jobs weg.« Was staatliche Förderprogramme für die Branche an der einbrechenden zahlungskräftigen Nachfrage nach Autos ändern sollen, erklärte Dudenhöffer nicht. »Cars don’t buy cars«, wußte US-Autokönig Henry Ford dagegen schon vor 80 Jahren.
Die IG Metall bekräftigte indessen ihre Tarifforderung von acht Prozent. »Die Menschen brauchen ein Stück Lebenssicherheit, sonst endet das in einer totalen Konsumverweigerung«, sagte Gewerkschaftschef Berthold Huber am Dienstag im ARD-Morgenmagazin. In der Branche gebe es die höchsten Nettoumsatzrenditen seit 40 Jahren und die niedrigste Lohnquote seit 1945. [....]
"Die zweite Welle" Finanzkrise in Osteuropa und Rußland. Rückwirkungen auf Kernländer der EU absehbar. Experten fürchten Kettenreaktion in der Eurozone bis hin zu Staatsbankrotten. [....] Laut jüngsten Daten der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich in Basel, die als Zentralbank der Zentralbanken fungiert, sind es westeuropäische Kreditinstitute, mit einem besonders starken deutschen Anteil, die den Boom in Osteuropa finanziert haben und die jetzt um ihr Geld fürchten müssen. Das Problem geht aber über Osteuropa hinaus, da auch die Schwellenländer in Lateinamerika und Asien inzwischen in ähnlichen Rückzahlungsschwierigkeiten stecken. Insgesamt zeichnen die westeuropäischen Banken für drei Viertel der insgesamt 4,7 Billionen Dollar Kredite an Osteuropa sowie die asiatischen und lateinamerikanischen Schwellenländer verantwortlich. Das ist ein Vielfaches der sogenannten Sub-prime-US-Schrotthypotheken, die im europäischen Finanzsystem gelandet sind, und die vor Jahresfrist die erste Phase oder Runde der Krise ausgelöst haben. Auf Grund der globalen Krise sind bereits viele dieser Kredite faul geworden, andere drohen es bei Fortdauer der Krise zu werden. [....] Stephen Jen, leitender Finanzstratege der US-Investmentbank Morgan Stanley, sieht in dem Finanzabsturz Osteuropas und der Schwellenländer ein weithin unterbewertetes Risiko, das »zum zweiten Epizentrum der globalen Finanzkrise« werden könnte – wobei dieses Mal Europa stärker als die USA in Mitleidenschaft gezogen würde. Da viele der Kredite durch staatliche Bürgschaften abgesichert sind, könnte mancherorts sogar der Staatsbankrott drohen. Am schlimmsten ist Österreich dran. Die Banken des Alpenlandes haben Kredite in Höhe von 85 Prozent des österreichischen Bruttoinlandsprodukts (BIP) an Schwellenländer vergeben, hauptsächlich an Ungarn, die Ukraine und Serbien, die nun gemeinsam mit Belarus beim Internationalen Währungsfonds (IWF) Schlange stehen, um für sich ein Rettungspaket zu ergattern. Inzwischen stellen sich Finanzexperten immer ernsthafter eine Frage, über die man vor wenigen Monaten noch laut gelacht hätte: Was passiert mit dem Euro, wenn ein Euroland wie z.B. Österreich oder Spanien in den Staatsbankrott abgleitet?
Das Engagement der Schweizer Banken bei Schwellenländern und Osteuropa beläuft sich auf 50 Prozent des Schweizer BIP; bei Schweden sind es 25 Prozent, bei Großbritannien 24 Prozent und 23 Prozent bei Spanien. Zum Vergleich: Das US-Engagement liegt bei gerade mal vier Prozent des BIP. Spanische Banken haben allein an Lateinamerika 316 Milliarden Euro verliehen, während alle US-Banken zusammen an ihren einstigen »Hinterhof« nur Kredite über 172 Milliarden Dollar vergeben haben. Vor dem Hintergrund eines drohenden Staatsbankrotts in Argentinien und der brasilianischen Aktien- und Devisenmärkte, die sich im freien Fall befinden, nehmen auch in Europa die Sorgen über die finanzielle Gesundheit Spaniens zu. Eine Zuspitzung der Probleme würde sofort auf deutsche Banken übergreifen, denn die sind mit 310 Milliarden Dollar in Spanien engagiert, wo sie hauptsächlich Geld an Institute verliehen haben, die die inzwischen geplatzte Immobilienblase finanziert haben. Auch im von Krisen geschüttelten Irland sind deutsche Banken weitaus stärker engagiert als alle anderen, nämlich mit ausstehenden Krediten in Höhe von 240 Milliarden Dollar.
jW vom 29.10.2008 |