lesen: "Trotz der jüngsten Korrektur fordert der während der letzten Quartale massiv gestiegene Ölpreis nun seinen Tribut: Die Inflation ist auf 5% hochgeschossen, die Realeinkommen wachsen nicht mehr, das Verbrauchervertrauen ist eingebrochen, und die Binnennachfrage stagniert. Gleichzeitig aber geht die Ölnachfrage in den USA eben aufgrund der hohen Ölpreise und des Konjunkturabschwungs immer mehr zurück. Im Folgenden untersuchen wir, wie stark der Rückgang ausfallen könnte und ob dadurch der jahrelange Anstieg der Ölpreise gestoppt werden kann oder gar eine Trendwende ansteht. Um das Ausmaß des Rückgangs zu bestimmen, haben wir die Sensitivität der Ölnachfrage auf Änderungen der Ölpreise und des BIP-Wachstums untersucht. Als Maß dafür dienen uns die Korrelationskoeffizienten zwischen den Wachstumsraten der Ölnachfrage und des BIP bzw. der Ölpreise. Nach unseren Berechnungen reagiert die Ölnachfrage wesentlich sensibler auf das BIP-Wachstum als auf Veränderungen der Ölpreise an sich. Anders ausgedrückt: die Einkommenselastizität der Ölnachfrage ist höher als die Preiselastizität. Die Korrelation zwischen Ölnachfrage und BIP ist mit 0,69 sogar mehr als doppelt so hoch wie die Korrelation zwischen Ölnachfrage und Ölpreisen (-0,33). Hintergrund ist, dass das BIP-Wachstum nicht nur von Änderungen der Ölpreise beeinflusst wird, sondern darüber hinaus zusätzliche Einflüsse widerspiegelt, die sich auf die Energienachfrage auswirken. US-Ölnachfrage bereits rückläufig Da der Transportsektor in den USA mit Abstand die meisten Erdölprodukte nachfrägt, schlägt sich jede Verringerung der Reise- und Verkehrsaktivitäten sofort im Gesamtverbrauch von Erdöl nieder. Und tatsächlich scheint es so, als hätten die Privathaushalte und Unternehmen in den letzten Monaten damit begonnen, ihre Fahrgewohnheiten anzupassen. Laut Federal Highway Administration ist die Zahl der zurückgelegten Kilometer in den sechs Monaten von November 2007 bis April 2008 gegenüber dem gleichen Vorjahreszeitraum um 2,25% gesunken. Dies ist der stärkste Rückgang seit der "double-dip" Rezession 1980/81. Das geringere Verkehrsaufkommen hat zu einem Rückgang der Nachfrage nach Benzin (um 125.000 Fass pro Tag ggü. Vorjahr), nach Dieselkraftstoff (-175.000) und Kerosin (-60.000) geführt. Der Energieverbrauch von Industrie & Gewerbe sowie im privaten Immobiliensektor ging ebenfalls zurück, so dass die US-Ölnachfrage insgesamt in den ersten vier Monaten dieses Jahres um 800.000 Fass pro Tag gesunken ist. Wichtiger als der Blick zurück aber ist der nach vorn. Und hier stellt sich die Frage, wie stark die US-Ölnachfrage in den kommenden Monaten und Quartalen noch fallen könnte. Wir rechnen - wie andere Institute auch - mit einer substantiellen Abschwächung des BIP-Wachstums im zweiten Halbjahr 2008 und das magere Wachstum dürfte auch noch bis Mitte 2009 anhalten. Im Jahresdurchschnitt sind das 2008 nicht mehr als 1¾%, 2009 sogar nur 1¼%. Aufgrund der starken Korrelation zwischen BIP-Wachstum und Ölnachfrage können wir anhand unserer BIP-Prognose die künftige Ölnachfrageentwicklung abschätzen. In den ersten vier Monaten 2008 ist der Ölverbrauch um 800.000 Fass pro Tag oder um 4,25% (ggü. Vorjahr) gesunken. Dieser Rückgang liegt etwas über dem, den die historische Beziehung zwischen BIP-Wachstum und Ölnachfrageänderung vermuten ließe. Das könnte daran liegen, dass die Haushalte und Unternehmen anders als früher nun davon ausgehen, dass die Ölpreise auf dem hohen Niveau verharren werden. Zudem könnten die Ölpreise bestimmte kritische Schwellen überschritten haben. Da wir aber nicht erwarten, dass der Ölpreis für den Rest des Jahres und auch 2009 ihren Aufwärtstrend ungebremst fortsetzen wird, haben wir beim Energieverbrauch den Abwärtstrend nicht einfach fortgeschrieben. Vielmehr rechnen wir damit, dass die Ölnachfrage im kommenden Jahr trotz des schwächeren BIP-Wachstums etwas langsamer sinken wird. Wir prognostizieren einen Rückgang der Ölnachfrage in den USA von 20,7 Mio Fass 2007 auf 19,25 Mio im kommenden Jahr. Die Folgen für die globalen Ölmärkte Da die USA weltweit immer noch der größte Verbraucher von Erdölprodukten sind, wird ein derartiger Nachfragerückgang an den globalen Energiemärkten natürlich zu spüren sein. 2007 verbrauchten die USA täglich 20,7 Mio Fass, was 24% der globalen Ölnachfrage ausmachte. Beim Nachfrageanstieg der letzten Jahre spielten die USA allerdings eine nur bescheidene Rolle: Zwischen 2000 und 2007 erhöhte sich der US-Erdölverbrauch um 1 Mio Fass pro Tag, was für nur 11% des weltweiten Nachfrageanstiegs verantwortlich war. Die steigende Energienachfrage ging vor allem - wie allgemein bekannt - auf China zurück. Zwischen 2000 und 2007 nahm der Erdölverbrauch dort um 3,4 Mio Fass pro Tag zu. Außer in China stieg der Energieverbrauch auch im Nahen Osten und in der Region Asien/Pazifik (ohne China) beträchtlich. Aufgrund dieser globalen Nachfrageverschiebungen dürfte die konjunkturelle Abschwächung in den USA wahrscheinlich nicht ausreichen, um einen Rückgang der globalen Ölnachfrage zu bewirken. Diese Ansicht vertritt auch die Internationale Energieagentur (IEA). In ihrem aktuellen Monatsbericht zum Ölmarkt prognostiziert sie für 2008 und 2009 einen Anstieg der globalen Ölnachfrage um 890.000 bzw. 860.000 Fass pro Tag. Laut IEA wird der Nachfragerückgang in den OECD-Ländern (insbesondere in den USA) durch den stetigen Anstieg der Nachfrage aus China, dem Nahen Osten und Lateinamerika überkompensiert. Zwar erwarten wir einen etwas deutlicheren Rückgang der Ölnachfrage in den USA als die IEA (der Unterschied beträgt 400.000 Fass pro Tag für 2008 und weitere 100.000 im nächsten Jahr), aber auch dann würde der weltweite Ölverbrauch 2008 noch um 500.000, und 2009 um 750.000 Fass pro Tag steigen. Während dies der langsamste Anstieg seit 1998 wäre, kommt die Mäßigung zu einem Zeitpunkt, da die Ölnachfrage das Angebot bereits eingeholt hat. Da einige Regionen ihre Ölförderung nicht mehr ausweiten können (z.B. Mexiko, Nordsee und die meisten Nicht-OPEC-Länder) und andere ihre Förderung nicht erhöhen wollen (Naher Osten, insbesondere Saudi-Arabien), verharrte das globale Ölangebot während der letzten Jahre auf dem Stand von 85 bis 86 Mio Fass pro Tag. Gleichzeitig aber hat der weltweite Ölverbrauch stetig zugenommen, und seit Mitte 2007 lag die Nachfrage um 200.000 bis 400.000 Fass pro Tag über dem Angebot. Die zugrunde liegenden Angebots- und Nachfragefaktoren dürften den Ölpreis in den nächsten Quartalen jenseits kurzfristigen Unter- bzw. Überschießens durchschnittlich zwischen 120 und 125 USD pro Fass halten. Der Grund hierfür ist, dass der merkliche Rückgang des Ölverbrauchs der USA durch die steigende Nachfrage der Nicht-OECD-Länder kompensiert wird. Nur wenn sich das Wachstum der Weltwirtschaft, angeführt von China und anderen Schwellenländern, deutlich abschwächt oder gar eine Rezession eintritt, könnte der Ölpreis die Marke von 100 USD pro Fass unterschreiten. Es scheint daher so wie die Wahl zwischen Pest und Cholera: entweder weiter steigende Ölpreise oder ein deutlich langsameres Wachstum in den Schwellenländern." Quelle: UniCredit |