Ist das noch aktuell oder hat jemand den neusten Stand der Dinge?
9.04.2008 Studie sieht erhöhtes Herzinfarkt- und Sterberisiko durch Kunstblut
Bethesda – Eine Veröffentlichung im amerikanischen Ärzteblatt (JAMA 2008; doi: 10.1001/jama.299.19.jrv80007) stellt die Sicherheit von zellfreien hämoglobinbasierten Blutsubstituten (HBBS) – Kunstblut – infrage. Nach den Ergebnissen der Meta-Analyse ist die Rate von Herzinfarkten und Todesfällen bei allen fünf getesteten Präparaten erhöht. US-Verbraucherschützer kritisieren die Arzneimittelbehörde FDA, die diese Risiken lange gegenüber der Öffentlichkeit verschwiegen habe und weiterhin ethisch bedenkliche klinische Studien genehmige.
Eine Substanz, die wie Hämoglobin Sauerstoff transportiert, wäre in der Medizin sehr willkommen. Kunstblut könnte die Blutbanken entlasten, da die Spender rar, die Lagerung des Blutes kompliziert und ihre Transfusion (trotz aller Tests) mit einem Sicherheitsrisiko verbunden ist. Es hat in den letzten Jahren immer wieder Zeitungsmeldungen gegeben, nach denen die Einführung eines Kunstblutes kurz bevor steht. In der Veterinärmedizin wird es bereits eingesetzt und in Südafrika ist dem Vernehmen nach sogar ein Produkt zum Einsatz beim Menschen zugelassen. Es soll dort jedoch selten verwendet werden.
Dies hängt sicherlich mit den wenig überzeugenden Studienergebnissen zusammen, welche die Gruppe um Charles Natanson vom US-National Institutes of Health in Bethesda/Maryland in einer Meta-Analyse zusammenfassend ausgewertet hat. Die Forscher stützen sich dabei auf 16 randomisierte klinische Studien, die seit 1998 durchgeführt wurden. In den Studien wurde HemAssist® von Baxter (Deerfield/Illinois), Hemopure® von Biopure (Cambridge/Massachusetts), Hemolink® von Hemosol Biopharma (Mississauga/Kanada), PolyHeme® von Northfield Laboratories (Evaston/Illinois) und Hemospan® von Sangard Inc. (San Diego) untersucht.
Alle Präparate enthalten Hämoglobin, das durch Quervernetzung (HemAssist®), Pyridoxylation (Hemopure®), Polymerisation (Hemolink® und PolyHeme®) oder Pegylierung (Hemospan®) modifiziert wurde, um die Verträglichkeit zu verbessern. Denn anders als das natürliche Hämoglobin, werden die HBBS unverpackt, das heißt ohne die schützende Erythrozytenmembran infundiert. ------> siehe unten Das hat zur Folge, dass die Makromoleküle nicht nur Sauerstoff binden, sondern auch eine Reihe anderer Blutbestandteile. Dazu zählt auch Stickoxid, ein wichtiger Vasodilatator im Blut.
Sein Mangel könnte zu tödlichen Vasokonstriktionen führen und das Ergebnis der Meta-Analyse erklären. Diese zeigt nämlich ein erhöhtes Risiko von Herzinfarkten und Todesfällen. Unter den 1.927 Patienten, die in den Studien mit HBBS behandelt wurden, kam es zu 164 Todesfällen, während in den Kontrollgruppen nur 123 von 1.784 Patienten starben. Das ergibt einen Anstieg der Sterblichkeit um 30 Prozent. Viele Todesfälle waren die Folge eines Herzinfarktes, an dem 59 Empfänger von HBBS, aber nur 16 in den Kontrollgruppen erkrankten, was nach den Berechnungen von Natanson ein um den Faktor 2,7-erhöhtes relatives Risiko ergibt.
Obwohl die klinischen Studien bereits seit 1998 durchgeführt werden, sind bisher nur 13 der 16 Studien publiziert und viele davon erst viele Jahre nach ihrem Abschluss. Hier setzt die Kritik der Verbraucherschützer von Public Citizen an, die an der Studie beteiligt waren. Sie beklagen, dass die Zulassungsbehörde FDA die ihr bekannten Daten nicht veröffentlicht habe und weiterhin die Durchführung von unethischen klinischen Versuchen am Menschen erlaube.
Bereits ab 2000 hätte die FDA weitere Studien stoppen müssen, meint auch Natanson. Er rät dazu, die Sicherheit von HBBS zunächst wieder in tierexperimentellen Studien zu prüfen. Nach Recherchen der Autoren werden derzeit fünf Studien durchgeführt, was auch nach Ansicht der Editorialisten Dean Fergusson und Lauralyn McIntyre, Universität Ottawa ethisch nicht vertretbar ist (JAMA 2008; doi: 10.1001/jama.299.19.jed80027). Eine Stellungnahme der FDA zu den Vorwürfen lag bei Redaktionsschluss nicht vor. © rme/aerzteblatt.de Quelle: http://www.aerzteblatt.de/studieren/nachrichten/32225?s=Kunstblut
|