Titel der Branche entwickeln sich europaweit schlechter als der Markt - Anleger können nur auf hohe Dividendenrendite hoffen Von Lutz Frühbrodt
Frankfurt/Main - Kai-Uwe Ricke hatte sicher schon erfreulichere Botschaften zu verkünden. Wenn der Telekom-Chef an diesem Donnerstag die Halbjahreszahlen des Bonner Konzerns vorlegt, wird er zwar keinen schockierenden Einbruch einräumen müssen. Doch die meisten Analysten erwarten, dass Ricke sich gezwungen sieht, den optimistischen Ausblick für 2007 zurückzunehmen. Zahlreiche Experten rechnen zudem damit, dass die Telekom Probleme bekommen könnte, beim für 2006 angestrebten operativen Ergebnis (Ebitda) von 20,2 bis 20,7 Mrd. Euro im oberen Teil des Zielkorridors zu landen.
"Die Festnetzsparte schwächelt, und der Mobilfunk kann dies nicht mehr wie bisher ausreichend ausgleichen", erklärt Frank Rothauge, Telekom-Analyst bei Sal. Oppenheim, das Hauptproblem des Bonner Konzerns. Bei der Deutschen Telekom handelt es sich jedoch mitnichten um den einzigen Problemfall. Zuvor haben schon andere Ex-Monopolisten aus Westeuropa wie Telecom Italia und France Télécom enttäuschende Halbjahresergebnisse vorgelegt. Analyst Christian Kern von Lehman Brothers warnt deshalb, dass zumindest in nächster Zeit "das Potenzial für eine anhaltende Schwäche" der Kurse vorhanden sei.
Damit würde nur ein Trend fortgesetzt: Die Aktienkurse der meisten europäischen Telekom-Werte haben im vergangenen Jahr deutlich schlechter abgeschnitten als der europäische Aktienindex EuroStoxx 50. "Die Telekom-Branche ist zu einem defensiven Sektor geworden", sagt Chris-Oliver Schickentanz, Telekom-Analyst bei der Dresdner Bank. "Gewinnsteigerungen sind weniger durch Wachstum als in erster Linie durch Kostensenkungen möglich." Doch bei den meisten ehemaligen Staatskonzernen können die einflussreichen Gewerkschaften noch verhindern, dass weniger Stellen gestrichen werden, als das Gros der Investoren für notwendig hielte. Analyst Schickentanz sieht deshalb größeres Kurspotenzial bei den US-amerikanischen Telekom-Anbietern. Allerdings stehen die Mobilfunker hier vor einer Frequenzauktion, die sie 15 bis 20 Mrd. Dollar kosten dürfte. "Und Festnetzgesellschaften wie AT & T oder Verizon haben zwar ihre Investitionen kräftig gesteigert", sagt John Lively vom Marktforschungsinstitut Ovum. "Doch ihre Umsätze sind rückläufig. Das eingesetzte Kapital dürfte sich also nur langfristig auszahlen."
Womit sich der Blick wieder zurück nach Europa richtet. Zum Beispiel auf die spanische Telefónica, deren Aktienkurs unter den großen Telekom-Werten noch am Besten abschneidet. "Bei Telefónica ist die Erosion des Festnetzgeschäfts nicht so stark wie bei der Deutschen Telekom", stellt Oppenheim-Analyst Rothauge fest. "Und man hat dort früher begriffen, dass Übernahmen im Ausland das Wachstum fördern."
Telekom-Chef Ricke habe sich nicht nur bei größeren Übernahmen zurückgehalten, sondern selbst auch bei kleineren Einkaufsmöglichkeiten wie Onlinediensten in Frankreich oder Italien. Und jetzt, nachdem vor einigen Monaten der Finanzinvestor Blackstone mit einer vierprozentigen Beteiligung eingestiegen ist, scheint es zu spät zu sein für eine Shoppingtour. "Denn offenbar hat das Telekom-Management Blackstone zugesagt, keine größeren Akquisitionen zu tätigen", glaubt Rothauge.
Der Hintergrund: Verschuldet sich die Telekom wieder stärker, dürfte der Kurs einknicken. Was wiederum Blackstone zwingen könnte, die Finanzierung der vorrangig fremd finanzierten Telekom-Beteiligung neu gegenüber seinen Kreditgebern abzusichern.
Der US-Investor muss deshalb an einem stabilen Kurs interessiert sein. So haben Branchenkenner beobachtet, dass der Kurs der T-Aktie seit einiger Zeit bei negativen Ausschlägen nie unter 12 Euro rutscht.
Ein stabiler Kurs bildet allerdings auch die Voraussetzung dafür, dass sich ein Invest in die Deutsche Telekom oder ähnliche Titel überhaupt noch lohnt. Denn immerhin werfen die Werte eine vernünftige Dividende ab. "Im Laufe des nächsten Jahres halte ich in dem Sektor eine Gesamtrendite von acht bis zwölf Prozent für möglich", sagt Analyst Schickentanz voraus. "Drei Viertel davon dürften auf Dividenden-Zahlungen entfallen." Gemessen an der jährlichen Dividendenrendite rangiert die Deutsche Telekom derzeit auf dem siebten Platz. Das muss aber nicht so bleiben. "Der Kapitalmittelüberschuss dürfte ausreichen, um die Dividende in den nächsten Jahren weiter zu erhöhen", meint Analyst Rothauge.
Artikel erschienen am Mi, 9. August 2006
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