Mit Telekom-Aktien auf schwierigem Terrain Analysten sehen Vodafone-Angriff auf das Festnetz skeptisch - Preisdruck sorgt für Unsicherheit von Beatrix Fricke
Berlin - Wer derzeit in die europäischen Telekom-Unternehmen investiert, muß eine gute Portion Mut mitbringen. Seit Monaten hängen die Aktien von Deutsche Telekom, Vodafone & Co im Kurstal und hinken dem Gesamtmarkt weit hinterher. Während der Stoxx-600 seit Jahresanfang rund zwei Prozent zugelegt hat, haben die im Stoxx-Telekom-Index vertretenen Aktien ein Minus von rund vier Prozent eingefahren. "Die Börse hat sich geradezu in eine Depression hineingesteigert, was die Telcos angeht", sagt Holger Bosse, Branchenanalyst bei Helaba Trust. "In den niedrigen Bewertungen spiegelt sich die Unsicherheit über die Entwicklung des Sektors wider."
Europas Netzbetreiber befinden sich in einem Umwälzungsprozeß. Einerseits wird die Festnetztelefonie immer günstiger, die Konkurrenz durch Internettelefonie nimmt zu. Andererseits ist der einst so vielversprechende Mobilfunkmarkt weitgehend gesättigt, die Umsätze pro Kunde sinken. Billigmarken wie Simyo, Base und Aldi Talk von der KPN-Tocher E-Plus sorgen für Preisdruck. Dazu mache die potentielle Verschärfung der regulatorischen Auflagen beispielsweise in puncto Roaming-Kosten den Mobilfunkern zu schaffen, sagt Thomas Friedrich, Branchenexperte bei der HypoVereinsbank (HVB).
Ideen und Technologien, die neue Einnahmequellen eröffnen könnten, gibt es zwar genug. Erst zum Wochenstart präsentierten Deutsche Telekom, Vodafone, O2 und E-Plus gemeinsam das Pilotprojekt "Handy-TV", dessen kommerzielle Einführung 2007 geplant ist. Doch niemand weiß, welche Innovationen sich beim Verbraucher tatsächlich durchsetzen werden. "Festnetz, Mobilfunk, Internet und TV werden immer stärker verzahnt, Grenzen verschwimmen", schildert Bosse die unübersichtliche Lage. "Außerdem wirbeln neue Tarifstrukturen wie die Flatrates und Bündelprodukte - also die gemeinsame Vermarktung von Festnetzanschluß, Internetzugang und Mobilfunk - den Markt gehörig durcheinander."
Vor allem die Bündelung der Angebote wird derzeit massiv vorangetrieben. Dies beweist einmal mehr die strategische Neuausrichtung, die die britische Vodafone am Dienstag verkündete. Selbst der größte Mobilfunkanbieter der Welt will künftig stärker auf das Festnetz setzen. Bereits seit einem Jahr bietet die Deutschland-Tochter Vodafone D2 das Telefonieren mit dem Handy zu Hause zu Festnetzpreisen an, wie es die Telefonica-Tochter O2 mit Genion vorgemacht hat. Nun soll zum Jahresende ein Komplettangebot aus Mobilfunk und schnellem Internetzugang (DSL) starten - ein Angriff vor allem auf den Konkurrenten Deutsche Telekom. "In Deutschland laufen noch 80 Prozent der Gespräche übers Festnetz, daraus ergibt sich Wachstumspotential für den Mobilfunk", sagt Frank Rothauge von Sal. Oppenheim.
Analysten sehen die Tendenz in der Branche, das Festnetz- und Mobilfunkangebot zu verbinden, allerdings nicht als Allheilmittel. Rothauge bewertet sie gar als vergänglichen Modetrend. Zwar schaffe der integrierte Ansatz Vertriebssynergien. Besser sollten sich Mobilfunker wie Vodafone auf ihre ureigensten Stärken konzentrieren. So sei die HSDPA-Technologie für Handys und Laptops eine echte Konkurrenz zu DSL. Auch HVB-Experte Friedrich zeigt sich skeptisch: "Der integrierte Ansatz ist zwar richtig. Ich denke aber, daß zunächst vor allem der Kunde gewinnt, denn solche Pakete sind günstiger als Einzelprodukte."
Angesichts der Herausforderungen und Unwägbarkeiten, vor denen die Telefongiganten stehen, hält Friedrich derzeit eher kleinere Nischenanbieter wie United Internet für interessante Investments. Helaba-Analyst Bosse schlägt dagegen für die großen Konzerne eine Bresche: "Die Unternehmen stellen sich dem Wandel, bieten hohe Dividenden und sind in der Kursentwicklung stark zurückgeblieben", rechtfertigt er seine Kaufempfehlungen für die Deutsche Telekom, Telefónica und Vodafone. So lange sich die Stimmung für die Telekoms am Markt nicht bessere, müßten die Anleger aber wohl noch etwas auf den Wendepunkt warten. Ähnlich schätzt Oppenheim-Analyst Rothauge die Lage ein, der ebenfalls die Deutsche Telekom zum Kauf empfiehlt: "Der Sektor ist einfach nicht en vogue, man muß bei einem Einstieg Geduld mitbringen."
Artikel erschienen am Do, 1. Juni 2006 Artikel drucken © WELT.de 1995 - 2006 |