FTD: Womit Banken 2009 zu kämpfen haben 16.01.2009 - 12:32
Das katastrophale Schlussquartal des vergangenen Jahres hat angeschlagene Institute tiefer in die Misere gedrückt - und selbst zuvor stabilere Häuser wie die Deutsche Bank nach unten gerissen. 2009 dürfte kaum besser werden. FTD.de zeigt, warum. Werbung
Goldman Sachs, Morgan Stanley, die Deutsche Bank und Citigroup haben für das Schlussquartal 2008 bereits tiefrote Zahlen gemeldet. JP Morgan konnte sich nur dank Sondereffekten in der Gewinnzone halten. Die Berichtssaison droht noch weitere Schreckensnachrichten zu bringen. Viel spricht allerdings dafür, dass 2009 für die krisengeschüttelten Institute noch härter wird. FTD.de zeigt, an welchen Fronten sie kämpfen werden.
Wie trifft die Rezession die Banken?
Eines der zentralen Themen 2009 werden Kreditausfälle: Im Zuge der weltweiten Rezession geraten Unternehmen zusehends in Liquiditätsnot, die Bedienung der Schuldenlast gestaltet sich immer schwieriger. Für die Banken als Kreditgeber bedeutet das, dass faule Darlehen abgeschrieben werden müssen - und weitere Löcher in den Bilanzen drohen.
"Im Jahr 2009 wird das traditionelle Kreditrisiko im Vergleich zu Finanzmarktrisiken zu einer größeren Bedrohung für Einnahmen und Kapital zu werden", schreiben die Analysten von JP Morgan. Das treffe Banken mit einem starken Privat- und Firmenkundengeschäft stärker als Institute, die auf Investmentbanking und sehr vermögende Kunden fokussiert sind.
Die Ratingagentur Moody's erwartet, dass die Ausfallrate bei Firmen mit spekulativer Bonitätsnote bis Dezember auf 10,4 Prozent steigen wird - von 4,2 Prozent im Vorjahresmonat. Das entspräche 225 Insolvenzen weltweit. Die tatsächliche Zahl dürfte noch deutlich höher liegen, da die Ratingagenturen nur solche Unternehmen beobachten, die Anleihen begeben.
Der Index, der angibt, wie viele Unternehmen bereits in Schwierigkeiten stecken, befindet sich schon jetzt auf dem höchsten Stand seit 1996. "Die anhaltende Kreditkrise lässt den Unternehmen nur wenige Optionen. Fällige Verbindlichkeiten können nicht refinanziert werden. Auch die Neuverhandlungen von Kreditkonditionen mit den Gläubigern dürfte sich schwierig gestalten", schreiben die Moody's-Experten in einem Researchbericht.
Erste spektakuläre Pleitefälle gibt es bereits: So beantragten Lyondell Basell, der drittgrößte Chemiekonzern der Welt, und der Netzwerkausrüster Nortel Gläubigerschutz. In Deutschland sorgte der tiefe Fall des Milliardärs Adolf Merckle für Aufsehen: Der Eigentümer von Heidelberg Cement und Ratiopharm verspekulierte sich. Er musste die Kontrolle über sein Imperium abgeben und beging Selbstmord. Mehreren Banken dürfte der Zerfall des Merckle-Imperiums schaden, unter anderem der Commerzbank, die eines der Hauptgläubigerinstitute ist.
Wie gut sind die Banken mit Kapital ausgestattet?
Viele Banken sind ohnehin unterkapitalisiert - weitere Abschreibungen auf Wertpapiere und Kreditausfälle treffen sie daher hart. Die Analysten von Morgan Stanley taxieren den zusätzlichen Kapitalbedarf allein der europäischen Banken auf 83 Mrd. Euro. Sie rechnen daher damit, dass Banken auf breiter Front Dividenden zusammenstreichen werden.
Europas Banken arbeiten noch immer mit deutlich höherem Verschuldungsgrad als ihre US-Konkurrenten. Das heißt, ihr Eigenkapital ist im Vergleich zur Bilanzsumme klein. Die Deutsche Bank gehört zu den Instituten, die mit dem höchsten Hebel agieren. Sie reduziert daher ihre Bilanzsumme. Obwohl sie dies mittlerweile deutlich aggressiver tut als noch vor ein paar Monaten, heben Wechselkurs- und Bilanzierungseffekte einen großen Teil des Abbaus wieder auf.
Die UBS hingegen ist mit der Verringerung der Bilanzsumme schon weit vorangekommen. Der Prozess ist jedoch für alle Banken ein Balanceakt, denn sie müssen darauf achten, dass sie die ohnehin schrumpfenden Erträge nicht noch weiter gefährden.
Zu kämpfen haben die Institute auch damit, dass die Eigenkapitalregeln Basel II prozyklisch wirken. Nach den Vorgaben müssen die Banken dem Ausfallrisiko eines Kredites angemessene Puffer an Eigenkapital vorhalten. Steigt das Ausfallrisiko, nimmt also auch der Kapitalbedarf zu.
Kapital am Markt aufzunehmen ist allerdings aufgrund des hohen Misstrauens der Investoren schwierig. Viele Institute haben daher auf staatliche Kapitalspritzen zurückgegriffen - und werden es wohl auch weiter tun müssen.
Wie entwickeln sich die Erträge?
Sie schrumpfen weiter, gerade im Investmentbanking. Die Institute fahren ihren Eigenhandel zurück und gehen weniger Risiko ein. Viele Märkte - etwa für komplexe Finanzprodukte - sind nach wie vor ausgetrocknet. Neue, ertragreiche Produkte sind nicht in Sicht.
"Wir erwarten, dass 2009 für das Investmentbanking das schlechteste Jahr der letzten Dekade sein wird", schreiben die Bankanalysten von JP Morgan. Sie erwarten daher weiteren Stellenabbau, Kürzungen bei Boni und eine Rückfuhr von Kapital.
Ein Grund sind sinkende Gebühren. Den Analysten von Credit Suisse zufolge fielen sie 2008 im Vergleich zum Vorjahr um rund ein Drittel - und werden wahrscheinlich noch weiter zurückgehen.
Auch in den anderen Segmenten gehen die Erträge zurück - etwa in der Vermögensverwaltung. Schuld ist hier der Kursverfall an den Märkten. Er drückt das Volumen und die Entwicklung der verwalteten Vermögenswerte, was wiederum auf die Provisionen durchschlägt, die erfolgs- und volumenabhängig sind.
Wie problematisch sind Immobilienkredite?
Gewerbliche Immobilienkredite sind nach Ansicht vieler Analysten eine tickende Zeitbombe. Denn noch hat der Verfall der Immobilienpreise nicht auf Büros und Geschäfte übergegriffen. Das gilt vor allem für die Vereinigten Staaten. Laut einer Statistik der US-Notenbank Fed lagen die Ausfallraten im dritten Quartal in diesem Segment nur bei 1,1 Prozent - das ist deutlich unter dem Niveau Anfang der 90er-Jahre, als die Quote in der Spitze bis auf 2,8 Prozent geklettert war.
"Das Umfeld für den gewerblichen Immobilienmarkt hat sich deutlich verschlechtert", schreiben die Analysten von Creditsights in einem Researchbericht. Die Experten von Morgan Stanley bezeichnen Immobilienkredite als eines der größten Risiken für das Jahr 2009.
Erste Anzeichen für eine Verschlechterung gibt es bereits: In den USA legte die Leerstandsquote bei Büros beispielsweise im dritten Quartal um 50 Basispunkte gegenüber dem Vorquartal auf 13,6 Prozent zu. Die Kreditqualität verschlechtert sich zusehends. Problemdarlehen machten den Experten von Bank of America zufolge schon im zweiten Quartal 6,2 Prozent des Gesamtbestandes aus. Das entspricht einem Anstieg um 100 Prozent gegenüber dem ersten Quartal. Besonders anfällig für Korrekturen auf dem Markt sind laut Creditsights kleinere Institute in den USA. Dazu zählen Zions, Huntington, Keycorp, aber auch Großbanken wie Wells Fargo.
Nicht nur bei Büros, sondern auch bei Mehrfamilienhäusern und Apartmentkomplexen droht Ungemach. In Florida, Kalifornien, Arizona und Nevada komme eine "regelrechte Flut" an solchen Immobilien auf den Markt, warnen die Analysten von Barclays Capital. Das drücke auf das Mietniveau, was wiederum die Rückzahlung von Immobiliendarlehen gefährde, so die Experten.
Beispiel New York: Das Peter-Cooper-Village-Stuyvesant-Town-Anwesen im Osten Manhattans kauften Tishman Speyer und Blackrock im Jahr 2006. Damals rechneten sie damit, dass bereits Ende 2008 die Hälfte der Apartments vermietet seien. Tatsächlich waren Ende September das erst bei 37 Prozent der Fall. Die Ausfallraten für Apartmentkredite steigen: Im November lag die Quote laut der Ratingagentur Realpoint bei 1,9 Prozent - das ist mehr als doppelt so viel wie die 0,9 Prozent zu Beginn des Jahres 2008.
Drohen weiter Abschreibungen auf Kredite für schuldenfinanzierte Übernahmen?
Eine Achillesferse für die Banken ist 2009 der immer noch große Bestand an Krediten für schuldenfinanzierte Übernahmen sogenannte Leveraged Loans. Das Risiko ist aus zwei Gründen enorm: Einmal erhöht sich wegen der Rezession die Ausfallgefahr bei Unternehmen. Zum zweiten ist die Appetit der Investoren nach riskanten Anlagen nach wie vor gering. Gerade Vehikel wie Collateralized Loan Obligations (CLO), die zu Hochzeiten des Booms als Käufer von solchen Übernahmekrediten auftraten, sind völlig vom Markt verschwunden.
Höhere Ausfallgefahr bei gleichzeitig geringer Nachfrage spiegelt sich in einem Preisverfall wider. Der S&P/LSTA-Leveraged-Loan-Index, der als Maßstab für den Wert solcher Kredite gilt, stellt klar: Der Durchschnittpreis für einen Kredit fiel von 83 Cent je Dollar im dritten Quartal auf 61 Cent im Dezember. Hält der Abwärtstrend an, drohen den Banken weitere Wertberichtigungen.
Wie entwickeln sich die Bonitätsnoten?
Der Ratingausblick für die Finanzbranche sieht düster aus. Beispiel USA: Die Ratingagentur Standard & Poor's (S&P) hat für 20 von 38 amerikanischen Finanzinstituten einen negativen Ausblick oder eine "Creditwatch Negative"-Warnung. Das bedeutet, dass negative Ausblicke 53 Prozent der Prognosen ausmachen. Zum Vergleich: Im vergangenen Jahr waren es noch 29 Prozent. Ähnlich beurteilt Moody's die Situation. 21 von 38 Finanzunternehmen droht laut Moody's eine Herabstufung.
Kurz vor Weihnachten hatte S&P bereits die Bonitätsnoten für elf Institute aus den USA und Europa herunter, darunter die Deutsche Bank, Goldman Sachs, UBS und Barclays. Mit einer Herabstufung verteuert sich die Refinanzierung - die für Banken ohnehin schwierig ist. S&P warnt davor, dass die Refinanzierungsmärkte 2009 deutlich volatiler sein werden.
Autor/Autoren: Christine Mai und Tobias Bayer (Frankfurt) |