Ölpreis vor der Wende? Vorsicht vor schlecht informierten Bankberatern! 22.05.2008 - 09:01 Öl ist und bleibt das beherrschende Thema an den Börsen. Nach überraschend stark gesunkenen Rohölbeständen in den USA kletterte der Preis für die Sorten Brent Crude und WTI auf neue Rekordhochs. Mittlerweile müssen schon deutlich über 130 Dollar pro Barrel Rohöl bezahlt werden. Ein Niveau, das von den Analysten von Wellenreiter-Invest mit Blick auf den Langfristchart (seit 1900) als „wichtiger Widerstand“ bezeichnet wird. Und mit Blick auf die aus der Historie abzuleitenden Saisonalität wäre es nach Meinung der Strategen „mehr als verwunderlich, wenn der Ölpreis in der Region um 130 Dollar nicht zumindest einen Stopp einlegen würde“. In der Vergangenheit wurde um diese Jahreszeit oftmals ein Hoch beim Öl markiert. Das lässt aufhorchen, wenngleich die Wellenreiter ihre bullische Einschätzung aufgrund des intakten Aufwärtstrends vorerst (noch) nicht verändern wollen und technische Analysten bereits Kursziele von 175 Dollar in den Mund nehmen.
Doch auf der anderen Seite spricht neben der Jahreszeit dann doch noch etwas mehr für ein baldiges Ende der Ölpreis-Rallye. Zum Beispiel der „Bild-Indikator“. Auf der Online-Seite von Deutschlands größter Tageszeitung war am Mittwoch die Überschrift „Öl ab sofort 30 bis 50 Prozent teurer – jedes Jahr“ zu lesen. Anlass für diese „Schock-Nachricht“ ist eine Aussage von Aribert Peters, dem Vorsitzenden des Bundes der Energieverbraucher, der vor einer solchen Preisentwicklung warnt, weil sich die Öl-Förderung bis zum Jahr 2030 halbieren könnte. Nun gilt das Boulevard-Blatt zumindest am Aktienmarkt als recht verlässlicher Contra-Indikator. Ob das auch für Rohstoffe gilt? Das Thema Ölpreis wird jedenfalls auch von anderen Medien als „wichtig“ eingestuft. So zitiert die Tageszeitung „Die Welt“ heute Morgen zahlreiche Analysten, die vor einem dramatischen Öl-Engpass warnen.
Das erinnert irgendwie an die Zeiten am Neuen Markt, als die Banken ihre Kursziele auch ständig an die gestiegenen Notierungen der Aktien anpassten, ohne dass sich fundamental irgendetwas geändert hatte. Und auch beim Ölpreis sind die jetzt angeführten Gründe für noch höhere Kurse alle längst bekannt. Eine wahrscheinlich realistische Einschätzung zur aktuellen Lage liefert die Commerzbank mit dem Hinweis " Der Ölpreis steigt, weil er steigt, weil er steigt..., die Hausse verselbständigt sich und wird eigenleitend“. Dieses Verhalten deute darauf hin, dass das Ende des Aufwärtstrends näher rücke und die anschließende Korrektur umso stärker ausfalle, weil viele Anleger dann auf dem falschen Fuß erwischt werden.
Vor diesem Hintergrund ist es gut möglich, dass Anleger in den kommenden Tagen von ihrem Bankberater gezielt auf Öl-Zertifikate angesprochen werden. Die Société Générale hat ausgewählten Beratern nämlich gerade per e-Mail eine Übersicht zu bestimmten Produkten zukommen lassen. Mit den dort aufgelisteten Reverse Trackern können Anleger demnach auf fallende Ölpreise setzen – und zwar ohne Rolleffekte, ohne Währungseinfluss und ohne Volatilitätseinfluss. Hört sich irgendwie nach einer klassischen „Eins zu Eins-Partizipation“ an fallenden Notierungen an. Wobei der Hinweise auf eine „K.o.-Schwelle“ am Ende der Mail den ein oder anderen Berater (hoffentlich) stutzig macht.
Fakt ist jedenfalls schon mal, dass sich die verschiedenen Papiere nicht auf den aktuellen Ölpreis-Future beziehen, sondern auf den Terminkurs per Fälligkeit. Und der kann von der aktuellen Notierung abweichen, was nicht jedem Berater und schon gar nicht jedem Anleger klar sein dürfte. Die Nachvollziehbarkeit der Kursentwicklung ist also nicht ganz so einfach. Zudem wirkt bei den Reverse-Trackern ein Hebeleffekt. So spiegelt ein im November 2009 fälliges Papier auf Brent Öl die Differenz zwischen dem Basispreis von 161 Dollar und dem aktuellen Terminkurs per Dezember 2009 wider. Der liegt aktuell bei gut 135 Dollar und damit noch ein Stück höher als der aktuelle Öl-Future. Der Preis für den Reverse-Tracker liegt dementsprechend bei rund 26 Euro (die Papiere sind ja währungsgesichert). Klettert der Ölpreis (per Dezember 2009) nun zum Beispiel um weitere zehn Prozent auf knapp 150 Dollar, sinkt der Preis des Zertifikats auf elf Euro – ein überproportionaler Verlust von mehr als 50 Prozent. Auf der anderen Seite fallen die Gewinne bei fallenden Ölpreisen aber natürlich auch entsprechend höher aus. Aber auch nur dann, wenn zuvor die K.o.-Marke von 152,32 Dollar nicht überschritten wurde. Sonst kommt es nämlich zum vorzeitigen Aus und der automatischen Rückzahlung des Restwertes von voraussichtlich acht bis neun Euro (WKN: SG0KPG).
Wer tatsächlich auf eine Trendwende beim Öl setzen will, der kann mit diesen Papieren gutes Geld verdienen. Allerdings sollten sich die Anleger bei einer solchen Spekulation die Besonderheiten und vor allem auch die Risiken bewusst machen. Gerade dann, wenn der Berater auf diese Punkte nicht hinweist. Was nicht unrealistisch erscheint. Aus der Info-Mail der Société Générale gehen viele wichtige Informationen nämlich nicht hervor.
Thomas Koch
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