Berlin (Reuters) - Die deutsche Wirtschaft wird sich nach Einschätzung von Volkswirten in diesem Jahr kräftig erholen. Anfang 2007 werde aber die Mehrwertsteuererhöhung einen Inflationssprung auslösen und die Konsumenten verschrecken.
Die Volkswirte erwarten im Schnitt für 2006 ein Wachstum von 1,7 Prozent, das sich 2007 auf 1,0 Prozent verlangsamen werde, wie aus der am Dienstag veröffentlichten Reuters-Quartalsumfrage hervorgeht . Die 23 befragten Analysten gehen davon aus, dass zum Jahreswechsel die Mehrwertsteuererhöhung die Inflation um gut einen Prozentpunkt anhebt und dem private Konsum einen kräftigen Rückschlag verpasst. Deshalb dürfte die Wirtschaft im ersten Quartal 2007 sogar schrumpfen. Für das laufende Jahr sind die Experten jedoch noch etwas optimistischer als in der vorangegangenen Quartalsumfrage. Der Export dürfte weiter zulegen und die Arbeitslosigkeit langsam zurückgehen.
MEHRWERTSTEUERERHÖHUNG - KURZE STÖRUNG ODER LANGE KRISE?
Die Bedingungen für einen Aufschwung sind nach Ansicht von Ulrike Kastens von Sal. Oppenheim gut: Die Weltwirtschaft bleibe 2007 robust, das Zinsniveau sei nach wie vor niedrig, die Unternehmen seien solide aufgestellt und würden wieder investieren. "Nicht nur von den Ausrüstungsinvestitionen, sondern auch vom privaten Verbrauch kommen Signale einer leichten Belebung."
Die Mehrwertsteuererhöhung dürfte die Erholung der deutschen Wirtschaft aber erheblich ins Stocken bringen. Die Experten sind sich jedoch uneins, welche genauen Folgen sie haben wird: Die Schätzungen für den Anstieg der Inflation am Jahresanfang 2007 reichen von 0,6 bis 1,7 Prozentpunkten, für den Rückgang beim privaten Konsum von 0,8 bis 3,4 Prozentpunkten. Besonders im Schlussquartal diesen Jahres dürften die Verbraucher ihre Ausgaben jedoch kräftig steigern. "Das ist nur eine kurzfristige Hin- und Herbewegung, angestiftet von der Mehrwertsteuer", sagte Adolf Rosenstock von Nomura. Im Jahreswachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) sei dies kaum noch zu sehen.
AUFSCHWUNG ERREICHT BINNENWIRTSCHAFT
Auch die Prognosen für das BIP-Wachstum 2007 variieren erheblich: Während die Deutsche Bank von einer Stagnation ausgeht, prognostiziert Nomura International 1,9 Prozent Wachstum. Nomura-Analyst Rosenstock sieht vor allem in der guten Stimmung der Unternehmen Grund zum Optimismus: "Es wird wieder Wachstum gedacht und geplant, dann wird er auch irgendwann ausgeführt." Die positiven Konjunktursignale seien auf die inländische Wirtschaft übergesprungen. Für die Industrie erwarten die Analysten eine Ausweitung der Produktion um 3,5 Prozent 2006 und 2,0 Prozent im nächsten Jahr, und für die Arbeitslosigkeit einen Rückgang der Quote von 11,2 Prozent 2006 auf 10,8 Prozent 2007. Rosenstock erwartet davon auch Impulse für den Konsum: "Das gibt jetzt endlich die Multiplikatoreffekte, auf die wir fünf Jahre lang vergebens gewartet haben."
Die Exportdynamik wird nach Ansicht der Experten dank der starken Weltwirtschaft im Laufe der beiden Jahre nur langsam nachlassen - 2006 dürften die Ausfuhren um 6,9 Prozent zulegen, 2007 um 4,7 Prozent. Die Einfuhren legen der Umfrage zufolge 2006 um 7,1 Prozent zu und im kommenden Jahr um 4,1 Prozent.
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