Ungeachtet der internationalen Kritik hält Frankreich an seiner Politik der Abschiebungen von Roma fest. Dies machte Einwanderungsminister Eric Besson bei einem Besuch in der rumänischen Hauptstadt Bukarest klar. Er reagierte damit auf die Forderung des Europaparlaments, "alle Ausweisungen von Roma unverzüglich auszusetzen". Paris werde sich diesem "politischen Diktat" nicht beugen, sagte Besson.
Das Europaparlament habe mit dieser Forderung seine Kompetenzen überschritten, sagte der Minister. Sein Land halte "peinlichst genau" das EU-Recht und Gesetze der Republik Frankreich ein. Das Europaparlament hatte zuvor die kollektiven Abschiebungen von Roma als Verstoß gegen die EU-Grundrechtecharta und damit gegen EU-Recht kritisiert.
Frankreichs Europaminister Pierre Lellouche forderte von Rumänien einen "nationalen Dringendplan" zur Eingliederung der Roma. Paris fordere außerdem Zusagen zur Zusammenarbeit von Polizei und Justiz, etwa beim Kampf gegen den Menschenhandel. Besson und Lellouche befanden sich in Bukarest, um mit den dortigen Behörden über die Rückführung von Roma nach Rumänien zu diskutieren. Milliarden für Rumänien
Laut Lellouche könnte Rumänien für Maßnahmen zur Eingliederung der Roma von der EU Zuschüsse in Höhe von einer Milliarde Euro erhalten. Paris erwarte von Bukarest Zusagen, dass die Roma auf rumänischem Territorium eingegliedert werden. Dies müsse auch für jene gelten, die aus Frankreich abgeschoben würden. "Die Wahrheit ist, dass die Roma-Minderheit in Rumänien nicht gesellschaftlich integriert ist."
In Rumänien lebt die größte Roma-Gemeinde Europas: Sie wird auf 530.000 bis 2,5 Millionen Mitglieder geschätzt. Der französischen Zeitung "Le Monde" hatte Lellouche gesagt, Paris könnte seine Zustimmung zur Aufnahme Rumäniens in den Schengen-Raum von einem Plan Bukarests zur Roma-Integration abhängig machen. Rumänien fordert dagegen eine "europäische Strategie" zur gesellschaftlichen Eingliederung dieser Minderheit. Protest mit kleinem Grenzverkehr
In Nordfrankreich protestierten drei Roma mit einem kleinen Grenzverkehr gegen die Abschiebepraxis. Sie überquerten kurz bei der Ortschaft Armentières zu Fuß die Grenze nach Belgien - um wenige Minuten später wieder nach Frankreich zurückzukehren. Die Aktion wurde von einem Gerichtsvollzieher und den beiden Anwälten der Roma verfolgt, die erläuterten, dass damit die "Absurdität" der französischen Roma-Politik verdeutlicht werden solle. Die zuständigen Behörden hätten die Abschiebung der aus Rumänien stammenden Männer verfügt. Mit dem Grenz-Spaziergang seien sie der Aufforderung nachgekommen und könnten daher als EU-Bürger "ganz legal" nach Frankreich zurückkehren.
Die französischen Behörden haben seit Jahresbeginn rund 8000 Roma in deren Heimatländer Rumänien und Bulgarien abgeschoben. Im Juli hatte die Regierung in Paris die Gangart noch einmal verschärft und illegale Roma-Lager aufgelöst. Insgesamt ist von 200 Lagern die Rede, die geräumt werden sollen. Grundrechte vs. Richtlinie
Die Resolution des Europaparlaments wurde mit 337 zu 245 Stimmen verabschiedet. Für die Entschließung stimmten Sozialdemokraten, Liberale, Grüne und Linke. Die Praxis der französischen Regierung sei eine "Diskriminierung aufgrund der Rasse und der ethnischen Zugehörigkeit", heißt es in dem Text. Die Bewegungsfreiheit und das Recht auf freie Wahl des Wohnorts innerhalb der EU seien Grundrechte, die die Mitgliedsländer zu achten hätten.
Die französische Regierung rechtfertigt den Rücktransport mit einer EU-Richtlinie. Diese sieht vor, dass Unionsbürger nur dann das Recht auf einen mehr als dreimonatigen Aufenthalt in einem anderen EU-Land haben, wenn sie ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten können und einen Krankenversicherungsschutz haben. Barroso in der Kritik
In der Kritik steht auch EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso. Er hatte am Dienstag bei seiner Rede zur Lage der Union gesagt, dass "alle Regierungen auch die Menschenrechte der Minderheiten achten müssen" und dass "Rassismus und Fremdenfeindlichkeit keinen Platz in Europa haben". Frankreich hatte er dabei nicht ausdrücklich genannt.
"Ich hätte mir gewünscht, Sie hätten die Regierung von Nicolas Sarkozy namentlich erwähnt", sagte der Fraktionsvorsitzende der Sozialdemokraten, Martin Schulz, daraufhin im Parlament in Straßburg. "Dann hätten wir gewusst, Barroso nimmt den Kampf auf gegen die Regierungen, die Europa renationalisieren wollen." Für Sozialdemokraten, Grüne und Linke im EU-Parlament ist das Thema ein Paradebeispiel für die Schwäche des Kommissionspräsidenten gegenüber den Mitgliedsregierungen.
hvo/AFP/dpa |