Der Zusammenbruch des Immobilienfinanzierers könnte sonst das ganze Finanzsystem in eine Schieflage bringen, fürchtet die Kanzlerin. Die Ursachen für die Turbulenzen liegen im mangelnden Vertrauen der Banken untereinander.
Die Bundesregierung arbeitet mit Hochdruck an einem Rettungsplan für den in Schieflage geratenen Immobilienfinanzierer Hypo Real Estate. Das sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Sonntag kurz vor Beginn einer Koalitionsrunde in Berlin. Einzelheiten der Maßnahmen nannten zunächst weder sie noch Finanzminister Peer Steinbrück (SPD).
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Wie verlautete, sollen an einem zweiten Rettungsplan für den Immobilienfinanzierer nicht nur die Privatbanken, sondern auch die Versicherer einbezogen werden. «Die Bundesregierung sagt am heutigen Tag, dass wir nicht zulassen werden, dass die Schieflage eines Finanzinstitutes zur Schieflage des ganzen Systems wird. Deshalb wird auch mit Hochdruck daran gearbeitet, die Hypo Real Estate zu sichern.«, sagte Merkel.
Merkel: Die Spareinlagen sind sicher
Die Spareinlagen seien sicher. Sie kündigte an, dass die Verantwortlichen der Bank zur Rechenschaft gezogen werden sollen. «Das sind wir auch dem Steuerzahler in Deutschland schuldig», sagte Merkel.
Steinbrück zeigte sich «ziemlich entsetzt» über das Management der Bankengruppe Hypo Real Estate, das «ein weiteres Liqiditätsloch in ungeahnter Milliardenhöhe» aufgetaucht sei. «Die Bundesregierung lehnt es ab, von diesem Bankeninstitut in eine Art Mitverantwortung gezogen zu werden.»
Zum zweiten Mal binnen einer Woche steht der Dax-Konzern vor dem Kollaps. Die Ursache der Liquiditätsnot bei der Hypo Real Estate ist die Finanzmarktkrise. Aber nicht etwa, weil das Haus im großen Stil in US-Immobilien-Kredite investiert hätte. Das abgrundtiefe Misstrauen der Banken untereinander hat die Münchner Bank in die schwere Krise geführt.
Banken trauen sich nicht mehr
Erst 2007 hat sich die Hypo Real Estate für mehr als 5 Milliarden Euro die irische Depfa Bank gekauft. Diese Bank ist in der Staatsfinanzierung tätig, das heißt, sie finanziert öffentliche Haushalte oder auch Infrastrukturprojekte. Eine sichere Sache, sollte man meinen. Doch die Depfa hat sich für ihre Geschäfte teilweise über den kurzfristigen Kapitalmarkt, der in der Regel billig und flexibel funktioniert, finanziert. Hier beginnt das Dilemma: Ohnehin ist das Vertrauen der Banken untereinander im Sog der Finanzmarktkrise immer weiter geschrumpft.
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Seit der Pleite der traditionsreichen Investmentbank Lehman Brothers und anderen Fast-Zusammenbrüchen im US-Finanzmarkt hat sich das Misstrauen der Finanzhäuser aber noch einmal verschärft. Immer neue Geldspritzen der Notenbanken konnten dies bisher nicht beheben.
Argwohn und Skepsis regieren
Der Handel der Banken untereinander - der sogenannte Interbankenhandel - ist darum aus dem gewohnten Takt geraten. Um die täglichen Geschäfte abzuwickeln, leihen sich die Finanzinstitute normalerweise untereinander Geld. Weil aber niemand genau weiß, in welcher Verfassung sich die jeweils andere Bank tatsächlich gerade befindet, regieren zur Zeit Argwohn und Skepsis in diesem an sich alltäglichen Geschäft. Das zeigt sich auch an der Zinsentwicklung: Der sogenannte Libor ist binnen Tagen stark gestiegen. Der Libor steht als Abkürzung für «London interbank offered rate» und wird täglich von der British Bankers Association fixiert.
Große Banken verlangen diese Sätze für bestimmte Kredite untereinander. Die aktuelle Zinsentwicklung, so schreibt die «Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung», signalisiere die Tiefe des Misstrauens. «Den Banken ist es zu riskant geworden, anderen Banken Geld zu überlassen. Würden nicht die Zentralbanken mit Liquidität einspringen, wären viele Institute zahlungsunfähig.» Besonders getroffen ist dadurch die Hypo Real Estate, denn sie verfügt nicht wie andere Banken über Kundeneinlagen zur Refinanzierung. Daher entstand wiederum ein massives Liquiditätsproblem bei der Depfa, was zu der bislang einmaligen ersten Rettungsaktion der Bundes und der Privatbanken am Sonntag vergangener Woche führte. (dpa/ AP) |