oder Probleme der Ethnien?
http://www.welt.de/die-welt/debatte/...stoerung-im-Migrantenhain.html In der Tat hebt Sarrazin auf die unterschiedlichen Mentalitäten von Berlins Immigranten-Communities ab. Das liest sich so: "Die Vietnamesen: Die Eltern können kaum Deutsch, verkaufen Zigaretten oder haben einen Kiosk. Die Vietnamesen der zweiten Generation haben durchweg bessere Schulnoten als die Deutschen ... absolut abfallend sind die türkische Gruppe und die Araber. Auch in der dritten Generation haben sehr viele keine vernünftigen Deutschkenntnisse, viele gar keinen Schulabschluss ..." Eine Ethnisierung der Probleme oder Probleme der unterschiedlichen Ethnien? Bildungsforscher weisen auf die von Sarrazin angeführten Sachverhalte seit Jahren hin. Politiker brachten die Sanktionierung bildungsunwilliger Migranten ins Gespräch. Im Gespräch sind sie geblieben, gelöst sind die Probleme mitnichten.
In der Tat ist das Sarrazin-Interview über weite Strecken analytisch sehr anspruchsvoll und verrät genaue Kenntnis der Problemlagen Berlins - nicht nur in Bezug auf die Immigrationsfolgen. Sein Berliner Lagebericht gliedert sich in vier Abschnitte, in denen es um die entscheidenden Fragen der Berliner Nachwendezeit geht:
* Was ist in der häufig als "Werkstatt der Einheit" bezeichneten Stadt geschehen, nachdem ihre zwei Hälften wieder vereint wurden, und in welchem Zustand waren damals die beiden Teilstädte?
* Welche Rolle spielt heutzutage Immigration in der traditionell als Zuwandererstadt fungierenden Metropole?
* Welche typischen Erscheinungsformen kennzeichnen die verschiedenen Zuwanderergruppen?
* Welch Impulse können Eliten und Eliteförderung geben?
1. Es gehört heute zu den unbestrittenen Tatsachen, das beide Halbstädte - West- ebenso wie Ost-Berlin - politische Schaufensterprojekte sich diametral gegenüberstehender politischer Systeme waren. Als solche waren sie nahezu jeder Eigendynamik beraubt, dafür aber hoch subventioniert und von der Mentalität ihrer jeweiligen Eliten geschlagen. Das Elitevakuum im Westen, das sich infolge von Mauerbau und Abwanderung von Großkonzernen ergeben hatte, wurde nach der Wende gefüllt von den in Ost-Berlin konzentrierten Systemträgern der "Arbeiter-und Bauern-Diktatur".
2. Wie in keiner anderen Stadt in Deutschland - einmal abgesehen vom Ruhrgebiet als Metropolenregion - hat sich Schicksal und Wohlergehen Berlins an der Qualität seiner Zuwanderer entschieden. Darüber nachzudenken und die Frage zu stellen, was Zuwanderer in Berlin tun, tun können und nicht tun, muss erlaubt sein. Dass Sarrazin damit Aufsehen erregt, kann auch damit zusammenhängen, das dies lange niemand mehr getan hat.
3. Eine nicht erst von Sarrazin vielfach kritisierte Einwanderungspolitik hat in Berlin Nischengesellschaften von - vor allem türkischen und arabischen - Zuwanderern entstehen lassen, die in der Generationenfolge immer desintegrierter erscheinen und vor allem als soziales und weniger als stadtpolitisches Problem begriffen werden. Das Tabu kontrollierter, gewünschter Einwanderung ist erst in den letzten Jahren durchbrochen worden - als die Sicherheitslage immer prekärer wurde. Inzwischen gibt es Teile der Stadt, in die sich normale Streifenwagenbesatzungen der Polizei nicht mehr allein hineintrauen.
4. Die Frage der Elite ist eine, die man stellen muss, auch wenn das in einer Stadt, die entweder keine oder die falsche Elite hat - nämlich diejenige einer untergegangenen Diktatur - unbequem ist. Dass sich damit keine Wähler in der Unterschicht werben lassen, ist kein Gesetz. Jedenfalls könnte eine Debatte über Eliten ja auch Aufstiegswege entwickeln und aufzeigen, die für die "Nichtelite" interessant erscheinen könnten.
"Wir brauchen Klasse statt Masse." Das ist der letzte Satz des Sarrazin-Interviews in "Lettre International". Das gilt wohl auch für die Vielzahl der empörten Stimmen, die - oft fern jeder genauen Kenntnis des vollen Interviewtextes - Stimmungen schüren. Wie zum Beispiel der Vizechef der Türkischen Zentralbank, Ibrahim Turhan. Der sagte nach einer Meldung der Zeitung "Sabah" vom Sonntag zum Fall Sarrazin: "Allah möge ihm mehr Verstand geben." Allah, das kann man in Berlin vielerorts besichtigen, hilft bei dem, was Sarrazin an Problemen reflektiert, leider nicht viel weiter. |