Der Dollar und sein gefährlicher Marsch in den Abgrund –
Erholungen sollten nicht mit einer Tendenzwende verwechselt werden (12.01.2005) Der amerikanische Dollar ist seit Monaten das Grundthema, das sich wie ein roter Faden nicht nur durch die Finanz-, sondern auch durch die Rohstoffmärkte zieht. Und das wird auch noch eine Weile so bleiben.
Mit der pünktlich nach der Jahreswende eingetretenen Erholung des Greenback ist es jedenfalls nicht getan. Auch nicht mit den Beteuerungen des amerikanischen Finanzministers Snow, der, sich kindlich naiv gebend, immer wieder von einer „Politik des starken Dollar“ schwafelt.
Erstens sollte er es besser wissen, denn nichts ist mehr in seinem Interesse als eine sich fortsetzende Abwertung dieser Valuta. Zweitens gibt es bereits zu viele Dollars auf der Welt, als dass nach den Gesetzen von Angebot und Nachfrage ein nachhaltig stabiler Wechselkurs erwartet werden könnte. Drittens werden tagtäglich massiv mehr Dollars gedruckt, und ein Ende dieser Orgie ist nicht abzusehen. Viertens haben jene, die den Großteil der überschüssigen Dollars halten (Japan, China und andere Asiaten), kritisch darüber nachzudenken begonnen, was sie mit all dem Papier (ist gleich: Zahlungsversprechen) noch anfangen könnten. Und ... und ... und ...
Das Dollar-Problem und seine möglichen Lösungen sind so vielschichtig und folgenreich, dass Bände darüber geschrieben werden könnten. Was uns wundert, ist der immer wieder unternommene, aber untaugliche Versuch zahlreicher „Experten“ , einer offenbar großen, leichtgläubigen Gemeinde darzulegen, dass die Baisse des Greenback doch nur ein Irrtum Fehlgeleiteter sei. Diese Leute kommen mit der Größe der USA, ihrer immensen Wirtschaftskraft, ihrer militärischen Macht oder mit Kaufkraftvergleichen.
Solche und andere Argumente mögen alle zu ihrer Zeit einmal gestochen haben. Im gegenwärtigen Stadium sind sie aber entweder verbraucht oder überhaupt nicht anwendbar. Daher ist es sinnvoll, sich auf ganz simple Überlegungen zu stützen, nämlich, wie oben bereits gestreift, denen von Angebot und Nachfrage.
Die Asiaten haben sich zu einem faktischen Währungsblock formiert und ihre Valuten inoffiziell an den Dollar gebunden. 2004 ist dies so deutlich geworden, dass es inzwischen auch offiziell anerkannt wird. Warum haben sie das getan? Antwort: Sie schützen beziehungsweise fördern damit ihre Exportwirtschaft, ohne die sie in ein tiefes Konjunkturtal abstürzen würden.
Dieses im Grunde genommen unökonomische Verfahren ist so lange sinnvoll, wie die Vorteile (Exporte) die Nachteile (Zahlungsversprechen der USA) überwiegen. Doch alles hat einmal ein Ende. Sobald die Asiaten, jeder für sich allein, erkennen, dass ihre Volkswirtschaften auch ohne die Exportsubventionen (ist gleich: Stützung des Dollar) aus eigener Kraft akzeptabel laufen, geben sie ihr unökonomisches Verhalten auf.
Gleiches gilt für den Fall, dass die USA ausdrücklich oder verschleiert zu erkennen geben, wie wenig sie sich an ihre papiernen Zahlungsversprechen gebunden fühlen. Dieser Punkt ist erreicht, aber das kann offiziell nicht zugegeben werden. Siehe Snow und seine Erklärungen zum Dollar. Alan Greenspan, der US-Notenbankpräsident, war da schon wesentlich offener, als er kürzlich dem Sinne nach bekannte, gegen eine fortschreitende Abwertung des Dollar sei unter den gegebenen Bedingungen Kein Kraut gewachsen.
Um Angebot und Nachfrage im Gleichgewicht und den Greenback somit stabil zu halten, müssen inzwischen täglich rund 2 Milliarden Dollar an neu gedruckten Exemplaren dieser Währung „aus dem Markt genommen“ werden. Sie verschwinden nicht einfach, sondern werden, weit überwiegend von asiatischen Zentralbanken, in Titeln des US-Schatzamtes angelegt und fließen somit in die Finanzierung der diversen amerikanischen Defizite.
Um den Dollar zu schwächen, sind gar keine Verkäufe der Dollar-Halter erforderlich. Es reicht schlicht und einfach aus, wenn sie nur weniger von dieser Währung beziehungsweise von den Zahlungsversprechen des Schatzamtes in Washington kaufen. Je weniger sie erwerben, desto stärker wird der Druck auf den Greenback. Sollten sie erst zu verkaufen beginnen, würde diese Währung über Nacht kollabieren und mit ihr nicht nur das internationale Währungssystem, sondern auch die Weltwirtschaft.
Doch das will niemand und kann niemand wollen, von Chaoten und Terroristen einmal abgesehen. Folglich werden alle, außer den wetterwendischen Spielern am internationalen Devisenmarkt, sehr behutsam bei ihren Dollar-Dispositionen vorgehen.
Die Gefahr liegt aber darin, dass das eine oder das andere Glied in der Kette der Dollar-Käufer oder Dollar-Halter zum falschen Zeitpunkt das Falsche tut, unabsichtlich oder beim Verfolgen legitimer Eigeninteressen. Und dass dann der Rest nachzieht und zu retten versucht, was an den eigenen, im Dollar geparkten Werten noch zu retten ist (siehe „Kollaps“).
Fazit: Das Meiste von dem Gerede und von den Mutmaßungen über den Dollar, das derzeit die Gazetten und die Fernsehkanäle füllt, ist substanzlos oder kurzsichtig, also Schrott oder, je nach Interessenlage, auch das legendäre Pfeifen im Walde, mit dem die Angst überdeckt werden soll.
Der Weg des geringsten Widerstands für den Dollar weist nach unten, und ein Ende seines höchst gefährlichen Marschs ist noch lange nicht in Sicht.
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