Obskure Unternehmen im Freiverkehr
Das wenig regulierte Börsensegment zieht Zocker an /
Bafin erstattet Anzeige gegen Cobracrest
da. FRANKFURT, 15. Dezember. Mit den seit mehreren Jahren steigenden Kursen kehren die Glücksritter und Zocker an den Aktienmarkt zurück. Im wenig regulierten Freiverkehr der Deutschen Börse, der neudeutsch seit einem Jahr Open Market genannt wird, häufen sich mutmaßliche Betrugsfälle und Kursmanipulationen. "Der Freiverkehr wird immer mehr zum Tummelplatz für Anlagebetrüger", sagt der Berliner Rechtsanwalt Oliver Priess. Sein Anwaltsbüro Roscherstrasse hat kürzlich eine Schadenersatzklage gegen das im Freiverkehr notierte Unternehmen Cobracrest AG & Co. KGaA eingereicht.
Nach Informationen dieser Zeitung hat zudem die Aufsichtsbehörde Bafin bei der Berliner Staatsanwaltschaft Anzeige wegen Kursmanipulation erstattet. Die Behörde untersucht derzeit auch den Kursverlauf des Open-Market-Wertes Center-Tainment, das mit einem angeblichen Übernahmeangebot für den Pariser Freizeitpark Euro-Disney in die Schlagzeilen geraten war (F.A.Z. vom 9. Dezember.).
Eine Sprecherin der Bafin bestätigte die Anzeige gegen Cobracrest, wollte aber zu dem genauen Vorwurf nicht Stellung nehmen. Die Behörde hatte seit April gegen den Berliner "Lifestyle-Konzern" ermittelt. Anlegerschützer und Anwälte vermuten hinter den Versprechungen des Gründers und einem angeblichen Übernahmeangebot einen Betrugsfall.
Priess vertritt mehrere Kläger. Nach deren in der Klageschrift präsentierter Meinung haben der Cobracrest-Vorstandschef Richard Häusler und der Aufsichtsratsvorsitzende Charles Ries die Anleger durch "unrichtige Angaben über das Unternehmen getäuscht, den Börsenkurs manipuliert und beim Kläger einen Schaden verursacht". Cobracrest war mit immer neuen Umsatzzielen aufgefallen. Beispielsweise versprach das Unternehmen, das angeblich Energy-Drinks und neuerdings rauchfreie Zigaretten herstellt, für das vergangene Jahr ein Umsatzvolumen von 35 Millionen Euro. Statt dessen weist Cobracrest laut Gewinn-und-Verlust-Rechnung für das Jahr 2004/05 (Ende September) einen Umsatz von gerade einmal 53 456 Euro und 71 Cent aus.
Anfang des Jahres machte die Gesellschaft durch ein angebliches Übernahmeangebot des Investors "Carlyle International" auf sich aufmerksam, das im Sande verlief. "Es handelte sich um eine Briefkastenfirma, die nicht geschäftlich tätig war - und auch nicht werden sollte", vermutet Priess in der Klageschrift. Cobracrest war für eine Stellungnahme nicht erreichbar.
Der Börsenwert von Cobracrest betrug - sofern man die Kurse als Maßstab ernst nahm - zeitweise mehr als 120 Millionen Euro und ist mittlerweile auf 2,9 Millionen Euro abgestürzt. Der Schaden für Anleger könnte sich nach Schätzungen auf eine zweistellige Millionensumme addieren. Derzeit wird die Aktie nur noch mit knapp 3 Cent gehandelt. Auch der Aktienkurs der Center-Tainment AG, die Kapitalmarktanwälte ebenfalls für unseriös halten, ist binnen weniger Wochen von fast 35 Euro auf gut 10 Cent abgerutscht. Aktionärsschützer raten von derartigen "Penny Stocks", die weniger als ein Euro wert sind, ab. "Durch die geringen Handelsumsätze dieser Titel können die Kurse leicht nach oben oder unten getrieben werden", sagt Jürgen Kurz, Sprecher der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). Durch Gerüchte in Internetforen oder Versprechungen der Unternehmen würden die Kurse bewegt. "Das ist dann wie ein Schneeballsystem, immer mehr Leute steigen ein." Im Gegensatz zu den Zeiten des Neuen Marktes, als Betrugsfälle wie Comroad für Furore sorgten, seien viele der Anleger heutzutage informiert.
"Es gibt viele Trittbrettfahrer, die dieses Spiel bewußt mitspielen." Nun würden jedoch wieder unbedarftere Anleger geködert, die angesichts der Hausse an die Börse zurückkehren. Als Beispiel nennt er das amerikanische Rohstoff-Explorations-Unternehmen Morgan Creek Energy, das seine Anleger mit immer neuen Meldungen über bevorstehende Ausbeutungen von Öl- und Gasfeldern bei der Stange hält. Morgan Creek wirbt in Anlegerprospekten unter anderem mit einem Bild des texanischen Schauspielers Larry Hagman, der durch seine Rolle als Ölmagnat J.R. Ewing in der Serie "Dallas" bekannt geworden ist.
Kurz rät Privatanlegern, lediglich Aktien aus dem stärker regulierten Prime Standard zu kaufen. Im Freiverkehr gibt es für die Unternehmen faktisch keinerlei Transparenzvorschriften. "Die Anleger tappen hier im dunkeln." Dennoch sei die Mehrheit der - laut Statistik der Börse fast 8000 - Freiverkehrswerte seriös. Vor allem mittelständische Unternehmen wie der Klavierbauer Bechstein und ausländische Gesellschaften lassen sich aus Kostengründen lediglich im Freiverkehr listen.
Text: F.A.Z., 16.12.2006, Nr. 293 / Seite 21 . MfG kiiwii
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