...anders als Freunde können wir uns unsere Eltern nicht aussuchen, und wir können die Beziehung auch nicht aufkündigen oder versanden lassen. Diese Beziehung ist unfreiwillig, unkündbar und exklusiv. Es gibt Ex-Männer, aber es gibt keine Ex-Eltern. Diese ganz spezielle Verwobenheit in der Kernfamilie macht alle Beteiligten auch speziell verletzlich...Wer möchte schon von einer Person gepflegt werden, die dies aus reinem Pflichtgefühl oder einem schlechten Gewissen heraus tut? Was wir doch möchten ist: aus einer Freiheit heraus Zuwendung erfahren...
http://www.zeit.de/campus/2018-02/...lege-schuld-philosphie-interview
Mein Einwand wäre der einer realistischen Psychologie, einer Psychologie also, die sich beschreibend in Istzuständen bewegt anstatt Sollzustände zu entwerfen - ohne dabei leugnen zu wollen, dass jede idealistische Projektion von Istzuständen hervorgebracht wird, mithin deren Abkömmling ist. Insofern gilt in dieser Sichtweise: Niemand verhält sich aufgrund eines noch so schlüssig begründeten Regelwerkes, sondern jeder sucht und findet stets jene Regeln bzw sittlichen Entwürfe, die zu seinem tatsächlichen Verhalten passen. Die Möglichkeiten einer Veränderung via 'Einsicht' sind bescheiden.
Die moralische Last, die Kinder - und dies bleiben sie gegenüber den eigenen Eltern - typischerweise schultern, wiegt deshalb so schwer, weil sie aus widersprüchlichen Gefühlen, die aus entsprechend widersprüchlichen Erfahrungen hervorgehen, gespeist wird. Daran ändert sich auch wenig auf den letzten und allerletzten Lebensmetern der Eltern, auch wenn auf dieser Zeitebene der Wunsch nach Auflösung dieser Widersprüche übermächtig werden und die lebenspraktische Beziehung massgeblich färben kann.
Was kann man aus Sicht einer realistischen Psychologie also tun: Erstmal, sich von der Illusion zu verabschieden, dass ein 'korrektes' (= erlösendes) Verhalten überhaupt verfügbar wäre. Damit verbunden wäre, den am Ende stets vergeblichen Kampf gegen die eigenen widersprüchlichen moralischen Impulse aufzugeben und stattdessen diesen stattzugeben, möglichst so, wie sie sich einstellen bzw im Wahrnehmungsgeflecht zur Geltung bringen. Denn gerade indem diesen Impulsen stattgegeben wird entsteht die Option, sie zu reflektieren, zu bearbeiten und zu verändern. Das Idealziel wäre hier das der Kongruenz, sprich Gefühlsebene und Handlungsebene zur Deckung bringen zu können. ----------- Ideologie überlagert nicht das gesellschaftliche Sein als ablösbare Schicht, sondern wohnt ihm inne |