...gab es gestern eine weitere Aktie mit herben Kursverlusten, die jedoch durch eine Meldung verur- sacht wurde: Merck (MRK), eines der bislang solidesten US-Phar- maunternehmen, musste ansehen, wie sein Kurs um 27 % von $45 auf $33 abgestraft wurde. Was war passiert?
Merck hatte vermeldet, dass Vioxx, ein Medikament gegen Arthri- tis im Schulterbereich, vom Markt genommen wird. Neue Testergeb- nisse haetten gezeigt, dass sich bei Patienten, die Vioxx ueber einen Zeitraum von drei Jahren nehmen, das Risiko fuer einen Herzinfarkt verdoppelt.
Vioxx generierte im Jahr 2003 einen Umsatz von $2,55 Mrd. Das sind gerade einmal 12 % des Gesamtumsatzes von Merck. Der Kurs von Merck fiel jedoch um 27 %. War Vioxx ein solch zukunfts- traechtiges Produkt, dass nun die Zukunft von Merck gefaehrdet ist? Nein.
Aber dennoch hat Merck die Gewinnprognose fuer das laufende Jahr um 40 % gesenkt. Dies ist nicht nur durch den weggefallenen Ge- winn aus dem Verkauf von Vioxx zu erklaeren, sondern hauptsaech- lich durch Rueckstellungen, die das Management nun bilden wird. In den USA, Sie wissen dies, kann jeder jeden verklagen und je hoeher die Klagesumme, desto besser verdienen die Anwaelte.
Phillip Morris (MO) durchlief jahrelange Prozesse. Anwaelte ka- men mit immer neuen Schadensersatzanspruechen von nikotinge- schaedigten Rauchern. Die diskutierten Summen gingen in die Mil- liarden und Phillip Morris konnte in den Jahren von 1999 bis 2003 keine vernuenftige Finanzplanung aufstellen, da die schwe- benden Schadenersatzforderungen den Cashflow um ein Vielfaches ueberstiegen. In dieser Zeit verlor die Aktie von Big Mo, wie Phillip Morris auf dem Parkett genannt wird, 50 %.
Halliburton (HAL) verteidigt sich seit 1998 gegen unzaehlige Schadenersatzansprueche von Asbest-Geschaedigten. Asbest, das in Baumaterialien zum Brandschutz verarbeitet wurde, erhoeht die Krebsgefahr der Menschen, die in entsprechenden Gebaeuden leben. Der Kurs von Halliburton ist von $65 unter $10 gefallen.
Warum vergleiche ich die Situation von Merck mit diesen beiden Extremfaellen? Weil sowohl die Nikotingeschaedigten als auch die Asbestgeschaedigten niemals die Antriebskraft fuer die At- tacken gegen die Unternehmen waren: Es waren Anwaltskanzleien, die das Unternehmen auf exorbitante Schadenersatzforderungen verklagt haben und anschliessend ueber landesweite Veroeffent- lichungen entsprechend Geschaedigte mit ins Boot zogen.
Dadurch wird eine solche Geschichte zu einem Fass ohne Boden. Vioxx ist ueber 80 Miollionen Mal verkauft worden. Es ist zu er- warten, dass eine Anwaltskanzlei sich dieses Falls annimmt und die Klagelawine lostritt. Da im Verlauf eines solchen Verfahrens immer neue Geschaedigte hinzukommen koennen, und weitere Ge- schaedigte immer neue Klagen anstrengen koennen, wird sich Merck meiner Einschaetzung nach in den naechsten 5 bis 10 Jahren mit Vioxx-Faellen beschaeftigen muessen.
Sie muessen hier unterscheiden: Merck hat ein Produkt verkauft, das nachweislich Schaeden im Herzkreislauf verursacht. Ob Merck schlampige Tests, Vertuschung oder tatsaechlich kein eigenes Verschulden anzulasten sind, bleibt in den naechsten Jahren Ne- bensache. Es gibt Menschen, die geschaedigt wurden. Und diesen Menschen kann man kaum eine angemessene Entschaedigung zukommen lassen, denn keine Entschaedigung ist hoch genug, um einen ge- sundheitlichen Schaden aufzuwiegen.
Solange eventuelle Schadensforderungen in der Luft sind, wird Merck jedoch keine vernuenftige Finanzplanung aufstellen koen- nen. Und im Pharmabereich, wo ein Grossteil des Geldes in die Forschung geht, reicht dies aus, um die Firma dem Untergang zu weihen.
Ich weiss, dass viele Leser des iWatch Aktien von Merck im Depot halten. Mein Rat: Verkaufen Sie diese Aktien, auch wenn Sie da- durch einen Verlust von 27 % einstecken muessen. Sie koennen in den naechsten Tagen vielleicht auf eine kleine Gegenreaktion hoffen und ein paar Punkte gut machen. Es wird Ihnen jedoch den Schlaf rauben.
Nehmen Sie lieber das Geld, was Sie noch fuer Ihre Merck-Aktien erhalten und kaufen Sie eine Oelaktie oder Goldmine. Damit soll- ten Sie in den naechsten Monaten wesentlich besser fahren als mit Merck. Und auf Sicht von einigen Jahren: Finger weg!
Des einen Leid ist des anderen Freud: Pfizer und Novartis haben die beiden Konkurrenzprodukte bereits ueberprueft und vermelde- ten, dass bei ihren jeweiligen Produkten Celebrex und Bextra resp. kein erhoehtes Herzrisiko existiere. Schon kursieren Ge- ruechte, welche Unternehmen am staerksten von der Vioxx-Ge- schichte profitieren koennten.
Hier im iWatch werden wir uns an dieser Spekulation nicht betei- ligen. Mittelfristig ist die Pharmabranche unserer Einschaetzung nach auf der Verliererseite zu sehen. In den USA wackelt der Schutz fuer Pharmaunternehmen, Produkte zu ueberteuerten Preisen in den Markt zu geben. Generika-Hersteller koennen identische Produkte zu einem Bruchteil des Preises zur Verfuegung stellen. Bei der aktuellen finanziellen Belastung der US-Buerger, jeder ist mit durchschnittlich $70.000 verschuldet, wird nach Wegen gesucht, die monatliche Belastung der Haushalte zu senken. Die Zulassung von Generika ist da eine viel diskutierte Option, die seit Monaten auf die Kurse der Pharmaindustrie drueckt.
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