Das wird nicht einfach mit der Energiewende in Bayern. Soviel lassen die ersten Reaktionen aus der Region auf die Überlegungen von Umweltminister Markus Söder (CSU) erahnen. Söder will in den kommenden zehn Jahren ganz aus der Atomenergie aussteigen und setzt dabei vor allem auf mehr Windenergie und Gaskraftwerke.
Die Süddeutsche Zeitung (SZ) berichtete am Mittwoch über das Konzept des Ministers „Bayern regenerativ – Neue Energie für Bayern“. Das sieht das Ende des Atomzeitalters bis spätestens 2022 vor, ein Ausstieg aus der Kernenergie sei schon bis 2020 möglich, wenn auch „sehr ambitioniert“. Söder will den Anteil von Ökostrom bis dahin auf 50 Prozent verdoppeln.
Das geht nur mit mehr Windenergie, die bislang im Freistaat eher behindert denn gefördert wurde unter dem Vorwand, der Wind wehe nicht kräftig genug. Nun sieht auch Söder das große Potenzial und will die Stromerzeugung mittels Windrädern von jetzt einem auf zehn Prozent erhöhen. Dazu sollen 1500 neue Anlagen errichtet werden, so Söders Konzept. Derzeit drehen sich ungefähr 430 Rotoren unter weißblauem Himmel, davon etwa 100 in Unterfranken.
Söder setzt auch auf die Fotovoltaik. Sie soll ihren Anteil an der Stromerzeugung von rund vier auf 16 Prozent vervierfachen. Solarstromanlagen auf Äckern sollen wieder bezuschusst werden, dafür will sich der Minister einsetzen.
Das alles reicht aber noch nicht, um die aktuell mehr als 60 Prozent Atomstrom in Bayern zu ersetzen. Deshalb setzt der Minister bei seiner Konzeption auf moderne, dezentral über Bayern verteilte Gaskraftwerke. Deren Anteil an der Stromerzeugung soll nach Söders Vorstellung auf 40 Prozent vervierfacht werden.
Schon regt sich Widerspruch – ausgerechnet aus dem Kabinett. Bayerns Wirtschaftsminister Martin Zeil (FDP) hält den Atomausstieg bis 2020 für „völlig unrealistisch“, sagte er der Passauer Neuen Presse. Die Zukunft des Industrielandes Bayern dürfe nicht aufs Spiel gesetzt werden. Hans-Josef Fell aus Hammelburg (Lkr. Bad Kissingen), der energiepolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, lobt hingegen die „späte Einsicht“ Söders beim Atomausstieg. Dessen „erneuerbare“ Ziele sind Fell aber nicht ambitioniert genug. „Mit der Windkraft kann man in zehn Jahren viel mehr Strom machen als zehn Prozent“, sagt Fell und plädiert einmal mehr dafür, die Schranken zu öffnen, die die Regionalplanung der Windkraft setzt. Noch sind weite Teile von Rhön, Steigerwald und Spessart für Windräder tabu, die so genannten Ausschlussgebiete.
Rhön-Grabfeld-Landrat Thomas Habermann (CSU) will die Schranken unten lassen. Landschafts- und Naturschutzgebiete müssten frei bleiben von Windkraftanlagen, fordert der Vorsitzende des Regionalen Planungsverbandes in der Region 3. Darin sei er sich nach einem langen Gespräch mit Hubert Weiger einig gewesen, dem Vorsitzenden des Bund Naturschutz in Bayern (BN). Auf den für Windkraft offenen annähernd 4000 Hektar Vorrang- und Vorbehaltsflächen in seinem Landkreis sei Platz für 50 bis 100 Windräder. „Wir brauchen die Hochlagen der Rhön nicht“, sagt Habermann, will aber bei der Abstandsregelung zwischen Windkraftanlagen und Wohngebieten noch mit sich reden lassen.
Auch für Main-Spessart-Landrat Thomas Schiebel (Freie Wähler) ist die Suche nach geeigneten Flächen für die Windkraft-Nutzung noch nicht abgeschlossen. Eine Änderung der gesetzlichen Grundlagen hält Schiebel nicht für ausgeschlossen.
Die Windenergie brauche bessere Rahmenbedingungen, sonst sind Söders Ziele „so schnell nicht realisierbar“. Das sagte Rainer Kern, Regionalplaner bei der Regierung von Unterfranken, als Minister Söder lediglich eine Vervierfachung der Stromproduktion durch Windkraft anpeilte. Das war vor vier Wochen. Neue Vorgaben aus München lassen bis heute auf sich warten.
Atomausstieg in Bayern
In seinem Konzept „Bayern regenerativ – Neue Energie für Bayern“ greift Umweltminister Markus Söder auf den von der früheren rot-grünen Bundesregierung vorgelegten Plan zum Ausstieg aus der Atomenergie zurück. Die Laufzeiten „richten sich nach dem ursprünglichen, seit 2001 geltenden Zeitplan“, heißt es in dem Thesenpapier. Das Atomkraftwerk Grafenrheinfeld müsste demnach 2014 vom Netz gehen, als letzter Atommeiler würde Isar 2 sechs Jahre später abgeschaltet. Im Herbst 2010 hatte die schwarz-gelbe Bundesregierung den bis dahin geltenden Atomkonsens auch auf Druck aus Bayern hin aufgekündigt und die Laufzeiten verlängert. Das AKW Grafenrheinfeld erhielt damit die Genehmigung, 14 Jahre länger zu laufen.