25.03.2008 14:48
von Detlev Landmesser Was ist denn da los? Wie aus heiterem Himmel haussierte die Wall Street um die Ostertage, und Europas Börsen nehmen die Vorgabe dankbar auf. War es das mit der Krise? Jetzt Aktien kaufen? Anbei eine Entscheidungshilfe. Bild zum Artikel
Denn genauso wie bei Kursabstürzen gilt es auch bei stark steigenden Aktienkursen, kühlen Kopf zu bewahren.
Zunächst: Was ist passiert? Am Gründonnerstag hatten die US-Börsen bereits haussiert, was vor allem an dem großen Verfallstag an der Terminbörse gelegen haben dürfte. Der marktbreite S&P-500-Index schnellte um 2,4 Prozent nach oben. Am Ostermontag legte der S&P 500 nochmals 1,5 Prozent zu, diesmal aus einem nachvollziehbareren Grund: Auslöser war das Einlenken der US-Investmentbank JP Morgan, die nun das Fünffache des ursprünglich vereinbarten Preises für den angeschlagenen Rivalen Bear Stearns hinblättern will.
Das nahm der Transaktion etwas von ihrem krisenhaften Charakter. Der überstürzte Notverkauf von Bear Stearns am Wochenende vor Ostern hatte die Marktteilnehmer rund um den Globus noch regelrecht geschockt.
Erst überlegen, dann entscheiden! War es das nun mit der Finanzkrise? Sind auch künftige Hiobsbotschaften schon in den Kursen enthalten, und die Aktienmärkte haben ihren Boden erreicht? Abschließende Antworten darauf kann niemand geben.
Doch vor jeder rationalen Anlageentscheidung steht die Abwägung der Pro- und Contra-Argumente. Anbei eine Bestandsaufnahme der aus unserer Sicht je vier gewichtigsten Argumente für und gegen weiter steigende Kurse.
Was für fallende Kurse spricht
Es wird weitere Pleiten geben
Das ist derzeit das gewichtigste Argument für weiter fallende Aktienkurse: Die schlimmste Finanzkrise seit dem zweiten Weltkrieg wird zweifellos weitere Opfer unter den Banken fordern. Die brennendsten Fragen sind, ob es noch weitere große Institute trifft, und inwieweit diese Erwartung schon in den Aktienkursen enthalten ist. Wie die vergangenen Monate bewiesen haben, kann kein Marktexperte darauf abschließende Antworten geben. Diese Unsicherheit ist kein Boden für nachhaltige Kursgewinne.
Abschreibungswelle rollt
Auch wenn die Masse der Banken überleben wird – die Milliardenabschreibungen auf faule Kredite, Anleihen- und mittlerweile auch Aktienbestände werden weitergehen. Auch in Europa gibt es einige Segmente am Anleihenmarkt, die aufgrund des mangelnden Vertrauens unter den Banken regelrecht ausgetrocknet sind. Zwangsläufige Folge sind Abwertungen der Bestände, für die teils nicht einmal mehr vernünftige Marktpreise ermittelt werden können. Rund um den Globus werden Banken in diesem Jahr weniger Gewinn oder sogar Verlust machen.
Damoklesschwert Hedge Fonds
Die Abschreibungsnot lastet aber nicht nur auf den Bankbilanzen. Bisher ist es noch verdächtig ruhig von der Seite der Hedge Fonds geblieben, die sich mittels millardenschwerer Kredite am Anleihe- und Aktienmarkt engagiert haben. Von dieser Seite befürchten Experten die nächste Liquidationswelle: Sinkt der Wert der als Sicherheit dienenden Anlagen, fordern die Kreditgeber einen Teil ihrer Ausleihungen zurück. Das können die hoch verschuldeten Fonds aber nur mit Wertpapierverkäufen leisten – was den Aktienmarkt weiter belastet.
Unternehmensgewinne sinken
Die Gesundbeter sind verstummt – dass die USA bereits in einer Rezession stecken, ist mittlerweile fast Konsens unter den Volkswirten. Der Vertrauensschwund unter den Banken hat deren Kreditvergabe extrem gebremst. Mit den Krediten schwindet aber das wesentliche Schmiermittel für wirtschaftliches Wachstum. Wird weniger produziert, leiden die Unternehmensgewinne. Diese sind aber längerfristig betrachtet der wichtigste Einflussfaktor für die Aktienkurse.
Was für steigende Kurse spricht
Staatseingriffe
"Die tun was" – so fassen die Aktienmärkte derzeit die zahlreichen Markteingriffe der US-Notenbank und der US-Regierung auf. Was die Eingriffe langfristig anrichten, ist sehr umstritten. Fürs Erste aber haben sie neue Zuversicht an den Finanzmärkten erzeugt. Besonders gewirkt hat offenbar die Sonder-Kreditlinie der Fed für die amerikanischen Investmentbanken.
Weitere weitreichende Hilfsaktionen sind denkbar – bis hin zu staatlichen Garantien auf Kosten der Steuerzahler. Derzeit wird etwa über einen massenhaften Ankauf hypothekengesicherter Wertpapiere spekuliert, um diesen völlig zusammengebrochenen Markt zu stabilisieren und die Abschreibungsnot zu mindern. Jede Spekulation in diese Richtung ist derzeit geeignet, die Aktienmärkte zu beflügeln.
Sentiment
Diese Reaktionsfreude nach oben hängt mit der Stimmungslage an den Aktienmärkten, dem so genannten Sentiment zusammen. Monatelang reihte sich eine Hiobsbotschaft an die andere, was selbst eingefleischte Optimisten mürbe gemacht hat. Die Börsenstimmung war zuletzt so düster, dass alle Daten, die weniger schlimm ausfielen als erwartet, als Erleichterung gefeiert wurden.
US-Wahlzyklus
Mit welchen Maßnahmen es die US-Regierung oder sonstige Einflüsse auch immer bewirkt haben – die Statistik beweist zweifelsfrei, dass Jahre, in denen der US-Präsident gewählt wird, zu den besseren Börsenjahren gehören. So legte der Dow Jones im vergangenen Jahrhundert in der zweiten Hälfte eines Wahljahres im Schnitt um mehr als acht Prozent zu. Ein Zusammenhang, der viele Marktteilnehmer auch für das zweite Halbjahr 2008 hoffen lässt.
Vorwegnahme eines Aufschwungs
"An der Börse wird die Zukunft gehandelt"; dieser Spruch bewahrheitet sich gerade beim Zusammenhang zwischen Börse und Konjunktur. Erfahrungsgemäß nimmt der Aktienmarkt konjunkturelle Entwicklungen mit mehrmonatigem Vorlauf vorweg. Nach diesem Argument könnte sich ein Einstieg in den nächsten Monaten langfristig auszahlen. Das Problem ist nur, dass niemand voraussagen kann, wie lange die Rezession in den USA dauert. Letztlich zeigt der Zusammenhang nur, dass der günstigste Zeitpunkt für einen Aktienkauf vor den ersten Anzeichen für eine konjunkturelle Erholung liegt. |