Die US-Notenbank hat das Niveau ihrer Leitzinsen vor dem Hintergrund einer befürchteten Rezession auf das niedrigste Niveau seit Ende 2004 reduziert und weitere Zinssenkungen in Aussicht gestellt. Wie die Fed am Dienstagabend mitteilte, senkte sie den Tagesgeldzielsatz um 75 Basispunkte auf 2,25%. Damit blieb sie etwas unter den Erwartungen der Finanzmärkte, an denen eine Senkung um einen vollen Prozentpunkt zu über 80% eingepreist gewesen war. Zugleich signalisierte die Fed ihre Bereitschaft zu weiteren Zinssenkungen.
An den Finanzmärkten bliebt die Enttäuschung über die etwas kleiner als erwartet ausgefallene Zinssenkung auf die Anleihemärkte beschränkt. Der Dow Jones Index verlor anfänglich 100 Punkte, lag eine Stunde nach der Zinsentscheidung aber schon wieder mit 300 Punkten im Plus. Die Renditen der US-Staatsanleihen stiegen durch die Bank, die Notierung zehnjähriger Treasurys verlor mit einem vollen Punkt am stärksten, zweijährige Notes ermäßigten sich um 8/32, der 30-jährige Longbond um 8/32. Der Dollar wertete gegenüber dem Euro um etwa 1 Cent auf und kostete knapp unter 1,57 USD.
Einige Beobachter sahen in dem Zinsschritt um "nur" 75 Basispunkte einen Anhaltspunkt für die Zuversicht der Fed, dass ihre übrigen Maßnahmen zur Liquiditätsversorgung die Finanzmärkte stabilisieren werden. Ian Lyngen, Analyst bei RBS Greenwich, sprach von einer "großen Wette", die die Fed hierauf eingehe. Andere äußerten sich enttäuscht.
Die US-Notenbank hat ihren Leitzins damit seit Herbst 2007 um insgesamt 300 Basispunkte reduziert. Unverändert auf einem Rekordtiefstand blieb am Dienstag auch die Differenz zwischen dem für den Interbankenhandel maßgeblichen Leitzins und dem Diskontsatz, zu dem Banken direkt bei der Fed Geld leihen können. Nachdem die Fed diesen Zinssatz bereits am Sonntag um 25 Basispunkte gesenkt hat, reduziert sie ihn am Dienstag erneut um 75 Basispunkte auf nun 2,50%.
Hinsichtlich der Konjunkturaussichten äußerten sich die Währungshüter erneut besorgt. Der Anstieg der Konsumausgaben habe sich verlangsamt und der Arbeitsmarkt abgeschwächt, hieß es in der Erklärung. Die Verschärfung der Kreditkonditionen und die Vertiefung der Krise am Häusermarkt dürften das Wachstum der US-Wirtschaft in den kommenden Quartalen belasten.
Zugleich äußert sich die Fed optimistisch, dass die aktuelle Zinslockerung in Kombination mit den vorherigen Zinssenkungen und den Maßnahmen zur Bereitstellung von Liquidität mit der Zeit ein moderates Wirtschaftswachstum fördern und die Risiken für die ökonomische Aktivität verringern dürften. Dennoch blieben Risiken für das Wachstum bestehen, erklärte das Gremium weiter.
Die Federal Reserve erklärte, sie werde, wenn notwendig, rechtzeitig handeln, um ein nachhaltiges Wachstum zu stützen und Preisstabilität zu gewährleisten. Beobachter deuteten dies als Bereitschaft zu weiteren Zinssenkungen. Allerdings enthielt das aktuelle Statement im Gegensatz zu jenem vom 30. Januar wieder einen expliziten Verweis auf Inflationsrisiken und damit verbundenen Handlungszwänge.
Zu Inflation hieß es im Zinsbeschluss, diese sei "erhöht". Einige Indikatoren für der Inflationserwartungen seien gestiegen, allerdings werde der Preisdruck in den kommenden Quartalen allmählich nachlassen, wenn der Anstieg der Energie- und Rohstoffpreise auslaufe und der Druck auf die Ressourcenauslastung nachlasse. Die Unsicherheit über den Inflationsausblick sei insgesamt jedoch gestiegen, die Entwicklung müsse aufmerksam verfolgt werden.
Für Commerzbank-Volkswirt Patrick Franke ging vor allem aus der Erwähnung der nicht mehr so gut verankerten Inflationserwartungen hervor, dass die Fed wieder etwas besorgter über die Inflationsentwicklung ist. Möglicherweise bereite die Fed die Märkte mit diesem trotz der großen Zinssenkung "hawkishen" Tonart auf eine schnelle Umkehr ihrer Zinspolitik vor.
An den Terminmärkten wurde die Wahrscheinlichkeit weiterer Zinssenkungen in den USA weiterhin als hoch bewertet. Der Mai-Kontrakt der Fed-Funds-Futures preiste eine Senkung des Tagesgeldzielsatzes um weitere 50 Basispunkte nach der FOMC-Sitzung am 29. und 30. April zu 94% ein.
Bereits in den vergangenen drei Tagen hatte die Fed mit teils unkonventionellen Maßnahmen versucht, der Unsicherheit an den Finanzmärkten zu begegnen. So reduzierte sie am Sonntag nicht nur ihren Diskontsatz (um 25 Basispunkte auf 3,25%), womit sich die Kosten der für der Banken reduzieren, die Geld direkt bei der Fed leihen wollen.
Sie schuf zudem eine weitere außerordentliche Kreditfazilität, aus der die 20 Primary Dealer zu Bedingungen leihen können, die denen des Diskontfensters für die übrigen Geschäftsbanken gleichen. Zudem erweiterte die Fed die Liste der Sicherheiten, die die Primary Dealer bei Repo-Geschäften hinterlegen müssen und verlängerte die Laufzeit der Geschäfte von 30 auf 90 Tage. |