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Sparkommissar: Hans Eichel |
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Berlin - Einen heißen Mai hatten die Gewerkschaften der Bundesregierung versprochen und nur ein laues Lüftchen produziert. Dafür erwartet das Kabinett Schröder ein heißer Juni - und den bereiten sie sich selber. Eichel muss bis Mitte des Monats seinen Haushaltsentwurf für 2004 zimmern. Eine Herkulesaufgabe für den geschwächten Kassenchef. Mindestens 15 Milliarden Euro muss der Bundesfinanzminister seinen widerspenstigen Kabinettskollegen jetzt wegkürzen. Vor der SPD-Bundestagsfraktion am vergangenen Dienstag hatte Eichel nach Angaben von Teilnehmern sogar von bis zu 18 Milliarden gesprochen. Diese Woche beginnt das Streichkonzert mit den Chefgesprächen, das erfahrungsgemäß für Misstöne im Kabinett und schlechte Nachrichten für die Menschen sorgt. Haushaltsexperten der SPD-Fraktion erwarten, dass "die Monate der Haushaltsberatung die turbulentesten seit der Staatsgründung werden". Angesichts dramatischer Steuerausfälle und der Brüsseler Defizitvorgaben lautet die klamme Einsicht: "Da kommt noch richtig was auf uns zu."
Die Bundesregierung hat nur gut 14 Tage Zeit, denn um den 18. Juni herum sollen die Chefgespräche zu Ende sein. Das Kabinett will den Haushalt am 25. Juni beschließen. Um durchgreifende Haushaltssanierung auch für die Bundesländer soll es bereits bei der für Donnerstag geplanten Finanzministerkonferenz in Berlin gehen.
Von den zähen Verhandlungen der vergangenen Jahre, als es um viel geringere Kürzungssummen ging, sind noch die langwierigen Diskussionen mit den widerspenstigen Ministern für Verteidigung - damals Rudolf Scharping - und für Entwicklungshilfe, Heidi Wieczorek-Zeul, in Erinnerung. Die Ministerin hofft wie Scharping-Nachfolger Peter Struck, diesmal verschont zu bleiben. Aber bisher hat nur die Bundeswehr schon die Zusage, ebenso wie die Bereiche Bildung, Forschung und Verkehrsinvestitionen, ausgenommen zu bleiben.
Herr der Löcher
Woher also nehmen, wenn nicht stehlen? Eichel nimmt die "großen Brocken" ins Visier. Bei der Aufstellung eines EU- und verfassungskonformen Etats mit rund 20 bis 23 Milliarden neuen Schulden hat er zwar die ausdrückliche Unterstützung des Kanzlers. Schröder lässt Eichel bei dessen Chefgesprächen nicht allein, wie Vize-Regierungssprecher Thomas Steg bestätigt: Der Kanzler werde sich "einbringen". Aber Eichels Stand im Kabinett ist deutlich schwächer als noch vor einem Jahr: Er ist vom eisernen Hans zum Herrn der Löcher abgestiegen.
Die großen Blöcke, an die Eichel ran will, betreffen vor allem die von Ministerin Ulla Schmidt (SPD) verwalteten Sozialleistungen, die Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) zugefallene Betreuung von Arbeitsmarkt und Arbeitslosigkeit und Eichels Lieblingsthema: Subventionen.
Nachdem die Neuverschuldung im Bundeshaushalt dieses Jahres nach Expertenangaben auf den Rekordwert von etwa 40 Milliarden Euro klettern dürfte, will Eichel die Nettokreditaufnahme 2004 auf eine Größenordnung zwischen 20 und 23 Milliarden Euro begrenzen. Das ist immer noch mindestens doppelt so viel wie im bisherigen Finanzplan mit 10 Milliarden für 2004 vorgesehen. Mit etwa einem Drittel des gesamten Haushalts verwaltet Gesundheits- und Sozialministerin Ulla Schmidt derzeit den größten Einzeletat und weckt damit großes Interesse bei Eichel.
Taktisch verhalten
Doch bevor Öffentlichkeit und Lobbyisten die Streicharie mit lautem Gejammer begleiten, wird noch kräftig dementiert - vor allem bei der Rente. Genauer hinhören muss man dennoch bei ernst zu nehmenden Überlegungen von Rot-Grün, nämlich den Krankenversicherungsanteil der Rentner - die andere Hälfte zahlt derzeit die Rentenkasse - zu erhöhen. Das könnte zu ersten Entlastungen der Beiträge und der von Eichel beklagten hohen Bundeszuschüsse an die Rentenversicherung von derzeit satten 77 Milliarden Euro führen.
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Ulla Schmidt: fürchtet um ihren Etat |
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"Von uns ist das nicht geplant - auch nicht diskutiert", behauptet Ulla Schmidts Sprecher, Klaus Vater. Auch das Finanzministerium hält sich mit öffentlichen Äußerungen zum Thema Rente noch bedeckt, obwohl in Berlin längst laut diskutiert wird, dass die Menschen im Ruhestand 2004 wohl eine Nullrunde erwarten könnte, was einer Rentenkürzung um die Inflationsrate gleichkäme. Fraglich ist dabei, ob das Bundesverfassungsgericht so was überhaupt zulässt. "Buhmann der Nation"
Beim Thema Rente wird mit öffentlichen Aussagen weiter gewartet, das ist vermintes Gelände angesichts von 17 Millionen Rentnern. Weder der Finanzminister will durch eine solche öffentliche Forderung erneut zum "Buhmann der Nation" werden, noch will Ministerin Schmidt durch ein Entgegenkommen vorab zu viel Boden für die Verhandlungen preisgeben. Hier dürfte nach dem Tabaksteuer-Streit erneut einiges zwischen Eichel und Schmidt zu besprechen sein.
Beim Thema Subventionen wird Eichel von den Grünen zum Jagen getragen. Der Mangelverwalter plant angeblich lediglich, die in den vergangenen Jahren um 30 Prozent auf 7,7 Milliarden Euro gekürzten Subventionsausgaben um rund eine weitere Milliarde zu verringern - bisher. "Das ist nicht der Mühe wert", klagt Grünen-Haushaltssprecherin Antje Hermenau. Für den Bund müssten bei den Finanzhilfen und Steuervergünstigungen mindestens 5 Milliarden Einsparungen herausspringen.
Eichel erhofft sich vor allem im Sozialbereich Einsparungen. Hermenau ist da mutiger und fordert, "endlich auch die 13. Monatspensionen" der ehemaligen Bundesbediensteten zu streichen. Das brächte Mehreinnahmen von etwa 500 Millionen bis eine Milliarde Euro. Eichel selbst hat bereits die aktiven Bundesbeamten im Auge mit Streichungen beim Urlaubs- und Weihnachtsgeld.
Subventionen auf dem Prüfstand
Doch ganz so couragiert, wie die Grünen sich beim Thema Subventionen aufstellen, sind sie dann im Detail auch nicht. Der Parteirat fordert zwar einen "mutigen und ehrgeizigen" Abbau von Subventionen. Sie legten sich aber nicht auf eigene konkrete Vorschläge fest. Das hat politische Gründe. Im Auge haben sie zwar Kürzungen bei der Entfernungspauschale für Berufspendler, der Eigenheimzulage, der Steinkohle und dem Agrardiesel. Aber angesichts der knirschenden Koalition in Düsseldorf erscheint es ihnen gerade nicht opportun so große Brocken wie die Steinkohle anzugehen, weil das in Nordrhein-Westfalen vor allem die SPD-Klientel trifft.
Die aus dem Bundesrat stammenden Pläne, in den nächsten drei Jahren insgesamt zehn Prozent der öffentlichen Subventionen zu kürzen, reichten jedenfalls nicht aus, sagt immerhin die Grünen-Vorsitzende Angelika Beer. Subventionen sollten gezielt abgebaut werden, wo sie umweltschädlich wirken. Die Worte Steinkohle und Verkehrsprojekte meidet sie aber - bislang.
Fällt die Eigenheimzulage?
Eichel selbst wollte bereits in den Koalitionsverhandlungen vergangenen Herbst an die Eigenheimzulage - mit zehn Milliarden Euro jährlich ein großer Batzen. Angesichts des Wohnungsleerstandes in Deutschland wollte er nicht mehr den Neubau, sondern nur noch den Kauf stützen. Damals konnte er sich nicht durchsetzen. Aber der Koalitionsvertrag ist längst genauso von der Realität überholt wie das Wahlprogramm der SPD.
Am Verlauf der Haushaltsverhandlungen in den kommenden Wochen wird sich jedenfalls viel ablesen lassen über das rot-grüne Kräfteverhältnis, welche Minister noch einen guten Stand haben beim Kanzler und wie ernst es SPD und Grünen damit ist, sich als Reformmotor zu präsentieren. Ein heißer Juni.