Aus einem anderen bekannten Thread von User Risikoklasse: 'Defense Manual' 614:10 #19319 aus der heutigen FAZ:
Angriffsziel: Kurssturz
Verteidigung gegen aktivistische Aktionäre
In den letzten Jahren hat das Phänomen des Shareholder Activism in Deutschland stark zugenommen. Es bezeichnet die aktive Einflussnahme von Aktionären auf börsennotierte Unternehmen. Während sich die Methoden dieser Aktivisten deutlich unterscheiden, eint sie die Zielsetzung, den Börsenkurs und damit den Wert ihrer Beteiligung zu steigern. In jüngster Zeit ist auch der umgekehrte Fall zu beobachten: Investoren setzen auf einen fallenden Börsenkurs (Short Seller) und bringen den Kurs anschließend mit falschen oder richtigen Behauptungen zum Absturz (Short Attack).
Zuletzt ist Thyssen-Krupp zum Ziel eines solchen Angriffs geworden. Zwar ist dieser glimpflich verlaufen, zeigt aber, dass selbst Dax-Konzerne nicht vor derartigen Attacken sicher sind. Zuvor waren bereits Wirecard, Ströer und die Beteiligungsgesellschaft Aurelius angegriffen worden. Dies führte zu Kursverlusten von bis zu 40 Prozent.
Hohe Kursschwankungen an den Börsen begünstigen die Short Attacks. Nervöse Anleger sind nämlich eher und zu niedrigeren Kursen bereit, bei schlechten Nachrichten ihre Aktien zu verkaufen. Auch der elektronische Handel erleichtert den Short Sellern das Geschäft. So kann die Nutzung von Algorithmen das Tempo und Ausmaß von Kursausschlägen erheblich verschärfen. Die Zahl der Angriffe dürfte künftig weiter zunehmen. Die amerikanischen Aufsichtsbehörden gehen inzwischen entschlossen gegen aggressive Short Seller vor, so dass diese sich neue Spielfelder, zum Beispiel in Europa, suchen.
Um potentielle Opfer zu identifizieren, wenden Short Seller eine Reihe typischer Kriterien an: Beispielsweise eignet sich ein Unternehmen umso mehr als Ziel, je komplexer oder schwieriger sein Geschäftsmodell ist. Ebenso können verschachtelte und weit verzweigte Unternehmensstrukturen eine Angriffsfläche bilden. Ein weiteres typisches Kriterium sind Defizite in den CorporateGovernance-Strukturen. Fehlen beispielsweise unabhängige Mitglieder beziehungsweise Finanz- oder Sektorexpertise im Aufsichtsrat? Gibt es enge operative oder finanzielle Verflechtungen mit Großaktionären? Ist die Compliance-Organisation angemessen? Wichtig ist auch die Analyse des Aktienkurses. Je steiler dieser gestiegen ist, je mehr Aktionäre also zu deutlich niedrigeren Kursen eingestiegen sind, desto eher eignet sich ein Unternehmen als Angriffsziel. Aufgrund der erzielten Kursgewinne sind die Aktionäre schneller bereit, ihre Aktien wieder zu verkaufen.
Die Verteidigung gegen Short Attacks beruht auf zwei Säulen. Der Prävention von Angriffen dienen vor allem die sorgfältige Analyse und Beseitigung möglicher Angriffspunkte. Kursbewegungen müssen laufend beobachtet werden. Auch eine intensive und transparente Kommunikation mit Aktionären, Investoren und Öffentlichkeit ist angezeigt.
Ist ein Angriff bereits erfolgt, ist eine schnelle Reaktion wichtig. Zu diesem Zweck halten viele Unternehmen einen Leitfaden (Defense Manual) bereit, der die Schritte und Gegenmaßnahmen nach einer Attacke beschreibt. Wird die Verteidigungsstrategie erst entwickelt, nachdem der Angriff erfolgt ist, kommt die Abwehr zu spät. So ein Leitfaden legt beispielsweise dar, welche Gremien, Abteilungen und Berater zu benachrichtigen sind und aus welchen Personen sich das Team zusammensetzt, das die Verteidigung organisiert. Er enthält etwa Formulierungsvorschläge für verschiedene Kommunikationsformen sowie Listen der Opinion Former (zum Beispiel Wirtschaftspublikationen und Analysten), die zwecks Verbreitung der eigenen Botschaft zu kontaktieren sind. Auch der rechtliche Rahmen wird beschrieben.
Angesichts der Zunahme von Short Attacks sollten sich Vorstände und Aufsichtsräte mit den Risiken für ihr Unternehmen und möglichen Gegenmaßnahmen auseinandersetzen.
Typischerweise richten diejenigen Angriffe den größten Schaden an, die ein unvorbereitetes Unternehmen treffen umgekehrt lassen sich die negativen Folgen durch eine gute Vorbereitung erheblich begrenzen.
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