Der Playboy-Konzern stellt das Prinzip "Sex sells" auf eine harte Probe. Um den Umsatzverfall zu stoppen, hat er sich TV-Kanäle für Hardcore-Pornos einverleibt. Das könnte das Edelimage der Häschen-Marke besudeln, Käufer abschrecken und den Aktienkurs drücken. Chicago - Er ist fast 76 Jahre alt, schwerhörig und hat einen Schlaganfall hinter sich - aber in Los Angeles ist Hugh Hefner wieder hip wie ein Popstar. Auf seinen Partys drängeln sich Oscar-Gewinner wie Kevin Spacey neben sparsam bekleideten Bunnies. Leonardo DiCaprio gilt als Protegé des legendären Playboy-Gründers, Cameron Diaz erschien zum Rendezvous. Im fortgeschrittenen Alter ist Hefner zum gefragten Werbeträger geworden: Er tritt in Spots für Motorola und Johnnie Walker auf. Nach dem Image-Tief in den prüden Achtzigern ist Hef erneut die Personifikation der Marke Playboy mit all ihren Attributen: urban, provokant. Sexy mit Stil. Reicher geworden ist der Erotik-Dynast auch: Die Playboy-Aktien, die letzen Berichten zufolge zu 32 Prozent "Hef" selbst gehören, sind seit Jahresbeginn von zehn auf 18 Dollar geklettert. Das Playboy-Papier gelte an der Wall Street als "heiße Nummer", kalauert das Finanzfachblatt "Barron's".
Pornos für Millionen
Neuerdings aber dämpfen viele Analysten ihre Stimmen, wenn sie über Geschäftspläne der Bunnies sprechen. Zu anrüchig scheint, was Playboy vor hat. Im Sommer hat der Konzern, nun geführt von Hefners Tochter Christie, für insgesamt 82 Millionen Dollar die Pay-TV-Kanäle Vivid TV, Hot Network und Hot Zone geschluckt. An sich nichts Revolutionäres: Mit seinen bisherigen Bezahl-Kanälen Playboy TV, Spice und Spice 2 bringt das Unternehmen seit Jahren Erotisches im fast 50 Millionen Haushalte - für eine Gebühr von sechs bis zehn Dollar pro Filmchen. Jetzt kommen noch einmal 36 Millionen Anschlüsse dazu.
"Das Programm ist ziemlich extrem"
Die neue Expansion aber wird zum riskanten Pokerspiel. Playboys stilvolles Soft-Porno-Image jedenfalls ist nun passé: Vivid und die Hot-Kanäle zeigen Hardcore-Ware mit realen Sex-Szenen - und Nahaufnahmen, die wenig Spielraum für Phantasie lassen. "Playboy zieht den Anzug des Gentlemans aus", titelte die "Los Angeles Times".
Mahner glauben, dass es Playboy zu weit getrieben hat. Denn die Porno-Lust amerikanischer Kabelnetzbetreiber ist mäßig, trotz spektakulärer Profit-Chancen. "Wir sind besorgt, wie unsere Kunden auf dieses Angebot reagieren", sagte der Vizechef von Cable One aus Phoenix dem Fachblatt "Cableworld". "Das Programm ist ziemlich extrem". Auch Time Warner Cable lässt lieber die Finger von Hardcore-Inhalten. Und Adelphia Communications, die wichtigste Kabelgesellschaft Südkaliforniens, weigert sich sogar, Soft-Porno-Filmchen ins Programm zu nehmen.
Der Vorstoß in den Tabu-Bereich könnte das sorgsam kultivierte Image der Häschen-Marke zerstören. Als besonders verletzlich gilt der Absatz von Lizenz-Produkten mit dem Hasen-Logo - seien es Herren-Unterhosen, die im Dunkeln leuchten oder die brandneuen Playmate-Püppchen. Weltweit bringen die Lizenzprodukte dem Konzern und seinen Partnern 270 Millionen Dollar jährlich ein, so eine Branchenschätzung.
"Wenn Playboy als Porno-Laden verschrien wird, werden die Käufer wegbleiben", fürchtet der Analyst Robert Routh von Arnhold & S. Bleichroeder. Das gilt auch für Leser des "Playboy"-Magazins - dem 48 Jahre alten Konzern-Flaggschiff. Seit ihrem Höhepunkt in den siebziger Jahren ist die Auflage ohnehin deutlich abgebröckelt. Und an der Wall Street droht Playboy das Stigma der "Sündenaktie". Vielen institutionellen Anlegern könnte das Bunny-Papier zu heiß werden, fürchtet Alan Snyder, Chef einer Investmentgesellschaft in San Francisco. Bisher besitzt sie 700.000 Playboy-Aktien.
Tot wie ein Dodo
Den Sprung ins Hardcore-Geschäft haben die Bunnies nicht ganz freiwillig gewagt. Konzernchefin Christie Hefner, eine frühere Literaturstudentin mit Faible fürs Schöngeistige, gilt in der US-Erotikbranche als geradezu prüde. "Sie ist eine wirkliche Feministin", behauptet ihr Vater. Mitarbeitern gegenüber soll Hefner Playboy als "Disney für Erwachsene" beschrieben haben. Papa Hefner habe seine Tochter zum Kauf der drei Hardcore-Kanäle geradezu nötigen müssen, behauptet "Newsweek". "Hef" selbst sagte dem Magazin: "Wenn man nicht mit der Zeit geht, endet man wie der Dodo. Man wird zur Fußnote der Geschichte." Keine unbegründete Furcht. Auf dem Notice Board bei "Yahoo!", wo Hobby-Händler über Aktien schwadronieren, prophezeien Schwarzseher schon lange den Bankrott des Playboy-Konzerns. "Der Laden ist komplett pleite", tönt ein Freizeit-Analyst. Tatsächlich hat Playboy in den vergangenen zwei Jahren 53 Millionen Dollar verloren. Im Oktober strich der Konzern 92 von 719 Stellen, die Hälfte davon bei der ruinös teuren Online-Tochter. Erst im September hat Hugh Hefner laut Mitteilung an die US-Wertpapieraufsicht fünf Millionen aus seinem Privatvermögen spendiert, um das Geschäft über Wasser zu halten. Nicht die erste derartige Hilfszahlung.
Dreimal teurer als nötig
So wirken die Hardcore-Zukäufe fast wie eine Verzweiflungstat. Zumal die Neulinge im Playboy-Reich nach einer früheren Übernahme 1998 schon einmal zum Konzern gehörten. Hefner verkaufte sie schleunigst weiter, aus Gründen der Marken-Hygiene. Nun habe der Konzern Hot Network und Hot Zone für 28,3 Millionen Dollar zurückgenommen, schreibt die "LA Times". Fast das Dreifache des Preises, den Playboy beim Verkauf vor drei Jahren erlöste. Trotzdem wäre es naiv, Christie Hefner zu unterschätzen. In Geschäftskreisen wird gern von ihrem an Besessenheit grenzenden Ehrgeiz erzählt. Als sie 1982 ihren Vater im Chefsessel ablöste, hat sie radikal aufgeräumt, Verlustbringer wie die Playboy-Casinos und -Clubs abgestoßen - und das Unternehmen in eine neue, elektronische Ära navigiert. Das einstige Kerngeschäft mit dem Magazin ist nur noch dank des Renommees wichtig.
"Ganz ehrlich, wir machen schon heute mit Fernsehen viermal mehr Geld als im Verlagsgeschäft", sagte Hefner nach der jüngsten Expansion der Nachrichtenagentur Reuters. Beim digitalen Fernsehen ist Playboy TV vorne dabei. Da passt der neue Vorstoß im Pay-TV ins moderne Selbstbild. Viele Analysten trauen Hefner zu, die kränkelnden Bunnies dank der Porno-Umsätze aufzupäppeln. Schon im dritten Quartal hat Playboy seine Verluste wegen des Porno-Geschäftes deutlich reduziert.
Fast an den Rand gedrängt
"Hefner musste einfach handeln. Sonst wäre Playboy von den Hardcore-Konkurrenten an den Rand gedrängt worden", zitiert die "LA Times" denn auch einen Kabel-TV-Consultant. Und der Informationsdienst "Kagan" nennt Zahlen, die Hefners Lust aufs Deftige steigern dürften: In diesem Jahr würden allein in Amerika mit Porno-TV 544 Millionen Dollar umgesetzt, 2006 dürften es 945 Millionen sein. Playboy steigt spät in dieses Business ein, aber als Marktführer. Der einzige verbliebene Konkurrent New Frontier erreichte mit seinen drei Sendern laut Zahlen vom Sommer 26,7 Millionen Haushalte. Halb so viele wie die Hardcore-Kanäle der Playboys.
Bleibt das Image-Problem. Damit die Edelmarke Playboy nicht besudelt wird, will Hefner schärfere TV-Inhalte unter dem Namen "Spice TV" bündeln. Hefner vergleicht dieses Zwei-Marken-Konzept mit dem des Medienriesen Viacom. Der biete schließlich auch unter der Marke Paramount seine Mainstream-Ware an - und unter dem Namen Nickelodeon das Kinderprogramm.
Vieles hängt für Playboy davon ab, ob die Strategie der getrennten Namen funktioniert. Bleichroeder-Analyst Routh gibt Hefner zwei Jahre, um ihre Pläne umzusetzen und Profit-Ströme zum Fließen zu bringen. Scheitere sie - dann könnten die Marke Playboy und das Lebenswerk Hugh Hefners ausverkauft und von einem Medienriesen geschluckt werden. |