Von Frank Lansky
Ausschlafen vor dem Jahresendspurt
Gut, dass nicht immer Thanksgiving ist: Die Börsen schlummerten in der vergangenen Woche vor sich hin, kaum einmal gab es Aufregendes zu berichten. Selbst die sonst so gerne gesehenen Ad-Hoc-Meldungen selbst ernannter Weltmarktführer vom Neuen Markt liefen nur spärlich über die Ticker. In der kommenden Woche wird das anders: Dann kehrt das Kapital an die Börse zurück. Wetten? Frank Lansky
Es war eine wahrlich politische Börsenwoche: Die Front der Taliban in Afghanistan bröckelte in sich zusammen, Amerika setzte eine Kopfprämie von 25 Millionen US-Dollar Osama bin Laden aus. Angesichts des Feiertages am Donnerstag hielten die Börsianer dennoch ihr Geld zusammen oder nutzten die ruhigen Tage für Gewinnmitnahmen. Das dürfte sich ändern, weil jetzt die Fondsmanager zum Window-Dressing ansetzen. Das heißt, dass Fonds liquide Mittel reduzieren und sich aus Marketing-Gründen Gewinneraktien ins Depot legen.
Billige Aktien einsammeln läss sich immer dann gut, wenn die Stimmung schlecht ist. Und Deutschlands Industrie sucht verzweifelt nach dem Boden – findet ihn aber nicht. Der Ifo-Geschäftsklima-Index für Westdeutschland ist im Oktober von 85,0 auf 84,7 Punkte gesunken. Analysten waren von einem unveränderten Indexstand ausgegangen. Damit steigt die Rezessionsgefahr, und das hält den Druck auf die Notenbanker aufrecht. Kein Wunder, dass in der vergangenen Woche häufiger die Rede war von Frühzyklikern: Konjunktur sensible Aktien sind wegen der Hoffnung auf einen Aufschwung zuletzt wieder in den Blick der Käufer geraten.
Umbau bei VW – Gute Zahlen bei RWE
Mit dazu gehört Volkswagen: VW gab wie erwartet offiziell seine Zwei-Säulen-Strategie bekannt. Der neue Konzernchef Bernd Pischetsrieder wird voraussichtlich recht schnell Überschneidungen bei den Marken beseitigen. Für die VW-Aktie sind dies gute Vorzeichen. Vor allem, da sich das Unternehmen in seiner Informationspolitik zu bessern scheint. Dass sich die Opec und Russland nicht auf Förderkürzungen einigen konnten, ist auch ein gutes Zeichen für den Autosektor.
Darüber freuen wird sich auch die Deutsche Lufthansa: Nach der Terrorkrise braucht sie nicht auch noch höheren Kerosinpreise. Der Konzern kämpft darum, einen Verlust im laufenden Geschäftsjahr abzuwenden. Mit der Drohung, nun doch betriebsbedingte Kündigungen in Betracht zu ziehen, hat die Fluggesellschaft zumindest die Gewerkschaften an den Verhandlungstisch zurück gebracht. Allerdings machten Spekulationen um eine angeblich bevor stehende Wandelanleihe sowie die Meldung, dass die staatlichen Hilfen nach dem 11. September geringer als erwartet ausfallen, jegliche Erleichterung zunichte. Die Aktie ist noch nicht über den Berg.
Der Energiekonzern RWE meldete Solides: Das Unternehmen hat im ersten Quartal des laufenden Rumpfgeschäftsjahres gut verdient. Das operative Ergebnis beträgt 903 Millionen Euro und übertrifft damit leicht den Analystenkonsens. Auch Nettoergebnis und Außenumsatz können überzeugen. Da RWE kräftig expandiert und das Unternehmen steigende Strompreise durchsetzen konnte, bleiben die Aussichten vorerst positiv.
Epcos, Brokat und Consors in schwerem Gewässer
Ganz anders dagegen Epcos: Die Nachfrage nach Produkten für die Mobilfunkbranche ist gestiegen - im durchwachsenen Geschäftsergebnis von Epcos war dies einer der wenigen Lichtblicke. Mit einem Umsatzrückgang von 18 Prozent lag der Hersteller passiver Bauelemente im schwierigen vierten Quartal seines Geschäftsjahres unter den Erwartungen. Beim Ergebnis rutschte das Unternehmen mit 52 Millionen Euro sogar deutlich in die Verlustzone vor Zinsen und Steuern. Eine grundlegende Belebung der Nachfrage sieht Epcos erst Mitte 2002. Die Kurserholung hat wohl erst mal einen Dämpfer erhalten.
Zu den wenigen Firmen, die am Neuen Markt echte Aufmerksamkeit erregten, gehörte Brokat: Der E-Commerce-Software-Anbieter beantragte am Feitag Insolvenz. Das kann niemanden überraschen, denn das Unternehmen hatte am 12.November die Überschuldung gemeldet. Was für eine Story: Von fast 200 Euro auf 37 Cent in nur zwei Jahren. Den Anlegern droht Totalverlust. Dabei sind letzte Zocker-Zuckungen bei neu eintreffenden positiven Nachrichten nicht ausgeschlossen. Beispielsweise dann, wenn die Deutsche Börse AG wieder mal erfolglos versucht, einen Pleitier vom Kurszettel zu entfernen.
Noch weit vom Kursziel Null entfernt ist die Aktie von Consors: In der vergangenen Woche verdichteten sich Spekulationen, wonach die defizitäre Tochter der Schmidt-Bank verkauft werden soll. Da es aber immer schlecht ist, wenn eine Firma dringend verkauft werden soll und sich partout kein Abnehmer findet, rutschte die Aktie erst einmal kräftig ab. Wer mag schon saures Bier. Das Schicksal von Consors ist ungewiss, denn großen deutschen Banken haben schon alle eigene Internet-Töchter.
Die Chancen stehen gut, dass die kommende Woche das Signal gibt zum Jahresschlussspurt. Stimmen die Berichte über hohe Liquiditätsbestände bei den Fonds, kann es recht schnell wieder nach oben gehen.
Stand:24.11.2001
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