Schlechtere Jobchancen, kaum Heimatgefühle: Gerade hochqualifizierte junge Deutschtürken nehmen Abschied von Almanya und gehen in die Türkei. Für die Wirtschaft ist das ein Problem - doch an der Abwanderungswelle sind auch deutsche Arbeitgeber schuld. Der Anruf, der Volkan Callar endgültig aus Deutschland vertrieb, kam an einem Sommertag im Jahr 2006. Es war - mal wieder - eine Jobabsage, diesmal von einer großen Werbeagentur. Das Bewerbungsgespräch sei super gelaufen, und man wolle ihn eigentlich gern einstellen, versicherte man ihm. Aber da gebe es eine Kollegin, die habe leider ein persönliches Problem mit ihm, deshalb könne man ihm die Stelle nicht geben. Diese Absage war eine zu viel. "Ich bin Türke, nur deshalb hatte sie ein Problem mit mir", sagt Callar. "Das habe ich schon im Bewerbungsgespräch gemerkt." Spontan packte der 30-Jährige seine Sachen und wagte den Schritt in die Türkei, die Heimat seiner Eltern. Dort riss man sich plötzlich um ihn, es gab ein Bewerbungsgespräch nach dem anderen. Heute leitet er von Istanbul aus das Marketing der deutschen Siemens-Tochter Osram in der Türkei, "so einen guten Job hätte ich in Deutschland nicht bekommen". Zurück nach Deutschland will Callar, der im westfälischen Hagen geboren wurde und aufwuchs, nicht mehr. Er ist einer von vielen. Reihenweise zieht es junge, gut qualifizierte Deutschtürken nach ihrer Ausbildung in die Türkei. In einer aktuellen Studie zu den Einstellungen deutschtürkischer Akademiker und Studenten kommt das Krefelder sozialwissenschaftliche Institut Futureorg zu dem Ergebnis, dass fast 40 Prozent von ihnen planen, in das Land ihrer Eltern auszuwandern. Von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt hat ein "Brain Drain" eingesetzt, der für die Zukunft Deutschlands gefährlich werden könnte: der Exodus der Mustermigranten. "In der Türkei bin ich etwas Besonderes" Schuld daran sind auch die deutschen Arbeitgeber - weil sie Deutschtürken und andere Bewerber mit ausländischen Namen bei der Mitarbeitersuche benachteiligen. Nach einer OECD-Studie aus dem Jahr 2007 sind in Deutschland Akademiker mit Migrationshintergrund fast dreimal so häufig arbeitslos wie Akademiker ohne Migrationshintergrund (12,5 zu 4,4 Prozent). Eine strukturelle Diskriminierung, unter der auch Volkan Callar immer wieder gelitten hat: "Ich wollte es lange nicht wahrhaben, aber wenn es hart auf hart kam, war ich bei der Jobsuche als Türke klar im Nachteil." Außerdem ist der Arbeitsmarkt in Deutschland insgesamt viel enger und das Wirtschaftswachstum langsamer als in der Türkei, wo gerade internationale Firmen händeringend nach gut ausgebildetem Personal suchen. Junge Uni-Absolventen aus Europa, die auch noch türkisch sprechen können, haben besonders gute Chancen. "In Deutschland bin ich nur einer von vielen", berichtet der diplomierte Betriebswirt Callar, "in der Türkei bin ich etwas Besonderes." [...] http://www.spiegel.de/unispiegel/jobundberuf/0,1518,645054,00.html ----------- oliweleid |