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Fast eine Milliarde Dollar Verlust
Der ums Überleben kämpfende Smartphone-Pionier BlackBerry soll für 4,7 Mrd. Dollar (3,5 Mrd. Euro) an eine Investorengruppe gehen. Darauf habe man sich grundsätzlich verständigt, teilte BlackBerry am Montag mit. Nach dramatischen Verlusten hatte sich BlackBerry selbst zum Verkauf gestellt.
Noch ist der Verkauf aber nicht in trockenen Tüchern. Zunächst will die Finanzfirma die Bücher von BlackBerry studieren, wofür sie sich sechs Wochen Zeit ausgebeten hat. Bis zum Abschluss einer Übernahme kann auch noch ein alternativer Käufer auftauchen. Der von dem Deutschen Thorsten Heins geführte Konzern soll nach dem Verkauf den Plänen zufolge von der Börse genommen werden.
„Kanadischer Warren Buffett“ schlägt zu
Treibende Kraft hinter der am Montag verkündeten Übernahmeofferte ist Prem Watsa, Chef von Fairfax Financial. Der Manager mit indischen Wurzeln wird auch der „kanadische Warren Buffett“ - nach dem US-Starinvestor mit dem scheinbar untrüglichen Sinn fürs Geld verdienen - genannt. BlackBerry ist für Watsa kein unbekanntes Terrain. Der Investor besitzt bereit zehn Prozent an BlackBerry und saß im Aufsichtsrat, legte sein Amt aber zurück, als BlackBerry seine Verkaufsabsichten öffentlich machte.
Watsa erklärte, er wolle eine langfristige Strategie verfolgen, die sich darauf konzentriere, BlackBerry-Kunden rund um die Welt sichere Unternehmenslösungen zu liefern. Erst am Wochenende räumte das Unternehmen einen Verlust von fast einer Milliarde Dollar im vergangenen Geschäftsquartal ein und kündigte gleichzeitig die Streichung von weiteren 4.500 Jobs an.
Schleppender Verkauf der aktuellen Geräte
Die „schwierigen, aber notwendigen Veränderungen“ seien eine Reaktion auf die Marktposition des Unternehmens und sollen BlackBerry näher zur Gewinnzone bringen, so Heins am Freitag. Das Unternehmen hatte in diesem Jahr in der Hoffnung auf eine Wende das neue Betriebssystem BlackBerry 10 gestartet. Die damit ausgestatteten Smartphones verkaufen sich bisher jedoch schlechter als erhofft.
Im vergangenen Geschäftsquartal verbuchte BlackBerry einen Absatz von 3,7 Millionen Smartphones, ein Großteil davon seien noch Geräte mit dem alten System BlackBerry 7 gewesen. An den Handel seien zwar mehr Smartphones ausgeliefert worden, sie könnten aber erst berücksichtigt werden, wenn sie an Kunden verkauft werden, so BlackBerry.
Marktanteil rapide gesunken
Nach Zahlen des US-Marktforschers IDC sank der BlackBerry-Anteil auf dem Smartphone-Markt schon im zweiten Kalenderquartal von rund fünf auf drei Prozent. Marktführer Samsung setzt pro Quartal alleine etwa 70 Millionen Geräte ab. Das am Freitag im Handel gestartete neueste iPhone-Modell 5S von Apple war laut Medienberichten vor allem in der neuen Goldvariante bereits nach kurzer Zeit ausverkauft. Der Vorgänger iPhone 5 verkaufte sich binnen weniger Tagen laut Hersteller über neun Millionen Mal. Zuletzt hatte BlackBerry laut eigenen Angaben rund 80 Mio. aktive Nutzer.
Vor allem Apples iPhone setzte BlackBerry wie schon Nokia enorm zu. Das 2007 gestartete Apple-Smartphone wirbelte die gesamte Branche auf und setzte den unaufhaltsamen Trend zum Touchscreen durch - Tastaturhandys mit einem aktuellen Betriebssystem sind eine echte Seltenheit geworden. Auch BlackBerry setzt mittlerweile ganz auf berührungsempfindliche Displays, auch bei seinen Tastaturgeräten. Aktuell soll das BlackBerry Z30 mit seinem Fünfzolldisplay für mehr Nutzer sorgen - vor allem bei Firmen- und Profinutzern.
Für Sicherheit bekannt
Lange Zeit galt BlackBerry gerade bei Geschäftskunden wegen seines E-Mail-Pushdienstes als bevorzugte Wahl. In manchen Ländern wie Großbritannien nutzten aber auch viele Privatkunden das System, das nicht zuletzt für seine Abhörsicherheit und die verlässliche Synchronisierung von Daten, Kontakten und Terminen beliebt war. Doch wie schon Nokia machte BlackBerry angesichts der neuen Konkurrenz durch das iPhone einige strategische Fehler. So war das erste Touchtelefon von BlackBerry, der Storm, eine eher verunglückte Interpretation eines berührungsempfindlichen Displays: Bei dem Gerät musste der ganze Bildschirm für die Eingabe gedrückt werden.
Zahlreiche Verzögerungen
Auch die Entwicklung der zugrunde liegenden Software verzögerte sich, unter Begleitung vom Wechsel der gesamten Konzernspitze, lange Zeit, wodurch der Anbieter noch weiter ins Hintertreffen geriet. Das aktuelle BlackBerry-System 10 kam erst Anfang 2013 auf den Markt, die Vorgängerversion 7 erschien im Mai 2011.
Eigentlich hätte BlackBerry 10 bereits Anfang 2012 erscheinen sollen. Gerade im schnelllebigen Handymarkt sind derart lange Zyklen eine kleine Ewigkeit. Das PlayBook des Herstellers, der damals noch Research in Motion (RIM) hieß, musste trotz grundsätzlich guter Kritiken komplett abgeschrieben werden. |