(link in # 986)
...Wagenknecht argumentiert gegen Identitätspolitik, aber nicht, weil sie Sexistin wäre oder Rassistin, sondern weil sie Klasse für die wichtigere Kategorie hält als Race und Gender, ihre Diagnose: Die gut bezahlten Jobs werden heute kulturell divers besetzt, aber sozial so homogen wie nie zuvor. »Das Quoten- und Diversity-Theater« spiele sich ausschließlich in den höheren Rängen von Wirtschaft, Verwaltung und Politik ab, »selbst die Emanzipation der Frau war in erster Linie eine Emanzipation der Akademikerinnen.« Wenn eine Reinigungskolonne ihre Putzfrauen rekrutiert, pardon: Raumpflegekräfte, fragt niemand nach Diversity.
Wagenknecht argumentiert gegen Fridays for Future, aber nicht, weil sie eine Klimawandelleugnerin wäre, sondern weil sie Fridays for Future für eine Bewegung bessergestellter junger Menschen hält, die sich um die Zukunft der Welt sorgen können, weil sie sich um die eigene nicht sorgen müssen. Der Fokus liege zu sehr auf Konsum und Konsumverzicht. Wagenknecht hingegen fordert, dass wir anders produzieren müssten, regionaler vor allem und ressourcenschonender.
Wagenknecht argumentiert für den Nationalstaat, aber nicht, weil sie Europafeindin wäre, sondern weil sie es ohne Nationalstaat derzeit für unmöglich hält, für jene soziale Umverteilung zu sorgen, die ihr vorschwebt; eine Solidargemeinschaft verlangt nach einem starken Zusammengehörigkeitsgefühl.
Wagenknecht argumentiert gegen eine lockere Einwanderungspolitik, aber nicht, weil sie Nationalistin wäre, sondern weil sie viele Migrationsverlierer sieht: auf globaler Ebene die ärmeren Länder, bei uns die ärmere Hälfte der Bevölkerung, »zu der großenteils auch die Kinder und Enkel früherer Migranten gehören«. Es sei doch kein Zufall, dass diejenigen, die ohnehin schon für niedrige Löhne arbeiten, Zuwanderung anders bewerten als Besserverdiener, »die sich über ein billiges Kindermädchen oder einen preiswerten Klempner freuen.«
Man muss all das nicht richtig finden. Aber es ist unlauter, Wagenknecht wegen solcher Positionen in die rechte Ecke zu stellen, wie das Teile ihrer Partei in den vergangenen Tagen getan haben. Die Debatte über ihr Buch, das ist die eigentliche Pointe, hat manche der Buchinhalte bestätigt.... |