LB Rheinland-Pfalz Analyst: Thomas Hofmann 15. Dezember 2004
THYSSENKRUPP AG WKN 750000 Branche Eisen/Stahlindustrie Land Deutschland Kurs bei Besprechung 16,19 Euro Datum 15.12.2004
ThyssenKrupp-Aktie hinkt anderen Stahl-Titeln hinterher ThyssenKrupp legte im abgelaufenen Geschäftsjahr das beste Ergebnis seit bestehen des Konzerns vor. Vor allem die Stahlsparte konnte auf Grund des günstigen Umfeldes einen Gewinnsprung erzielen. Thomas Hofmann von der Landesbank Rheinland-Pfalz rechnet auch für 2005 mit einer „extrem guten Entwicklung der Stahlnachfrage“.
„Die Stahlindustrie ist einer der Wirtschaftszweige, deren Situation sehr eng mit der allgemeinen konjunkturellen Entwicklung verknüpft ist“, erklärt Thomas Hofmann. „Diese Zyklik verdankt die Branche der breiten Anwendungsbasis des Werkstoffs Stahl“, führt der Analyst von der Landesbank Rheinland-Pfalz weiter aus. Die 2000 unterschiedlichen Stahlsorten kommen in fast allen wichtigen, ebenfalls mehrheitlich zyklischen Industriesektoren zur Anwendung. Im ersten Teil des großen Stahl-Interviews sprechen wir mit Thomas Hofmann über die Hintergründe des Stahlbooms.
AC: Herr Hofmann, im vergangenen Jahr wurden weltweit 962,5 Mio. Tonnen Rohstahl hergestellt. Wer ist für diese Rekordproduktion verantwortlich?
Hofmann: Der Löwenanteil der Weltproduktion entfiel in 2003 mit 46% auf Asien, wobei alleine China mit 220 Mio. Tonnen 23% auf sich vereinigt. Zweitgrößter Stahlproduzent ist Europa mit 21,7%, gefolgt von Nordamerika mit 12,8% und den ehemaligen Ostblockstaaten mit einem Anteil von 11%. Relativiert man zur Veranschaulichung dieser nicht vorstellbaren Menge die Gesamtrohstahlproduktion durch die Anzahl der Erdbewohner, so wurden im letzten Jahr pro Erdenbürger knapp 150 kg Rohstahl hergestellt.
AC: Zuletzt wurde die Angst geschürt, dass der Stahlboom abebbe, da vor allem in China das Wachstum zurückgehe. Was sagen Sie zu dieser These?
Hofmann: Auch wenn sich die Dynamik der Entwicklung im kommenden Jahr abschwächen sollte, ist die weltweite Stahlindustrie weit davon entfernt, wieder in den nächsten zyklischen Abschwung abzudriften. Das prognostizierte Weltwirtschaftswachstum sowie die erwartete Entwicklung in den für die Stahlsbranche maßgeblichen Regionen in Asien weisen auf einen weiterhin hohen Stahlverbrauch hin. Der Aufbau von Kapazitäten wird nur marginal zu einer Entspannung beitragen, so dass die Stahlunternehmen einem weiteren ertragsstarken Jahr entgegensehen.
AC: Die Stahlbranche gehörte im bisherigen Jahresverlauf zu den Sektoren, deren Aktien hohe Kurszuwächse erzielten. Was macht die Stahltitel so stark?
Hofmann: Hintergrund dieser Entwicklung ist die aus Sicht der Stahlhersteller extrem gute Entwicklung der Nachfrage. Dank der prosperierenden Weltwirtschaft, die 2004 ein Wachstum von über 4% erzielen dürfte, und speziell der hohen Nachfrage aus China ist Stahl zu einem knappen Gut geworden. Die Stahlgießer arbeiten mit maximaler Auslastung und denken erstmals seit längerer Zeit wieder über eine Ausweitung der Kapazitäten nach. Die nicht ausreichenden Kapazitäten ziehen sich allerdings durch alle Stufen der Wertschöpfungskette.
AC: Können Sie das einmal näher erläutern?
Hofmann: Sicher. Angefangen von Eisenerz, Stahlschrott und Kokskohle über die Frachtraten bis hin zu den genannten Stahlwerken reicht das Angebot nicht aus, die enorme Nachfrage zu stillen. Resultat dieser noch vor einigen Jahren für unmöglich gehaltenen Entwicklung sind drastische Preissteigerungen auf allen Ebenen. So kündigte zum Beispiel Nissan vor kurzem an, die Produktion auf Grund mangelnder Stahlversorgung für einige Tage einzustellen. Vor allem den europäischen Stahlherstellern kam dabei die Währungsentwicklung zugute, die eine Abfederung der Rohstoffkosten zur Folge hatte.
AC: Da kommt es nicht von ungefähr, dass die Stahlkonzerne rekordverdächtige Quartalsergebnisse vorgelegt haben.
Hofmann: Das kann man wohl sagen. Die Unternehmen Corus und Outokumpi haben den Turn-auround geschafft, Acerinox, Arcelor, Rautaruuki, Salzgitter und ThyssenKrupp konnten das Vorsteuerergebnis mehr als verdoppeln und Böhler Uddeholm sowie Voestalpine schafften immerhin einen gut zweistelligen Zuwachs. Es ist hervorzuheben, dass die genannten Unternehmen im Durchschnitt die Ergebnisse mehr als verdoppeln konnten – und das bei einem Umsatzzuwachs von knapp 20%.
AC: Stichwort ThyssenKrupp: Die Kursentwicklung bei dem DAX-Konzern lässt aber noch einige Wünsche offen, oder?
Hofmann: Das ist richtig. Obwohl ThyssenKrupp hinsichtlich der Ergebnisentwicklung nicht negativ aus den oben genannten Unternehmen hervorsticht, hat der Aktienkurs im bisherigen Jahresverlauf nicht mit der Kursentwicklung der Wettbewerber mithalten können. Mehr als die Hälfte der 16 im Bloomberg-Stahlindex enthaltenen Titel konnten seit Ende 2003 eine Performance von über 50% erzielen und vier Titel mehr als 30%. Weit abgeschlagen liegt ThyssenKrupp mit nur 6% am Ende. |