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31.03.09, 14:57
Wie schlecht geht es der Hypo Real Estate wirklich?
Der Fall Hypo Real Estate: Grünen-Finanzexperte Schick sagt, warum der Freitag Schicksal spielt – und das Grauen größere Ausmaße haben könnte als bekannt. ddp Gerhard Schick, finanzpolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag Für die Hypo Real Estate (HRE) geht es in diesen Tagen um alles oder nichts. Am vergangenen Wochenende teilte der Immobilienfinanzierer mit, er habe im vergangenen Jahr mehr als fünf Milliarden Euro Verlust gemacht. Das Eigenkapital reicht nicht mehr.
Bereits seit Monaten schlägt sich der Staat mit der maroden Bank herum, hat in mehreren Rettungsschritten insgesamt 87 Milliarden Euro an Garantien lockergemacht. Jetzt geht es ans Eingemachte: Der Bund will die Altaktionäre enteignen und selbst das Zepter übernehmen.Die Märchen der BankenretterFinanzpolitischer Sprecher der Grünen
Das entsprechende Gesetz muss am Freitag den Bundesrat passieren. Ob das klappt, ist ungewiss. Einige Länder haben bereits mit dem Vermittlungsausschuss gedroht, sie fordern mehr Staatsgeld für ihre taumelnden Landesbanken.
Gerhard Schick ist finanzpolitischer Sprecher der Grünen und Mitglied im Finanzausschuss des Bundestages. Zusammen mit Kollegen von FDP und Linke hat der Politiker einen Untersuchungsausschuss zum Fall Hypo Real Estate durchgedrückt.
Im Interview mit FOCUS Online sagt Schick klipp und klar, was passieren dürfte, wenn der Bundesrat am Freitag mauert. Es droht der Gau.
FOCUS Online: Am Freitag muss der Bundesrat über das Enteignungsgesetz für die Hypo Real Estate entscheiden. Was passiert, wenn die Länder kein grünes Licht geben?
Gerhard Schick: Das wäre dramatisch. Die Finanzaufsicht Bafin sagt uns, dass es jetzt auf jeden Tag ankommt. Die Verzögerung durch den Bundesrat ist deshalb unverantwortlich. Die Finanzaufsicht würde sich wohl gezwungen sehen, die Bank zu schließen, wenn das Gesetz am Freitag nicht beschlossen wird und deshalb der Weg für die Verstaatlichung nicht freigemacht wird.
FOCUS Online: Am Wochenende hat der Staat für 60 Millionen Euro bereits Anteile an der HRE gekauft. Wie sehen Sie den Einstieg?
Schick: Der Schritt war ohne Alternative – ebenso wie die völlige Verstaatlichung ohne Alternative sein wird. Der Bund hat bereits Risiken in Höhe von 87 Milliarden Euro auf die Bücher der Bürger genommen, für diese Summe steht er gerade. Es gibt keinen Weg zurück. Ein Zusammenbruch der HRE hätte wohl dramatische Auswirkungen auf das Finanzsystem.
FOCUS Online: Sie reden wie Finanzminister Steinbrück – dabei gehen Sie ihn in Sachen HRE scharf an.
Schick: Steinbrück gibt den harten Krisenmanager – die Fakten sind leider anders: eine Fehleinschätzung nach der anderen. Und sein Ministerium mauert und beruft sich auch dort, wo es nicht um Geschäftsgeheimnisse geht, auf Geheimhaltungspflichten. Wir haben einen Untersuchungsausschuss beantragt, weil wir viele Dinge nicht bewerten können. Wie sehr ist die Hypo Real Estate mit anderen Banken verflochten? Welche Geschäftspartner der HRE profitieren von staatlichen Milliarden? Warum brauchte man mehrere Rettungsrunden? All diese Fragen stehen im Raum.
„Die Bank hat einen Minuswert“
Verschwörungstheorie um die Hypo Real Estate FOCUS Online: Die offizielle Version geht so: Nach dem Zusammenbruch der US-Bank Lehman Brothers Mitte September 2008 trocknete der Geldmarkt aus. Die Hypo Real Estate bekam plötzlich kein Geld mehr, ihre Tochter Depfa konnte kurzfristige Darlehen nicht mehr ablösen. Der Bund schnürte über Nacht ein Rettungspaket für die HRE – um das Finanzsystem vor dem Kollaps zu bewahren und besonders den beliebten Pfandbrief zu schützen.
Schick: An dieser Version gibt es Zweifel. Spätestens seit der Beinahe-Pleite der US-Investmentbank Bear Stearns im Frühjahr 2008 war klar: Banken können wackeln. Schon 2007 machte die Finanzaufsicht Bafin darauf aufmerksam, dass man Holdings wie die HRE besser überprüfen müsse. Da stellt sich die Frage, ob der Staat die Bank schon früher zu wesentlich geringeren Kosten hätte retten können. Die Krise wurde im Finanzministerium lange Zeit völlig unterschätzt – dafür trägt der Finanzminister die Verantwortung. Als sich die Lage zuspitzte, versäumte Steinbrück, dem Staat eine Kontrolle bei der HRE zu sichern. Allein die Tatsache, dass es mehrere Rettungsrunden braucht, zeigt doch: Entweder man war im September schlicht nicht im Bilde – oder man wollte das wahre Ausmaß des HRE-Desasters bewusst verschleiern.
FOCUS Online: Aber die prekäre Lage der Depfa war doch offenkundig.
Schick: Aber war das der einzige Grund? Vielleicht ist es doch so, dass die Probleme nicht nur mit der Depfa zusammenhängen. Die HypoVereinsbank hat im September 2003 Immobilienkredite in die HRE ausgelagert. Es gab schon damals Hinweise, dass das Immobilienportfolio nicht makellos war, die Abspaltung nicht ohne Grund erfolgte. Man muss prüfen, was wirklich in den HRE-Büchern stand – und ob die ehemalige Mutter HypoVereinsbank im September 2008 noch für Teile hätte haften müssen.
FOCUS Online: Was gefällt Ihnen nicht an dem Argument, der Pfandbrief habe geschützt werden müssen?
Schick: Auch dieses Argument wirft viele Fragen auf. Der Pfandbrief ist besichert mit Immobilienkrediten, die in einer Deckungsmasse zusammengefasst sind. Die Deckungsmasse ist auch im Fall einer Insolvenz der Pfandbriefbank geschützt, es ist eine Art Sondervermögen. Eine Insolvenz der Hypo Real Estate berührt den Wert der Pfandbriefe theoretisch nicht.
FOCUS Online: Was schließen Sie daraus?
Schick: Entweder die Deckungsmassen reichen nicht – dann hätte nicht nur die Hypo Real Estate ein Problem. Man müsste in diesem Fall das Problem wesentlich umfassender angehen. Oder aber das Argument Pfandbrief ist nur vorgeschoben. Dann gäbe es bei der HRE einen Abgrund, von dem wir noch nichts wissen. Das muss der Finanzminister erklären. |