Nach Ansicht von Analyst Jochen Reichert (SES Research) profitieren vor allem Fluxx und Tipp 24 vom Beschluss des Bundeskartellamts zur Liberalisierung des Lottovertriebs. Auswirkungen auf private Sportwettenanbieter sieht er nicht. Bild zum Artikel Jochen Reichert, Analyst von SES Research, ist auf Lotto-Aktien spezialisiert
boerse.ARD.de: Wie interpretieren Sie den Beschluss des Bundeskartellamts, den Lotto-Markt auch für private Lottovermittler zu öffnen? Nutzt dies nur Fluxx?
Reichert: Die Zulassung des stationären Vertriebs nutzt vor allem Fluxx. Darauf hat das Unternehmen lange gewartet. Nun gibt es endlich Rechtssicherheit. Die Auslieferung der Lotto-Terminals in Supermärkten und Tankstellen wird sich beschleunigen. Außerdem dürfte Fluxx weitere potenzielle Vertragspartner gewinnen.
boerse.ARD.de: Also ist Fluxx der große Gewinner?
Reichert: Ja, allerdings wird der Beschluss zu einer verstärkten Konkurrenz im stationären Lottovertrieb führen. Weitere Firmen werden mit stationären Lösungen auf den Markt kommen und Fluxx den First-Mover-Vorteil nehmen. Darüber hinaus gibt es weitere Risiken, die auf Fluxx lasten. Das große Fragezeichen bleibt der Verbraucher. Man weiß nicht, wie der Konsument die neuen Terminals in Supermärkten oder Tankstellen annehmen wird. Hinzu kommt, dass im Sportwetten-Bereich weiter eine erhebliche Rechtsunsicherheit herrscht. Das belastet Fluxx. Im zweiten Quartal machten die Hamburger 30 Prozent ihres Umsatzes im Sportwettengeschäft. Mehr zum Top-Thema
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boerse.ARD.de: Wer profitiert noch vom Beschluss der Kartellwächter?
Reichert: Die Entscheidung des Bundeskartellamts hilft auch Tipp 24, die auf die Vermittlung über das Internet spezialisiert ist. Man kann davon ausgehen, dass sich die Verhandlungsposition privater Lottovermittler verbessert und dass so die Provisionen, die Tipp 24 von Lottogesellschaften erhält, steigen werden.
boerse.ARD.de: Warum steigen am Markt nicht nur die Aktien von privaten Lottovermittlern, sondern auch von Sportwettanbietern wie Bwin? Hat der Beschluss des Bundeskartellamts auch Auswirkungen auf das Sportwetten-Geschäft?
Reichert: Die Entscheidung des Bundeskartellamts hat nichts mit Sportwetten, sondern nur mit dem Lotteriemarkt zu tun. Die geforderte Liberalisierung des Lottovertriebs lässt offenbar einige Marktteilnehmer darauf spekulieren, dass nun auch der Sportwettenmarkt geöffnet wird. Nur so lässt sich erklären, dass die Bwin-Aktie steigt.
boerse.ARD.de: Sind die Spekulationen berechtigt?
Reichert: Vielleicht werden die Verbote von privaten Sportwettfirmen in einigen Bundesländern nun langsamer durchgesetzt als ursprünglich geplant. Grundsätzlich schließe ich jedoch aus, dass das Bundeskartellamt zur Liberalisierung des Sportwettenmarkts Stellung beziehen wird.
boerse.ARD.de: Wie sehen Sie die kurz- und mittelfristigen Perspektiven von deutschen Lotto- und Wettaktien?
Reichert: Ich kann mich nur zu Fluxx und Tipp 24 äußern. Bei Fluxx bin ich weiterhin vorsichtig und belasse die Aktie auf "Halten". Die Reaktion der Verbraucher und die ungewisse Zukunft des Sportwettengeschäfts bleiben hohe Risiken für Fluxx. Dagegen bin ich sehr optimistisch für Tipp 24. Ich empfehle die Aktie zum Kauf und sehe das Kursziel bei 26 Euro. Das Unternehmen ist gut aufgestellt. Es hat sich auf die Vermittlung von Online-Lotto spezialisiert und verfügt bereits über einen Marktanteil von 50 Prozent im Internet.
boerse.ARD.de: Würden Sie Anlegern eher zu Lotto-Aktien oder zum Lotto-Spielen raten?
Reichert: Das muss jeder für sich selbst entscheiden.
Das Interview führte Notker Blechner. |