Anrede, im Vorfeld eines solchen Wahl-Bundeskongresses findet ja das ein oder andere Telefonat statt. Besonders wenn man erklärt, für den Bundesvorsitz zu kandidieren. Ich wurde bei diesen Telefongesprächen alles mögliche gefragt. Warum ich mich eigentlich für dieses Amt bewerbe, wofür ich stehe und was ich als Bundesvorsitzender der JuLis vorhabe – das war dabei erstaunlicherweise gar nicht das wichtigste Thema. Deshalb werde ich diese Fragen heute beantworten: Ich will • dass die Jungen Liberalen als eigenständiger und von der FDP unabhängiger Jugendverband dem Liberalismus in Deutschland ordentlich Dampf machen.Ich will • dass wir JuLis gemeinsam einen erfolgreichen Europawahlkampf hinlegen, damit ein JuLi im nächsten Europäischen Parlament sitzt.Ich will • dass wir bei den vielen Landtags- und Kommunalwahlkämpfen die nun anstehen möglichst viele engagierte JuLis in die Parlamente bringen. Denn: Baden-Württemberg, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen leiden derzeit allesamt bestimmt nicht an einer Überdosis Liberalismus.Und ich will • dass wir JuLis die Themen Bürgerrechte, Bildung und Generationengerechtigkeit scharf und profiliert in die Öffentlichkeit und in die FDP bringen.Dafür ist es höchste Zeit. Denn, Anrede, die FDP macht zur Zeit vermutlich nicht nur mir Sorgen. Guido Westerwelles Thesenpapier „Frei und Fair“ sollte ein programmatischer Befreiungsschlag sein. – Ich weiß ja nicht, wie es Euch geht, aber ich sehe nicht viel davon. Ein bisschen Bewegung bei der Frage Meisterzwang hier und ein bisschen Betonen der Begriffe Bürgerrechte und Bürgergeld dort, ist noch lange keine programmatische Neuausrichtung. Übrigens Herzlichen Glückwunsch an Guido für seine Einsicht, dass bei der Abschaffung des Meisterzwangs doch nicht gleich alle Schulen abrennen. Was mich aber derzeit ganz besonders bewegt, ist die Frage der Bürgerrechte. Die grausamen Terroranschläge der jüngsten Zeit haben zu dem abstrusen Wettbewerb geführt, der da heißt: Wer bietet das schärfste Gesetz? Law und Order ist plötzlich kein Schimpfwort mehr, sondern wird irgendwie hip. Davor kann ich nur dringend warnen. Natürlich wollen auch Liberale sicher leben. Und natürlich wollen auch wir ein Maximum an vernünftigen Maßnahmen. Aber wir gehen sicher nicht den schwarzen Sheriffs auf den Leim, die jetzt ihre Stunde kommen sehen und unter dem Eindruck der schrecklichen Terroranschläge ihre langgehegten Lieblingsideen vom allwissenden Vater Staat durchdrücken wollen – ob sie was taugen oder nicht. Die Ängste der Menschen als Ticket für die Reise in den Überwachungsstaat. Nicht mit uns Jungen Liberalen! Von der Abschaffung der Unschuldsvermutung bei Aufenthalts- und Einwanderungsfragen, bis zur dauerhaften Videoüberwachung von Moscheen... Es gibt zur Zeit scheinbar keine Idee, die so dämlich wäre, dass sie nicht publiziert wird. Alle Reden von der Verteidigung der westlichen Werte. Richtig! Das ist auch gut so! Aber was ist denn der wichtigste westliche Wert? Die Freiheit! Der Liberalismus!!! Deshalb sind wir gefragt. Und zwar heute mehr denn je! Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum großen Lauschangriff: Eine Ohrfeige für alle Law and Order Abhörer, gerade auch in der FDP. Aber aus Schaden kann man ja lernen... Deshalb gilt auch folgendes: immer nur von programmatischer Verbreiterung zu reden, das reicht nicht! Es kann doch nicht wahr sein, dass sich die FDP drei stellvertretende Bundesvorsitzende leistet, die – wenn Sie sich nicht gerade mal wieder gegenseitig bekriegen – am Stuhl des Bundesvorsitzenden sägen und die sich alle auf dem Feld der Wirtschafts- und Finanzpolitik tummeln – als gäbe es nicht auch anderes zu tun. Damit nicht genug, kommt dazu noch ein Schatzmeister, der ebenfalls gerne Wirtschaftsminister wieder werden will. Günter Rexroth hat ja im Berliner Wahlkampf Mister Wirtschaft statt Misswirtschaft plakatiert, was bei der Anzahl von Aufsichtsratsmandaten und Geschäftsführerposten auch leicht zu rechtfertigen ist. Aber ganz im Ernst: Wir könnten nach der nächsten Bundestagswahl locker 4 Wirtschaftsminister stellen, die sich alle nicht leiden können. Programmatische Verbreiterung kann so natürlich toll gelingen... Anrede, ich will als Bundesvorsitzender für die JuLis deutlich machen, dass auf dem übernächsten Parteitag eine programmatische Verbreiterung sich auch personell ausdrücken muss. Denn: Inhalte werden über Personen transportiert! Deutschland, Anrede, braucht mehr Freiheit für Wirtschaft und Arbeitsmarkt, niedrigere Steuern und nicht für jeden Mist ein Gesetz. Aber: Liberalismus, das ist mehr als der wirtschaftsfreundliche Arm der CDU. Denn bei allem Ärger und allem Frust über das bescheidene Abschneiden bei der Wahl in Hamburg, gibt es wenigstens einen positiven Aspekt des Wahlausgangs. Die ganzen Besserwisser, die nach der Bundestagswahl 2002 breit grinsend durch die Partei gelaufen sind und erzählt haben, hätten wir eine Koalitionsaussage gemacht, wäre alles besser gewesen, denen zeigt doch das Ergebnis von Hamburg eindeutig: Eine Partei, die sich auf eine Koalitionsaussage reduziert, macht sich selbst überflüssig! Wer Ole will, muss eben nicht FDP wählen, sondern CDU. Wer eine liberale Politik will, der muss FDP wählen! Allerdings, bei aller Kritik an der viel zu ruhigen FDP, muss ich zugeben, dass es für eine Partei auch durchaus lohnend sein kann, in der Öffentlichkeit keine Rolle mehr zu spielen: Schaut Euch nur die Grünen an. Von ihnen hört man nichts mehr und die Umfragewerte steigen. Es ist natürlich nicht überraschend, dass es für die Grünen besser ist, wenn sie nichts sagen als wenn sie den Mund aufmachen. Denn wir wissen ja alle: Alles was Spaß macht ist verboten, ungesund oder die Grünen sind dagegen! Dass dann auch noch viele SPD-Wähler glauben, sie wären bei den Grünen besser aufgehoben, als bei den orientierungslosen Genossen, verwundert einen schon. Ich bin ja ein Mensch, der differenziert denkt. Aber was die Grünen veranstalten, kann man wirklich nur noch als Murks bezeichnen: Schwachsinnige Übersubventionierung von Windrändern, die Außenpolitik findet im Kanzleramt statt, das Verbraucherhuhn Künast gackert schon lange nicht mehr und dann auch noch das Dosenpfand. Alleine von dieser Aufzählung bekommt ein normaler Mensch Kopfschmerzen! Und die SPD? Auf deren politische Glanzleistungen will ich gar nicht eingehen. Sonst kommen zu den Kopfschmerzen noch Krämpfe. Aber einen Punkt halte ich wirklich für einen Skandal. Da stellen die Genossen mit Martin Schulz einen Spitzenkandidaten auf, eigentlich ein Hinterbänkler, der nur durch seine Attacken gegen Berlusconi bekannt geworden ist. Und genau die gleiche SPD, der schon ein Großteil der Zeitungen im Osten, aber auch viele im Westen gehören, genau die SPD mit Martin Schulz kauft sich jetzt mal eben so die Frankfurter Rundschau. Natürlich bleibt die Redaktion unabhängig und der Spitzenkandidat zur Europawahl glaubwürdig. Für wie blöd halten die eigentlich die Öffentlichkeit? Anrede, ich möchte gemeinsam im Team mit dem neuen Bundesvorstand die Schwerpunktkampagnen Bildung und Bürgerrechte fortführen. Gerade in der Bildungspolitik müssen wir als Jugendverband Flagge zeigen, egal ob es die Diskussion über Elitehochschulen ist, in der die Bundesregierung versucht nun auch noch Einfluss auf Wissenschaft und Lehre zu bekommen oder eine Reform der beruflichen Bildung. Ich will allerdings die Kampagnen wesentlich konkreter und pointierter in der Aussage gestalten – schließlich haben wir ja auch nicht eine Kampagne zur Verteidigungspolitik geführt, sondern zur Abschaffung der Wehrpflicht. Gleiches gilt natürlich für die Kampagne Bürgerrechte. Hier gibt es eine Vielzahl von Themen. Zum Beispiel Toll Collect: früher nannte man das ja Raubrittertum - aber ich sehe auch ich eine bislang nicht diskutierte Gefahr: Wenn ich an die potentiellen Überwachungsmöglichkeiten die das System bietet, denke, und an die Schwesterfirmen von Toll Collect, die diese Überwachungssysteme verkaufen, dann wird mir richtig übel. Anrede, hier müssen wir als Liberale den Finger in die Wunde legen, denn es ist ganz bestimmt nicht liberal, wenn Herr Schily und Herr Beckstein nachlesen können, wann Du wo mit wem wie lange warst. Und was Du gemacht hast. Hier werden wir Flagge zeigen. Wirtschaft, Bildung, Bürgerrechte – Die ganze Palette. So klappts auch mit der Mitgliedergewinnung. Wir hatten in den letzten Jahren einen starken Mitgliederzuwachs. Aber wir müssen uns stärker anstrengen, damit das auch so bleibt. Deshalb will ich nach der Europawahl, gemeinsam mit Bundesvorstand und Landesvorsitzenden, einen Baukasten für eine Mitgliederwerbekampagne entwickeln. Die Mitglieder müssen in erster Linie ja durch euch in den Kreisverbänden gewonnen werden. Es gibt dazu Angebote von Landesverbänden und Bundesverband. Ich möchte dieses Wissen zusammenführen und in einem gemeinsamen System dem ganzen Verband zur Verfügung stellen. Nur wenn wir unsere Kräfte bündeln, werden wir weiterhin bei der Mitgliederwerbung erfolgreich sein. Anrede, was ich euch eben vorgetragen habe, ist ein umfangreiches Programm. Es wird eine Herausforderung werden, das alles im Team mit dem Bundesvorstand und den Landesverbänden zu schultern. Aber ich nehme die Herausforderung gerne an. Ich bin mir sicher, dass wir das zusammen schaffen können. Dafür brauche ich aber Euer Vertrauen und Eure Unterstützung – und um die bitte ich euch jetzt. Absoluter Neuling Schildkröten sind keine Kreisel. [Bart Simpson] |