Der Apostel - Rilkes Plädoyer für Auschwitz
...Der, den sie als Messias preisen, hat die ganze Welt zum Siechenhaus gemacht. Die Schwachen, Elenden, Hinfälligen nennt er seine Kinder und Lieblinge. Und die Starken, die sind dazu da, diese kraftlose Brut zu beschützen, zu besorgen, zu bedienen!? Und wenn ich es in mir fühle heiß, innig und himmlisch, das stürmende Drängen nach Licht, und wenn ich mit festem Fuß den steilen, steinigen Pfad der Erreichung aufwärts steige, und wenn ich es leuchten sehe, das lodernde, göttliche Ziel, - dann soll ich mich zu dem Krüppel bücken, der am Wege zusammengesunken dahockt, soll ihn loben, aufrichten, mitschleppen und soll meine fiebernde Kraft versichern lassen in dem ohnmächtigen Kadaver, der nach wenigen Schritten doch wieder hintaumelt? Wie sollen wir denn hinauf, wenn wir unsere Stärke den Elenden leihen, den Bedrängten, den faulen, sinn- und marklosen Schurken?
...Was schaut ihr so entsetzt? Seid auch ihr Schwächlinge, - Alle? Fürchtet auch ihr zurückzubleiben?! Bleibt! Verendet wie Hunde! Der Starke nur hat Recht zu leben. Der Starke geht - vorwärts...und die Reihen werden sich lichten; - aber wenige Große, Gewaltige, Göttliche werden sonnigen Auges das neue, gelobte Land erreichen. Vielleicht nach Jahrtausenden erst. - Und sie werden ein Reich bauen mit starken, sehnigen, herrischen Armen auf den Leichen der Kranken, der Schwachen, der Krüppel..... ........Ein ewiges Reich!"
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