SPIEGEL ONLINE - 15. Februar 2005, 19:53 URL: http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,341935,00.html
Libanon-Anschlag
USA ziehen Botschafter aus Syrien ab
Nach der Ermordung des ehemaligen libanesischen Ministerpräsidenten Hariri in Beirut ziehen die USA ihren Botschafter aus Damaskus ab. Die libanesische Opposition macht Syrien für den Anschlag verantwortlich. Der Uno-Sicherheitsrat will eine internationale Untersuchung des Attentats.
DPA Terror in Beirut: Autobombe tötet 17 Menschen, 120 wurden verletzt Beirut - Eine mögliche Verwicklung Syriens in die Ermordung Rafik Hariris gerät damit immer mehr ins Blickfeld. Die Anhänger des Getöteten machten Damaskus direkt für den Bombenanschlag verantwortlich. Bei dem Anschlag wurden neben dem gemäßigten Oppositionspolitiker 16 weitere Menschen getötet und etwa 120 verletzt.
Die USA beriefen ihre Botschafterin aus der syrischen Hauptstadt Damaskus ab. Bevor sie das Land verließ, überreichte Margaret Scobey der syrischen Regierung eine scharfe Protestnote, im diplomatischen Jargon Demarche genannt, wie ein Regierungsmitarbeiter in Washington sagte.
US-Präsident George W. Bush hatte das Attentat auf Hariri scharf verurteilt, der als langjähriger Regierungschef eine zentrale Rolle bei der Stabilisierung und wirtschaftlichen Erholung des Libanon nach dem Bürgerkrieg gespielt hatte. Ein Regierungssprecher forderte Syrien auf, einer Uno-Resolution des vergangenen Jahres Folge zu leisten und seine 15.000 Soldaten aus dem Libanon abzuziehen.
Die Europäische Union folgte dem Schritt Washingtons zunächst nicht. Der EU-Außenbeauftragte Javier Solana sagte, er sehe keine unmittelbare Notwendigkeit, die Beziehungen zu Damaskus nach dem Anschlag zu verändern. Zugleich deutete er seine Unterstützung für eine internationale Untersuchung an. Vom Weltsicherheitsrat wurde eine Erklärung erwartet, in der Uno-Generalsekretär Kofi Annan mit der Aufklärung des Attentates beauftragt werden würde. "Alles muss getan werden, um die Täter zu finden und zu bestrafen", sagte Annan in New York.
Der Tathergang blieb indes weiter unklar. Innenminister Suleiman Frandschieh deutete an, dass ein Selbstmordattentäter mit einem Fahrzeug voller Sprengstoff Hariris Autokonvoi gerammt haben könnte. Justizminister Adnan Addum äußerte Zweifel an einem vom Sender al-Dschasira ausgestrahlten Video, in dem sich eine Gruppe namens "Beistand und Dschihad in Syrien und Libanon" zu der Tat bekannte. Dieses Video sei möglicherweise ein Versuch, die Ermittlungen in die Irre zu führen.
Der Innenminister nannte das Attentat - eines der schwersten im Libanon seit Ende des Bürgerkriegs vor 15 Jahren - das Werk "internationaler Parteien", hinter dem ein Netzwerk stehe. Der im französischen Exil lebende frühere libanesische Armeechef Michel Aoun bekräftigte seinen Verdacht, dass Syrien hinter dem Attentat stecke. Damaskus habe das Land "völlig unter Kontrolle", sagte er im Radiosender France-Info. Hariri hatte sich gegen die Einflussnahme Syriens gewandt und war im Oktober im Streit über die syrische Rolle im Libanon zurückgetreten.
Sein Sohn Saadeddine antwortete auf die Frage nach dem Grund für die Ermordung seines Vaters: "Das ist doch offensichtlich, oder?" Am Vorabend hatte er an einem Treffen von Oppositionspolitikern teilgenommen, die in einer Erklärung Syrien sowie die jetzige libanesische Regierung für den Anschlag verantwortlich machten.
Während in Beirut am Dienstag gespannte Ruhe herrschte, griffen in Hariris Heimatstadt Sidon Dutzende Demonstranten syrische Arbeiter an. Dabei wurden fünf Syrer leicht verletzt. Hunderte Demonstranten zogen in einem Trauermarsch durch die Straßen, andere versammelten sich vor dem Wohnsitz der Familie Hariri.
Vor dessen Residenz in der Hauptstadt bildeten sich lange Schlangen. Unter den Würdenträgern, die ihre Aufwartung machten, waren der syrische Vizepräsident Abdul Halim Chaddam und der spanische Außenminister Miguel Moratinos. Hariri soll am Mittwoch beigesetzt werden. |