08.09.2002 21:45 E-Mail an Edmund Stoiber
Von Thorsten Denkler Glückwunsch, Herr Stoiber. Sie haben es geschafft wieder besser zu sein, als erwartet. Alle haben damit gerechnet, dass der Kanzler Sie heftiger angehen würde, als im ersten Duell. Sie standen einem souveränen und gelassenen Kanzler gegenüber, der jede Chance nutzte, Sie aus dem Konzept zu bringen. Geschafft hat er das nur ein Mal, als Sie den Begriff 630-Mark-Gesetz nicht über die Lippen brachten und Schröder Ihnen kanzlerhaft die Brücke baute. Ansonsten blieben Sie verhältnismäßig ruhig. Auch wenn Sie sich ab und an in Ihrer Argumentation verrannten und der Öffentlichkeit offenbarten, dass Sie Visen tatsächlich für ein existentes Wort halten. Aber wer weiß schon, dass das Visum in der Mehrzahl Visa heißt. Im Ernst: So etwas macht sympathisch. Altkanzler Kohl erging es nicht anders. Er profitierte von seinem Sprachfehler, der sicher in die Geschichte eingehen wird. Und er blieb 16 Jahre Kanzler. Punkte aber wird Sie Ihre Verkniffenheit kosten. Sie haben es zwar wunderbar verstanden, dem Kanzler Vorwürfe zu machen. Aber Sie waren nicht in der Lage, Visionen davon zu präsentieren, wie Sie es besser machen wollen. Stattdessen kommen Sie dem Kanzler mit dem Arbeitsamtsbezirk Freising, der die niedrigste Arbeitslosigkeit im ganzen Land haben soll. Das erinnert doch sehr an das Spieglein an der Wand. Und wie es der Königin erging, die sich immerwährend vor jenen Zauberspiegel stellte, dass wissen Sie ja. Mit freundlichen Grüßen,
Thorsten Denkler
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