Die Griechenland-Hilfe ist gescheitert. Vieles erinnert an das Ende der DDR. Athen sollte die Euro-Zone verlassen, bevor noch größerer Schaden entsteht.
"Nein, ich sage ganz klar: Nein!“ Das waren Angela Merkels Worte im April 2010, als sie gefragt wurde, ob sie sich eine Euro-Zone ohne Griechenland vorstellen könne. Die Bundeskanzlerin sagte es damals, kurz vor dem ersten Rettungspaket für die Mittelmeerrepublik, im festen Glauben, dass Griechenland doch noch die Kurve kriegen würde.
Und aus Angst: Noch im vergangenen September warnte Merkel vor einem „Dominoeffekt, der außerordentlich gefährlich für unser Währungssystem ist“. Doch auch der Versuch, Griechenland in der Euro-Zone zu belassen, wird immer gefährlicher.
Der Dominoeffekt erfolgt schleichend
Der Dominoeffekt erfolgt schleichend. Seit dem ersten Rettungspaket vor bald zwei Jahren nimmt eine Geschichte der enttäuschten Hoffnungen und der gebrochenen Versprechen ihren Lauf. Und das nächste Kapitel steht schon bald an:
Im März brauchen die Griechen weitere 14,5 Milliarden Euro, nur um fällige Anleihen zu bedienen – vom sonstigen Bedarf ganz zu schweigen. Jeder weiß: Griechenland hat es nicht verdient, dieses Geld zu bekommen. Denn es wird die Bedingungen, die an die Kredite geknüpft sind, nicht erfüllen.
Dass es so weit gekommen ist, hat viel mit der politischen Rhetorik zu tun. So, als befänden wir uns in der DDR, wird das Offensichtliche negiert und das Unausweichliche nicht ausgesprochen. Exemplarisch für dieses Fiasko finden derzeit Verhandlungen zwischen Banken und der griechischen Regierung über eine Umschuldung statt. In Politbüromanier wird diese Umschuldung als „freiwillig“ bezeichnet. So viel Geld hat Griechenland erhalten
Griechenland hat von den Eurostaaten seit Mai 2010 bislang 47,1 Milliarden Euro an Krediten bekommen, darunter 13,45 Milliarden Euro von der deutschen Staatsbank KfW.
„Freiwillig“ eben, weil Griechenland ja sonst von den Ratingagenturen sofort als zahlungsunfähig eingestuft werden müsste. Und dann wohl nur noch der Austritt aus der Währungszone bliebe, der per Definition ja nicht sein darf. Dass die privaten Anleihenbesitzer nicht „freiwillig“ im Sommer 2011 erst 21 Prozent, dann im Herbst 50 und jetzt auf noch viel mehr verzichten werden, weiß jeder.
Griechenland wird so zu einem europäischen Symptom. Politiker versprechen, die Versprechen werden nicht gehalten, die Rettungspakete werden immer größer, der Vertrauensverlust auch.
Es ist allerhöchste Zeit, ehrlich zu sein. Und das fängt mit der Erkenntnis an, dass der Spielraum im Fall Griechenland inzwischen gen null tendiert. Ursprünglich gab es drei Möglichkeiten: Die erste war der Weg, den Europa dann gegangen ist. Man gab Griechenland gigantische Hilfskredite in der Hoffnung, dass ein strikter Sparkurs und Reformen die Mittelmeerrepublik wieder auf einen Pfad der fiskalpolitischen Tugend zurückführen.
Der erste Versuch ist kläglich gescheitert
Dieser Versuch ist kläglich gescheitert. Der Schuldenstand ist seit Mai 2010 von knapp 130 Prozent des Bruttoinlandsprodukts auf bald 170 Prozent gestiegen. Auch der „freiwillige“ Schuldenschnitt der privaten Gläubiger wird die Last bestenfalls auf das ursprüngliche Niveau verringern.
Aber diese Prozentzahl ist zweitrangig. Viel wichtiger ist, dass Griechenland eine Reformunfähigkeit demonstriert, die an dass Russland der 90er-Jahre erinnert. Selbst der anerkannte Lucas Papademos scheint unfähig, als Regierungschef die Mindestbedingungen für weitere Kredite zu erfüllen. Ob der Verkauf von Staatsvermögen oder der Abbau der Bürokratie – es ist frappierend, wie die Regierung die gesetzten Ziele verfehlt.
Die EU-Regierungen sollten folglich eingestehen, dass die Griechenland-Programme gescheitert sind. Womit nur eine Alternative bleibt: Entweder die Republik bekommt einfach weiter die Milliarden überwiesen. Man würde das Land, das nicht einmal drei Prozent der Währungszone ausmacht, dann auf Dauer alimentieren müssen. Video: German Finance Minister Schaeuble talks with Eurogroup president Juncker in Wroclaw
Europa verschärft den Stabilitätspakt
Finanziell machbar wäre das. Es hätte aber schlimme Nebenwirkungen. Denn alle anderen Regierungen im Süden Europas würden sofort verstehen, dass sie es mit den eigenen harten Programmen nicht so genau nehmen müssten. Und keine Bundesregierung würde dann noch neue Rettungsprogramme durchs Parlament bringen können.
Oder es kommt zur Staatspleite. Wobei sich inzwischen die Frage stellt, was daran so schlimm wäre. Im Gegensatz zum Mai 2010 rechnet heute an den Finanzmärkten niemand mehr ernsthaft damit, dass Griechenland zahlungsfähig bleibt.
Banken und Versicherungen haben große Beträge bereits abgeschrieben, wer jetzt noch in den Markt einsteigt, zockt darauf, mit Steuergeldern gerettet zu werden. Zudem sind die Verflechtungen zum Rest Europas relativ gering, deutsche Unternehmer machen lieber Geschäfte in Südamerika als in der recht kleinen Mittelmeerrepublik.
Die Folgen werden beherrschbar sein
Sicher, es wird Turbulenzen geben. Die Geberländer werden Milliardenkredite abschreiben müssen, sodass den deutschen Steuerzahlern erstmals bewusst wird, wie real das Risiko von Rettungspaketen ist. Auch Industrie- und Handelsunternehmen werden Euromilliarden aus ihren Bilanzen streichen müssen, weil griechische Aktivposten mit einem Schlag weniger wert sein werden.
In Griechenland wird es soziale Unruhen geben, und es wird die Pflicht Europas sein, in dieser schlimmen Anpassungsphase nach dem Austritt aus der Euro-Zone zu helfen. Aber Griechenland ist eben nicht Spanien oder Italien. Die Folgen werden beherrschbar sein, solange klar ist, dass Griechenland ein Sonderfall ist.
Video: Britain's Prime Minister Cameron arrives at an European Union summit in Brussels
Euro-Zone setzt auf Disziplin statt Geldpumpe
Dazu gehört, dass endlich ein glaubwürdiger Fiskalpakt festgeschrieben wird und der Rettungsschirm für die übrigen Länder funktionsfähig ist – für den Fall, dass an den Finanzmärkten auf den Austritt eines weiteren Landes spekuliert wird.
Das glaubhafte Szenario einer bevorstehenden Griechenland-Pleite könnte in den kommenden Wochen den Reformprozess in Europa beschleunigen. Entschlossen umgesetzt kann der Austritt Griechenlands eine disziplinierende Wirkung haben, sodass eine stärkere Euro-Zone zurückbleibt. Es geht darum, lieber jetzt eine kleine Katastrophe zu riskieren, als einer viel größeren zu einem späteren Zeitpunkt Vorschub zu leisten.
Nur so werden Politiker und Wähler in ganz Europa verstehen, dass die Milliarden aus dem europäischen Rettungsfonds und vom IWF ihren Preis haben. Geld darf es nur für solide Politik geben. Länder, die das nicht wahrhaben wollen, haben in Euro-Land nichts zu suchen.
http://www.welt.de/debatte/kommentare/...ro-Zone-verlassen-jetzt.html |