PHARMA - Konkurrenz in Potenz (EurAmS) Der Kampf um den lukrativen Markt für Potenzpillen ist voll entbrannt. Mit allen Tricks versuchen die Newcomer Bayer und Eli Lilly, Pfizers Viagra-Monopol zu knacken. Offenbar mit Erfolg. von Stefan Beste, Euro am Sonntag 39/03
Der Marktführer wird nervös. Jahrelang profitierte Pfizer von seiner Entwicklung Viagra, der ersten wirksamen Pille gegen Erektionsstörungen. Das Präparat schuf einen Milliardenmarkt mit exzellenten Wachstumsaussichten – und Pfizer, der weltgrößte Pharmakonzern, hatte das Monopol. Doch inzwischen gibt es Konkurrenz.
Seit einem halben Jahr drängt Bayer mit seiner Potenzpille Levitra auf den Markt. Und der US-Konzern Eli Lilly brachte – zunächst in Deutschland – mit Cialis einen weiteren Muntermacher für müde Männer in die Apotheken.
Pfizer gerät unter Druck: Zur Überraschung der Experten haben die Newcomer Viagra bereits erhebliche Marktanteile abjagen können. Nach Angaben des Marktforschungsinstituts IMS Health kam Cialis in Deutschland im August auf einen Marktanteil von 26,8 Prozent, Levitra erreichte 13,8 Prozent und Viagra nutzten noch 59,4 Prozent der Patienten. Dabei hat Pfizer eigentlich alle Trümpfe in der Hand: Der Markenname Viagra – inzwischen ebenso bekannt wie Coca-Cola oder McDonald’s – sollte ein unschätzbarer Vorteil im Abwehrkampf gegen die neue Konkurrenz sein.
Klar, dass Rolf Hoffmann, seit Juni dieses Jahres Geschäftsführer der Lilly Deutschland GmbH, mit den Zahlen zufrieden ist: „Das ist deutlich mehr, als wir erwartet haben.“ Auch Bayer-Vorstands-Chef Werner Wenning gibt sich zuversichtlich. Im August hatte er den bislang mit Levitra erzielten Umsatz auf 23 Millionen Euro beziffert. Das Potenz-präparat ist der größte Hoffnungsträger der durch den Lipobay-Skandal angezählten Pharmasparte von Bayer. In einigen Jahren erhoffen sich die Leverkusener damit einen Umsatz von rund einer Milliarde Euro.
Der Markt für Potenzpillen gilt als Wachstumssegment. Mit Viagra schaffte Ex-Monopolist Pfizer 2002 weltweit rund 1,5 Milliarden Dollar Umsatz. Doch das ist noch nicht das Ende der Fahnenstange. Bei Bayer schätzt man, dass der Markt in einigen Jahren auf bis zu fünf Milliarden Euro anwachsen könne. Die Deutschen dürften in diesem Jahr rund 90 Millionen Euro für die Muntermacher ausgeben, schätzt Lilly-Deutschland-Chef Hoffmann. Er rechnet damit, dass das Interesse an potenzsteigernden Mitteln durch die neuen Pillen deutlich steigt: „Dadurch dürften rund 30 Prozent Wachstum drin sein.“
Was die Zahlen für Deutschland auch zeigen: Im Duell der Neuen liegt Levitra gegenüber Cialis deutlich hinten. Der Abstand ist nur zum Teil durch den Startvorteil erklärbar, da Cialis gut einen Monat früher im Handel war. Hoffmann weist auf einen anderen Grund hin: „Die Wirkung von Cialis ist mit rund 24 Stunden deutlich länger als die der anderen Produkte.“ Untersuchungen hätten ergeben, dass Patienten das als besonders angenehm empfänden. Bayer verweist im Gegensatz dazu auf die geringeren Nebenwirkungen seiner Pille. Besonders für ältere Männer, die etwa unter Herzproblemen leiden, sei das von Vorteil.
Auf dem weit wichtigeren US-Markt freilich hat Bayer derzeit die besseren Karten. Zum einen, weil Levitra bereits seit August auf dem Markt ist, während Eli Lilly noch auf die Zulassung seines Präparats warten muss. Zum anderen, weil die Leverkusener mit dem britischen Pharmariesen Glaxo SmithKline einen schlagkräftigen Vertriebspartner gewonnen haben.
Beide können auf einen ersten Achtungserfolg gegenüber Viagra verweisen: Nach einer Untersuchung des US-Marktforschungsinstituts Impact RX entfällt bereits rund die Hälfte der Neuverschreibungen auf Levitra. Damit ist freilich noch nichts über die tatsächlichen Marktanteile gesagt, da nur Patienten erfasst sind, die erstmals eine Potenzpille auf Rezept erhalten.
Dennoch macht Pfizer Front gegen die unliebsame Konkurrenz aus Deutschland. Der US-Konzern sieht seine Patentrechte verletzt und hatte bereits vor einem Jahr Klage eingereicht. Nun, heißt es aus Leverkusen, habe Pfizer die Klage erweitert, weil Levitra inzwischen im Handel ist.
Damit haben die Amerikaner zumindest erreicht, dass die Bayer-Aktie ihre Gewinne aus der Vorwoche wieder abgeben musste. Eine Reaktion, die Silke Stegemann von der Landesbank Rheinland-Pfalz für übertrieben hält: „Der Markt für Potenzpillen ist nun mal hart umkämpft. Aber Bayer ist auf dem richtigen Weg“, sagt die Analystin. Die Gefahr, dass Pfizer mit seiner Klage Erfolg haben könnte, hält sie für gering. Immerhin habe der Konzern Ähnliches auch schon in Großbritannien versucht – und dort den Prozess auf ganzer Linie verloren. |