Haltbarkeit Der Ford Focus Flexi-Fuel ist das erste Flexi-Fuel-Auto in Deutschland 09. Mai 2006 Der Mensch ist leichtfertig und beschränkt. Solange es sich so weiterwursteln läßt wie bisher, solange will er daran meistens nichts ändern. Das gilt unter anderem in hohem Maße für die Petrochemie, die immer noch als Lebensgrundlage entwickelter Volkswirtschaften gelten muß. Nur immer dann, wenn sich der Ölpreis auf höchste Höhen schraubt und keinerlei Anstalten macht, wieder auf den Bonde zu kommen, beginnt das große Nachdenken über Alternativen.
So war es in den siebziger Jahren, so ist es auch heute. Schon während der ersten Ölkrise des Jahres 1974 war eines der beliebtesten Diskussionsthemen in den Vereinigten Staaten die Beimischung von Bioäthanol zum Treibstoff. Doch durchschlagender Erfolg wurde dem Projekt nicht zuteil. Äthanol-Fabriken schlossen, die Kilometerleistungen von Äthanolfahrzeugen sanken.
Äthanolpleiten auch in Brasilien
Auch Brasilien, Musterland und Pionier des Äthanolsprits machte ähnliche Erfahrungen. Ende der siebziger Jahre fehlten Brasilien die notwendigen Devisen um seinen Treibstoffbedarf zu decken. Brasilien förderte ursprünglich Äthanol mit so hohen Steuerbegünstigungen, daß dieses Mitte der achtziger Jahre einen größeren Marktanteil als Benzin hatte.
Dann wurden die Subventionen aufgrund der Einnahmeausfälle angeschafft und der Marktanteil der reinen Äthanol-Autos fiel von fast 100 Prozent im Jahr 1988 auf weniger als ein Prozent Mitte der neunziger Jahre. Das änderte sich erst wieder mit der Einführung der „Flex-Fuel-Cars“, bei denen der Besitzer bei jedem Tanken frei wählen kann, welchen Anteil Äthanol er möchte.
Dies zeigt, daß der Erfolg von Äthanoltreibstoff in hohem Maße vom relativen Preis zu petrochemischen Treibstoffen abhängt. Deswegen läßt sich auch per se nicht sagen, daß Bioäthanol in der Herstellung zu teuer sei, zumal es unscharf ist, von Bioäthanol an sich zu sprechen.
Bioäthanol ist nicht gleich Bioäthanol
So sind die Produktionskosten von Bioäthanol je nach verwendetem Grundstoff stark unterschiedlich. Der Lausanner Wirtschaftsprofessor Thomas von Ungern-Sternberg bezifferte den Preis für die Herstellung eines sogenannten „Benzinliters“ Benzin (1,5 Liter Äthanol entsprechen aufgrund des geringeren Energiegehalts einem Liter Benzin) im Jahr 2002 bei einem Rohölpreis von 30 Dollar je Barrel auf 27 Cents. Brasilianisches Äthanol kostete dagegen rund 37 Cents.
Bei einem Rohölpreis von 45 Dollar je Barrel könne Äthanol aus Brasilien „schon heute preislich gut mithalten“. Die durchschnittlichen Produktionskosten für Äthanol aus Mais, wie es in den Vereinigten Staaten hergestellt wird, bezifferte von Ungern-Sternberg dagegen auf 60 Cents je Benzinliter und für europäisches Getreideäthanol auf 80 Cents (siehe Infografik).
Umstritten ist auch die Ökobilanz des Äthanols. So wird bisweilen behauptet, daß der Einsatz an Düngemitteln, der Verbrauch von Fläche, der Transport und der Betrieb von Produktionsanlagen der Umwelt mehr schade als nütze. Indes werden dabei gerne die Alternativkosten der Rohölproduktion unterschlagen.
Nach Angaben von Ungern-Sternberg werden in Brasilien lediglich 0,1 Einheiten Benzin zur Herstellung einer Energieeinheit Äthanol aufgewendet, in Europa und den Vereinigten Staaten dagegen zwischen 0,6 und 0,8 Einheiten. Die Kosten zur Senkung von Treibhausgasemissionen liegen nach seinen Angaben in Europa daher auch bei Einbeziehung der Transportkosten rund zehnmal so hoch wie in Brasilien (siehe Infografik).
Was nicht gut schmiert, das nicht gut fährt
Die größten Hindernisse für einen Durchbruch des Biotreibstoffes liegen in der Verwendung und der Verbreitung. So sind für die „Flex-Fuel-Betankung“ Investitionen ins Tankstellennetz notwendig.
Wesentlich bedeutsamer ist, daß durch die abweichenden Verbrennungseigenschaften des Äthanols Flex-Fuel-Motoren mit veränderten Werkstoffen gebaut werden müssen. Entscheidend ist dabei nicht der höhere Preis, sondern daß eine Nachrüstung von reinen Benzin-Motoren als nicht durchführbar gilt. Bei einem reinen Benzinmotor, der mit einer hohen Beimischung betrieben würde, ist das Risiko eines Motorschadens hoch, da die Korrosionsfestigkeit nicht gegeben ist und der Kraftstoff schlechtere Schmiereigenschaften besitzt.
Wer daher jetzt auf Biotreibstoffe setzt, spekuliert also nicht nur auf einen dauerhaft hohen Ölpreis und Fortschritte in der Produktionstechnik, sondern auch auf säkulare Veränderungen in den Konsumgewohnheiten. Doch die dürften solange nicht eintreten, solange nicht eine offenkundige Verknappung des Rohöls eintritt, die zu einer Veränderung des realen Rohölpreises führt. Solange die Kraftfahrzeugbauer und Mineralölkonzerne davon ausgehen müssen, daß das hohe Ölpreisniveau konjunkturell oder gar nur spekulativ bedingt ist, solange verbieten sich große Investitionen in neue Technik - auch wenn die Konzerne längst Gewehr bei Fuß stehen.
Zucker gefährdet den Bonus des Goldman Sachs-Zertifikat
Das Interesse der Anleger scheint indes recht hoch zu sein. Denn in jüngster Zeit kommen verstärkt Produkte mit Biospritausrichtung auf den Markt. Goldman Sachs etwa bietet ein neues Bonus-Zertifikat auf einen Korb aus einem Mais- und einem Zucker-Index an.
Das Produkt hat eine Laufzeit von sechs Jahren und eine Barriere von 50 Prozent. Am Ende der Laufzeit hat der Inhaber die Chance auf einen Bonus von mindestens 30 Prozent des Nominalbetrags, wenn keiner der beiden Korbbestandteile während der Laufzeit die Barriere mit einem Schlußkurs unterschritten hat. Nach oben hin nehmen Anleger unbegrenzt an Kursanstiegen teil.
Wird die Barriere durchbrochen, mutiert das Produkt zu einem reinen Index-Zertifikat. Da der Start-Referenzkurs erst am 26. Mai festgelegt wird, ist auch das Absicherungsniveau nicht bekannt. Geht man von den heutigen Preisen aus, so sind die Chancen auf einen Bonus bei Mais recht gut. Um die Barriere zu durchbrechen, müßte Mais auf den tiefsten Stand seit 1971 fallen.
Anders sieht es für Zucker aus - zur Durchbrechung der Barriere genügen die Stände des Spätjahres 2004. Überhaupt sollte der Zuckerpreis eine deutliche Warnung sein. Denn der phänomenale Kursanstieg hat historische Vorläufer, bezeichnenderweise in den Jahren 1980 und 1974, in denen die amerikanische Politik Bioäthanol verstärkt förderte. Momentan sind die Vorzeichen für Zucker auch eher negativ.
Spekulieren mit HSBCs Aktien-Basket
Das zweite Produkt stammt aus dem Hause HSBC und ist ein Aktien-Basket-Zertifikat auf zwölf im Biokraftstoffbereich tätige Unternehmen. Indexschwergewichte mit zusammen 35 Prozent sind Archer-Daniels-Midland und Syngenta. Während ersteres Unternehmen unter anderem Mais zu Bioäthanol verarbeitet, produziert Syngenta vor allem Saatgut, Dünge- und Pflanzenschutzmittel.
Während sich diese Aktien noch relativ leicht erklären, fällt dies bei Gea und Südzucker relativ schwer. Zusammen bilden sie 20 Prozent des Korbes ab. Gea ist vor allem über die Tochter Lurgi im Geschäft mit Produktionsanlagen zur Herstellung von Treibstoffen aus nachwachsenden Rohstoffen tätig. Südzucker hingegen will eine Bioäthanolproduktion erst . als Wachstumssegment aufbauen.
Generell gilt, daß das Aktien-Zertifikat nicht unbedingt von der Entwicklung rund um Biokraftstoffe unmittelbar betroffen ist. Das gilt nur für einen relativ kleinen Teil (7,5 Prozent), der von EOP Biodiesel, Biopetrol und Pacific Ethanol gebildet. Letzteres Unternehmen befindet sich auch erst im Aufbau und hat derzeit noch keine eigenen Produktionsanlagen. Auch KWS Saat ist eine reine spekulative Beimischung: „Unter anderem ist das Unternehmen in der Zuckergewinnung und dem Saatgutgeschäft aktiv und könnte daher vom Anstieg der Biodieselnachfrage profitieren.“, heißt es in den Informationen zum Produkt.
Wer heißt schon Gates oder Khosla?
Ist also schon das Thema Biokraftstoffe selbst spekulativ, so wird das spekulative Element durch die Basket-Konstruktion weiter verstärkt. Positiv ist dagegen zu vermerken, daß nicht nur keine Verwaltungsgebühr erhoben wird, sondern die Zertifikatsinhaber erstmals zur Hälfte an den Dividendenausschüttungen der im Aktienkorb enthaltenen Unternehmen partizipieren.
Wer auf das Thema setzt, muß also entweder sehr langfristig mit geringen Beträgen investieren. So sind wohl Engagements wie das von Bill Gates' Beteiligungsgesellschaft bei Pacific Ethanol oder von Vinod Koshla, dem Mitbegründer von Sun Microsystems zu verstehen, der mit einem Risikokapitalfonds in Biosprit-Hersteller investiert.
Wem indes die Liquidität und das Durchhaltevermögen fehlt, der kann und sollte sich nur kurzfristig engagieren. Sollte der Ölpreis deutlich sinken, wird die Welt wieder zum „Business as usual“ zurückkehren und die Biosprit-Phantasie sich auflösen - selbst wenn es sich nur um ein vorübergehendes Phänomen handeln sollte.
Die in dem Beitrag geäußerte Einschätzung gibt die Meinung des Autors und nicht die der F.A.Z.-Redaktion wieder.
Text: @mho Bildmaterial: Ecole des HEC, UNIL, FAZ.NET, Ford-Werke GmbH, Koeln, The Chart Store |