Der Hamburger Windkraftanlagenbauer REpower ist ein begehrtes Übernahmeobjekt. Sowohl der indische Windturbinenhersteller Suzlon als auch der französische Atomkonzern Areva überbieten sich seit Monaten bei ihren Offerten und haben den Kurs damit immer weiter nach oben getrieben. Auch Konkurrent Nordex befindet sich im Höhenrausch. Doch sind die Aktien inzwischen nicht zu luftig bewertet?
Auch "Der SPIEGEL" liegt schon mal ziemlich daneben. "Die große Luftnummer" schlagzeilte das Hamburger Nachrichtenmagazin vor ziemlich genau drei Jahren und widmete dem "Windmühlenwahn" dann gleich eine 15-seitige Titelgeschichte, die auf folgenden Nenner gebracht wurde: "Ökonomisch macht ein weiterer Ausbau wenig Sinn. Er würde Milliarden an Fördergeldern verschlingen, der Nutzen für die Umwelt wäre gering".
Der Tenor des Artikels beschreibt treffend die seinerzeit in der Branche vorherrschende Stimmung. Damals galten die Papiere der größten deutschen Windkraftanlagenhersteller REpower und Nordex als regelrechte Rohrkrepierer. Trotz der bereits seit über einem Jahr einsetzten Erholung an den weltweiten Kapitalmärkten dümpelten die Aktien immer neuen Tiefsständen entgegen, die REpower und Nordex schließlich wenig später auf Kursniveaus von 12 bzw. 1,50 Euro sehen sollten – ein himmelweiter Abschlag zu den einstigen Höchstkursen bei 45 bzw. gar 105 Euro.
>> Erstaunliche Wiederbelebung der Windenergiebranche: 1000 Prozent Plus in zwei Jahren
Sogar einen Reservesplitt musste der Norderstedter Windenergieanlagenbauer Nordex im Mai 2005 vollziehen, um die zum Pennystock verkommene Aktie wieder kapitalmarktfähig zu machen. Nach Jahren in der Verlustzone schien auch den einst hochgewetteten Stars der Erneuerbaren Energien das übliche Schicksal einstiger Neuer Markt-Lieblinge beschieden zu sein: Hoch geflogen, tief gefallen.
Doch der Wind hat gedreht. Heute wechselt Nordex bei 25 Euro den Besitzer – ein Plus von mehr als 1500 Prozent in nur zwei Jahren, während REpower nach einer 1200 Prozent-Rally im fast selben Zeitraum bei 159 Euro gar auf neuen Allzeithochs notiert. Nicht wenige Marktbeobachter reiben sich angesichts der exorbitanten Zuwächse der vergangenen Monate immer wieder verwundert die Augen und suchen nach Erklärungen für die fast mirakulöse Wiederbelebung der Windenergiebranche.
>> Turnaround bei Nordex: Vom Pleitekandidaten zum Überflieger
Zum Teil fallen die dann auch recht spektakulär aus. Nordex etwa ist eine klassische Turnaroundstory. 2003 schockte der Hoffnungsträger der deutschen Windbranche plötzlich mit zwei Umsatzwarnungen in nur vier Monaten. Es folgte der Absturz in die tiefroten Zahlen, der noch im selben Jahr in der Beinnahe-Pleite gipfelte: Aufträge für die kostspieligen Windkraftanlagen standen auf dem Höhepunkt der konjunkturellen Talfahrt auch in der ansonst so investitionsfreudigen Energiebranche nicht auf dem obersten Punkt der Agenda.
Nur dank eines straffen Restrukturierungsprogramms und der von einer Private Equity-Investorengruppe um Goldman Sachs finanzierten Kapitalerhöhung gelang den Norderstedtern der Überlebenskampf. Mit dem Vertrauen des Kapitals im Rücken kamen dann auch die Kunden zurück. Und das überraschend schnell: "Seit 2005 wachsen wir schneller als der Markt", resümierte Vorstandschef Thomas Richterich vor einigen Monaten den Turnaround, der den TecDax-Wert im vergangenen Jahr wieder in die Gewinnzone führte.
Im abgelaufenen Geschäftsjahr verdiente Nordex bei Umsätzen von 514 Millionen Euro immerhin wieder 16,6 Millionen Euro, nachdem im Vorjahr noch ein Verlust von 5,3 Millionen Euro angefallen war. Für das laufende Geschäftsjahr stellt Nordex eine Verdreifachung des Betriebsergebnisses und eine Steigerung des Umsatzes um mehr als 50 Prozent in Aussicht. Treiber des Booms sind vor allem Bestellungen aus dem Ausland, wie zuletzt Großaufträge aus der Türkei oder Frankreich.
>> Reifevorteil: Windkraftbranche unter den Alternativen Energien am weitesten verbreitet
Damit ist die eigentliche Tragweite der Nachfrage bei Namen genannt – die Begeisterung für Alternative Energien, die hierzulande maßgeblich von der rot-grünen Regierung in der Kanzlerschaft von Gerhard Schröder durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) entfacht wurde, ist im Zuge der immer dramatischeren Klimabedrohung längst um den Erdball geschwappt. Auch die notorischen Klimasünder wie die USA und die kommenden Supermächte China und Indien werden bei der Energieversorgung umdenken müssen.
Nachdem Anleger im Segment der Alternativen Energien das Thema Solarenergie in den vergangenen Jahren bevorzugt beschäftigte, haben sich nicht wenige Marktteilnehmer nun zudem dankbar einer neuen Story zugewandt. Alternative Energie-Unternehmen mit einem Turnaround-Flair in einer reifer entwickelten Branche kommen da gerade recht, schließlich nähert sich der Windstrom den Marktpreisen immer weiter an.
Entsprechend steuerte die Windkraft mit beachtlichen 5 Prozent im vergangenen Jahr bereits den mit Abstand größten Anteil unter den grünen Energiesegmenten zum deutschen Strommix bei. Oder anders nachgerechnet: Mit einem Anteil von 43 Prozent kommt der Windenergiebranche die bei weitem führende Rolle unter den Segmenten der Erneuerbaren Energien zu – die viel gelobte Fotovoltaik-Branche trug im vergangenen Jahr dagegen verschwindend geringe 3 Prozent bei.
>> Vestas, GE Wind und Gamesa dominieren die Branche
Und Wachstum weckt bekanntlich Begehrlichkeiten. Auch die Energieriesen, die sich in den frühen 90er-Jahren den neuen Energiegewinnungsformen aus Rentabilitätsgründen zum Großteil versperrten, haben angesichts des immer rasanteren Klimawandels die Zeichen der Zeit erkannt und entsprechend ein Auge auf die neuen, alten Emporkömmlinge geworfen. Vor allem die beiden größten deutschen Vertreter, Nordex und REpower, weisen jene mittelgroße Marktgröße auf, die spekulativen Exzessen an den Kapitalmärkten so gerne Vorschub leistet.
Mit einer Börsenbewertung von rund einer Milliarde Euro sind sie zu klein, um im globalen Monopoly des Windenergiemarktes, das von der dänischen Vestas, GE Wind und der spanischen Gamesa maßgeblich bestimmt wird, ganz vorn mitzuspielen – aber dank ihrer guten Positionierung und des zuletzt beachtlichen Wachstums inzwischen auch zu attraktiv, um langfristig ignoriert zu werden.
>> Übernahmefantasien beflügeln
Wie attraktiv eine solche Nebenrolle an der Börse durchaus sein kann, haben zuletzt die Aktionäre von REpower erfahren. Seit Anfang des Jahres wird das Hamburger Unternehmen nämlich heftig umworben – zunächst vom französischen Atomkraftkonzern Areva, dann vom indischen Windturbinenhersteller Suzlon, der die Offerte Arevas gleich zweimal konterte – zuletzt erst vorgestern morgen.
Die Aktionäre zählen einmal mehr zu den großen Profiteuren des Bietergefechts, das REpower-Vorstand Fritz Vahrenholt verhältnismäßig entspannt sieht: "Beide Unternehmen bieten Vorzüge, die uns voranbringen können", erklärte der 58-Jährige gestern dem "Hamburger Abendblatt". Für die Aktionäre dürfte indes am Ende einmal mehr der Preis entscheidend sein – und den hatte Suzlon mit einer Offerte über 150 Euro je Aktie zuletzt abermals in die Höhe getrieben. Begonnen hatte die Übernahmeschlacht im Januar wohl gemerkt bei 105 Euro.
>> Turmhohes Bewertungsniveau schreckt ab
Angesichts solch rasanter Kursaufschläge in so kurzer Zeit – die Papiere von Nordex verteuerten sich seit Jahresbeginn analog zu REpower um mehr als 80 Prozent – wird das Bewertungsniveau der Windanlagenbauer indes immer ambitionierter. "Wenn man REpower isoliert betrachtet, ist diese hohe Bewertung nicht nachvollziehbar", stieß sich etwa Stephan Wulf, Aktienanalyst bei Sal. Oppenheim, schon vor den letzten beiden Geboten am Kursniveau des Übernahmekandidaten. Zu Recht: Während Nordex aktuell mit einem erwarteten KGV von luftigen 52 den Besitzer wechselt, wird für REpower aktuell gar ein turmhohes KGV von 65 bewilligt. Nach teureren Papieren dürfte man an den deutschen Aktienmärkten durchaus einige Zeit suchen.
Keine Frage: Windkraftaktien bleiben ein hochspekulatives Investment. Und doch beweist ein Blick in die Vergangenheit, dass die Bewertung für den Kursverlauf einer Aktie zumindest kurz- bis mittelfristig durchaus ein relatives Kriterium bleiben kann. Auch Solarworld wurde jahrelang zu Premium-KGVs jenseits der 40 gehandelt – und zahlte seinen Anteilseignern das Vertrauen in einer schier unendlichen Rally mit Wertsteigerungen von in der Spitze mehreren 1000 Prozent zurück. Auf eine solche Wiederholung bei Nordex & Co zu hoffen, bleibt allerdings dann auch eine mitunter verwegene Hypothese... |