Von Andreas Hoose, Dörsam Brief
Blue Chips im Depot, am besten solche, die alle antizyklischen Kriterien erfuellen, machen auf lange Sicht viel Freude. Darin, keine Frage, sollte jeder voraus schauende Anleger den Schwerpunkt seiner Investments sehen. Fuer manche Investoren, oder nennen wir sie lieber Spekulanten, gehoeren riskante Beimischungen aber genauso dazu - wie das Salz in die Suppe eben. An der Boerse bieten sich gerade den risikofreudigen Zeitgenossen immer wieder unglaubliche Chancen. Leider bemerkt man meist erst im Nachhinein, was alles moeglich gewesen waere. "Ach, haette ich doch..." Was aus dem nun folgenden Unternehmen einmal werden kann, ist zum heutigen Zeitpunkt noch voellig unklar, wie praktisch immer bei extrem spekulativen Chancen. Es ist aber nicht auszuschliessen, dass man wehmuetigen Blickes ein solches "Aha-Erlebnis" haben wird, wenn man in zwei, drei oder fuenf Jahren auf die Kursentwicklung blickt. Doch der Reihe nach.
Wer sich in den spekulativen Segmenten der Boerse bewegt, dem ist vor einigen Jahren, konkret auf dem Hoehepunkt der Internet-Euphorie im Fruehjahr 2000, der Name Hikari Tsushin sicherlich schon einmal untergekommen. Der japanische Betreiber von Laeden fuer Mobiltelefone galt waehrend der Goldgraeberstimmung des Internets aehnlich wie Softbank oder Yahoo als einer DER Ueberflieger schlechthin. Mehrere tausend Prozent Kursgewinn konnten Spekulanten einfahren, die sich im Vorfeld der Euphorie mit dem Papier eingedeckt hatten.
Smarte Japaner
Wie es nach dem Platzen der Blase weiterging ist nicht schwer zu erraten: Das Geschaeftsmodell erwies sich, wenn schon nicht als totale Luftnummer, so doch als ziemlich risikoreich. Selbstverstaendlich war auch der Betrieb der smarten Japaner im Fruehjahr 2000 heillos ueberbewertet. Hinzu kamen rechtliche Probleme. Die Unbescholtenheit des Firmenlenkers Yasumitsu Shigeta wurde in Frage gestellt. Kurz: Nachdem die "Grossen" abkassiert hatten, wurden eiligst Erklaerungen verbreitet, warum man Aktien von Hikari Tsushin auf gar keinen Fall in seinem Depot haben sollte. Das Ende vom Lied war ein Kurseinbruch von ungefaehr 99 Prozent. Genaue Zahlen spielen bei einem Verlust in dieser Groessenordnung eine eher untergeordnete Rolle.
Dabei hatte alles so schoen angefangen. In Zeiten der Aufbruchstimmung hatten die Japaner hochfliegende Plaene. Das scheinbar so eintraegliche Geschaeft mit den Handy-Laeden wollte man auf dem gesamten asiatischen Kontinent vorantreiben. Vor allem den Mega-Markt China hatte Firmenboss Shigeta im Auge. Und um sich den Zugang ins Reich der Mitte zu sichern, wurden Beteiligungen an verschiedenen in Hong Kong gelisteten Firmen getaetigt. Eine davon war der damalige Batterien-Hersteller Golden Power. Das an sich unspektakulaere Unternehmen sollte mit Hilfe des prominenten Namens in neuem Glanz erstrahlen und fuer Hikari Tsushin Japan das Standbein fuer alle Aktivitaeten im Riesenreich bilden. Aus Golden Power wurde Hikari Tsushin International (WKN 915538).
Falsche Faehrte?
Doch fuer eine Erweiterung des Geschaeftsmodells war es laengst zu spaet. Das Projekt war zum Scheitern verurteilt. Ende letzten Jahres wurde die 51-Prozent-Beteiligung an die in Hong Kong ansaessige Investmentgesellschaft Noble Island verkauft. Der Verkaufspreis lag mit 4,5 HK-Cents pro Aktie um satte 66 Prozent unter dem letzten Kurs der Hikari-Tochter von 13,3 HK-Cent. Durch den Verkauf musste Hikari Japan einen ausserordentlichen Verlust von 6,1 Milliarden Yen verbuchen. Ob damit eine falsche Faehrte gelegt werden sollte? Womoeglich war Noble Island nur am Boersenmantel interessiert. Wer weiss...
Die zunaechst wieder zum Aschenputtel abgestempelten Mitarbeiter von Hikari Tsushin International mussten sich nicht lange mit der bekannten Rolle zufrieden geben. Die juengsten Nachrichten lassen manches Spekulantenherz hoeher schlagen und koennten darauf hindeuten, dass dem Unternehmen womoeglich doch noch eine spektakulaere Zukunft blueht: Zusammen mit zwei strategischen Partnern, die klingenden Namen sind Alta Financial Holdings Limited und Zhongda Industrial Group, sollen Errichtung und Wartung eines Netzes von Erdgasleitungen voran getrieben werden. Und zwar nicht irgendwo. Ort der Anstrengungen ist das chinesische Riesenreich. Erst vor wenigen Tagen wurde bei Hikari Tsushin International zu diesem Zweck eine Kapitalerhoehung in Hoehe von 250 Millionen HK-Dollar durchgefuehrt. Mit 37 Prozent wird die Mehrheit an dem Projekt beim staatlichen "China Gas Bureau" liegen. Laut Unternehmensmitteilung handelt es sich dabei um einen der groessten staatlichen Betriebe der Volksrepublik China. Erdgas hat bei der Energieversorgung im Reich der Mitte bislang einen Anteil von nicht einmal drei Prozent. In den kommenden Jahren soll die Quote sukzessive ausgebaut werden. Wobei es bei Hikari Tsushin International ausschliesslich um den Bau und die Verlegung der Gasleitungen gehen wird. Die Foerderung von Erdgas ist ausdruecklich nicht vorgesehen. Dennoch sind die moeglichen Wachstumsraten gigantisch.
Neubewertung
Angesichts der juengsten Entwicklung ist es zum gegenwaertigen Zeitpunkt so unmoeglich wie sinnlos, Geschaeftszahlen zu nennen. Dass Hikari Tsushin International beispielsweise im Sechs-Monats-Zeitraum zum 31. Januar 2002 einen Verlust von 4,08 HK-Cent je Aktie ausweisen musste, nach einem Gewinn von 28 HK-Cent im Vorjahr, hat angesichts der aktuellen Ereignisse so gut wie keine Aussagekraft. Zwar will das Unternehmen die bisherigen Geschaeftsfelder, Investitionen in Internet-Unternehmen, den Ausbau von Mobilfunk-Laeden in China sowie die Herstellung von Batterien vorerst weiter betreiben. Die kuerzlich bekannt gegebene neue Firmenbezeichnung laesst jedoch bereits erahnen, wohin die Reise gehen wird. In Zukunft wird das Unternehmen unter dem Namen "China City Natural Gas Holdings Limited" firmieren. Der Titel steht damit vor ganz neuen Aufgaben. Eine voellige Neubewertung wird damit einher gehen. Wie diese aussehen wird, kann nur die Zukunft zeigen.
Sehr verdaechtig
Das Verhalten des Handelsvolumens an der Boerse in Hong Kong jedenfalls ist hoechst verdaechtig: Waehrend die taeglichen Umsaetze bei den meisten frueheren Internet-Highflyern Asiens nahezu ausgetrocknet sind, befindet sich Hikari Tsushin an der Heimatboerse seit einigen Wochen in illustrer Gesellschaft. Mit so renommierten Titeln wie HSBC Holdings, China Mobile, Hutchison Whampoa oder Cheung Kong liefert sich der Wert Tag fuer Tag ein Kopf-an-Kopf-Rennen um die Position des Umsatz-Spitzenreiters. Und zwar interessanterweise nicht nur bei der Zahl der gehandelten Aktien. Hier ist Hikari Tsushin wegen des niedrigen Aktienkurses ohnehin kaum zu uebertreffen. Das bisherige Spitzenergebnis lag hier am 25. April bei 1,8 Milliarden (!) Papieren. Doch auch der Wert der gehandelten Anteilsscheine macht einem Boersenschwergewicht alle Ehre - zumindest fuer chinesische Verhaeltnisse. Die am heutigen Freitag umgesetzten 1,357 Milliarden gehandelten Anteilsscheine zum Kurs von 0,212 HK-Dollar repraesentieren einen Betrag von fast 32 Millionen US-Dollar. Beim Blick auf den Fuenf-Jahres-Chart faellt weiterhin auf, dass die Umsaetze auch die sicherlich nicht geringen Handelsvolumina waehrend des Internet-Hypes vor zwei Jahren bei weitem uebertreffen. Das ist zumindest erstaunlich.
Fazit:
Anleger, die sehr mutig sind, koennten bei Hikari Tsushin International (WKN 915538; demnaechst China City Natural Gas Holdings Limited) auf eine voellige Neubewertung spekulieren. Sollte das anvisierte Projekt, unter staatlicher Leitung ein Netz von Erdgasleitungen in China zu errichten, wie vorgesehen vorankommen, sind hier exorbitante Kursgewinne moeglich. Dabei darf man jedoch nicht vergessen, dass der Titel in die allerhoechste Risikoklasse gehoert!! Noch ist so gut wie nichts passiert, das neue Unternehmen befindet sich erst im Fruehstadium seiner Entstehung. Angesichts der dramatischen Ereignisse duerfte es auch wenig Sinn machen, mit einem festen Stopp-Loss zu arbeiten. Besser ist es, man richtet sich einen mentalen Stopp-Kurs ein, bei dessen Unterschreitung das Engagement konsequent glatt gestellt wird. Eine Hausnummer ist hier schwer zu nennen. In jedem Fall muss man den Kapitaleinsatz streng begrenzen!! Und ein Totalverlust sollte fest einkalkuliert werden. Wer sich dennoch zu einem Kauf durchringt, der sollte nicht mehr allzu lange zoegern. Im Moment durchbricht der Titel unter extrem hohen Umsaetzen saemtliche charttechnischen Huerden - und zwar mit frappierender Leichtigkeit.
Gruß Pichel |