BlackRock: Sweet Home Obama 10.02.2009 - Disclaimer: Der nachfolgende Text ist eine Kolumne von Blackrock. Der Inhalt der Kolumne wird von 4investors nicht verantwortet und muss daher nicht zwingend mit der Meinung der 4investors-Redaktion übereinstimmen. Jegliche Haftung und Ansprüche werden daher von 4investors ausdrücklich ausgeschlossen!
Marktkommentar von Poppy Allonby und Sandy Christie, Fondsmanager des BGF New Energy Fund
Das neue Jahr hat erst begonnen und trotzdem fühlen wir uns schon müde und abgespannt. Könnten wir das doch nur auf etwas Zuviel des guten Weins und eine nette Party schieben. Aber in Wahrheit fühlen wir uns wie viele Anleger: angeschlagen nach Monaten mit Hiobsbotschaften und wenig erfreulichen Entwicklungen an den Märkten.
Wer hätte wohl vor zwölf Monaten gedacht, dass praktisch alle Volkswirtschaften im Westen in die Rezession abgleiten und die Finanzmärkte beispiellose Turbulenzen erleben würden. Heute zweifelt indes keiner mehr daran, dass die Kreditklemme mit ganzer Härte von der „Wall Street“ auf die „Main Street“, also von der Finanzwirtschaft auf die Realwirtschaft übergeschwappt ist – mit zahlreichen Unternehmenspleiten und steigender Arbeitslosigkeit im Gepäck. Kaum eine Anlageklasse, die von massiver Wertvernichtung verschont geblieben ist. Das gilt leider auch für den Sektor Erneuerbare Energien (EE).
Aber trotz der miesen Stimmung gibt es Grund zu Optimismus. So könnte das neue Jahr die Wende für den Sektor bringen. Schließlich wurde im Land mit dem höchsten Energieverbrauch just ein Präsident gewählt, der aus seiner Unterstützung für erneuerbare Energien keinen Hehl macht. Erste angekündigte Maßnahmen und die Neubesetzung von Schlüsselpositionen durch Obama deuten an, dass die Energiepolitik des Weißen Hauses vor einem fundamentalen Richtungswechsel steht.
Präsident Obama hat versprochen, in den nächsten 10 Jahren 150 Milliarden US$* in saubere Energie zu investieren. Seine Pläne sehen vor, fünf Millionen neue Arbeitsplätze im Energiesektor zu schaffen und die Zahl der Fahrzeuge mit Hybridantrieb in den USA bis 2015 auf eine Million zu erhöhen. Landesweit will er mittels eines Quotensystems, dem so genannten Renewable Portfolio Standard (RPS), dafür sorgen, dass bis 2012 10% und bis 2025 25% der Elektrizität aus regenerativen Energiequellen stammen. Ein die gesamte Wirtschaft umfassender Emissionshandel und Emissionsgrenzen sollen zudem den Ausstoß von Treibhausgasen bis 2050 um rund 80% reduzieren.
Die Investitionen allein in den Aufbau der Erzeugerkapazitäten schätzt Credit Suisse auf 345-758 Milliarden US$, abhängig von der RPS-Quote. Zum Vergleich und zur Veranschaulichung der Dimension die folgende Zahl: Pro Jahr belaufen sich die Gesamtinvestitionen der Stromerzeuger aktuell auf rund 70 Milliarden US$.
Zunächst hatten wir erwartet, dass diese Maßnahmen den Kern des Gesetzes für ein saubereres, grüneres und intelligenteres Amerika bilden würden, über das der Kongress irgendwann in den kommenden zwei Jahren beraten würde. Inzwischen aber scheint eine Vielzahl an Energie- und Umweltthemen Eingang in das umfangreiche Konjunkturpaket Obamas gefunden zu haben. Die gute Nachricht für Energietechnologieanleger: Zurzeit steht das Stimulierungspaket ganz oben auf der Tagesordnung des Präsidenten und des Kongresses, und schon in wenigen Wochen könnte es verabschiedet sein. Seine positiven Auswirkungen auf die Branche könnte das Programm damit wesentlich schneller entfalten als zunächst gedacht.
Was könnte das für die Branche bedeuten? Der aktuelle Entwurf für ein US-Stimulierungspaket, an dem es Änderungen geben dürfte und dessen Verabschiedung durch Kongress und Senat noch aussteht, beinhaltet u.a. Folgende Maßnahmen:
1. Rund 20 Milliarden US$ für die Modernisierung des Stromnetzes und damit für intelligentere Technologien mit Schwerpunkt auf Investitionen in erneuerbare Energien
Investitionen in das amerikanische Stromnetz sind unerlässlich. Nicht nur, um mit der steigenden Stromnachfrage Schritt zu halten, sondern auch um neue Energiequellen wie den Wind in das bestehende Netz zu integrieren. Auf die Anforderungen eines intelligenten Nachfragemanagements muss es künftig ebenso eingestellt sein wie auf das Aufladen von Batterien für Hybrid-Fahrzeuge. Dem Edison Electric Institute zufolge investieren US-Versorger in der Regel pro Jahr rund 6 Milliarden US$ in ihr Übertragungsnetz. Mit 20 Milliarden US$ aus der Staatskasse ließe sich daher wohl einiges bewegen.
Zu den direkten Nutznießern der Ausgabenpläne gehören Firmen, die die Übertragungsnetze bauen oder Bauteile hierfür liefern. Wir denken beispielsweise an General Cable, Quanta Services und auch American Superconductor. Profitieren werden vermutlich auch auf Nachfragemanagement oder Verbrauchsmessung spezialisierte Unternehmen wie Itron und Esco.
Ganz allgemein aber dürften umfangreiche Investitionen in die Stromnetze die Stromerzeugung mittels Wind und Sonne ankurbeln, denn über diese Netze werden die Regionen mit attraktiven Standorten für regenerative Energien mit den bevölkerungsreichen Zentren verbunden, in denen der Strom gebraucht wird.
2. Verlängerung und Ausweitung der Steuergutschriften, der so genannten Production Tax Credits (PTC), zur Förderung erneuerbarer Energien
Mit rund 20 US$ wird derzeit jede mit einer Windkraftanlage erzeugte Megawattstunde Strom in den ersten 10 Betriebsjahren einer Anlage staatlich gefördert. Damit sind die PTC der wichtigste steuerliche Anreiz für die Windkrafterzeugung in den USA.
Das aktuelle Verfahren aber hat zwei Schwachstellen. Zum einen gilt die steuerliche Förderung immer nur für ein Jahr – die aktuelle läuft im Dezember 2009 aus. Keine Garantie für eine Verlängerung der Steuergutschrift nach Ablauf eines Jahres aber bedeutet, dass langfristige Investitionspläne mit enormen Risiken behaftet sind. Eine Verlängerung der Steuergutschrift für mehrere Jahre, wie derzeit im Weißen Haus diskutiert, würde diese Unsicherheit beseitigen.
Zum anderen zahlen Entwickler von Windfarmen häufig nicht genug Steuern, um die Gutschriften voll auszuschöpfen. Abhilfe schafft hier derzeit ein kompliziertes Verfahren, bekannt als „Tax Equity“-Modell. Dabei besichern Investmentbanken den Kredit und verkaufen ihn an Dritte weiter. Mit der Kreditkrise aber sind Banken und Investoren rar geworden, die sich an diesen Steuersparmodellen beteiligen wollen. Die Folgen sind noch mehr Verzögerungen und höhere Kosten eines ohnehin schon schwerfälligen Verfahrens. Deshalb schlägt die Regierung nun direkte Rückerstattungen oder Zuschüsse für nicht ausgeschöpfte Steuergutschriften vor.
3. Bessere Finanzierung regenerativer Energieprojekte
Der Aufbau von Solar- und Windfarmen ist kapitalintensiv, weshalb die Projekte auf umfangreiche externe Finanzmittel angewiesen sind. Ein Fremdmittelanteil von 80% ist keine Seltenheit. Gleichwohl sind die Projekte in der Regel wegen der staatlich subventionierten Ertragsströme äußerst kreditwürdig. Durch die Kreditkrise aber fällt es Projektentwicklern zunehmend schwer, sich die erforderlichen Kreditmittel zu beschaffen. Verzögerungen wegen langwieriger Kreditprüfungen sind die Folge, neben den verschärften Kreditkonditionen. Deshalb berät die Regierung derzeit über verschiedene Vorschläge, unter anderem über ein Kreditbürgschaftsprogramm für den EE-Sektor in Höhe von 8 Milliarden US$. Solche Kreditbürgschaften würden die Sorgen der Finanzinstitute zerstreuen, die wegen der unsicheren Wirtschaftslage derzeit nur zögerlich Kredite ausreichen. Daneben sollten sie den Boden für bessere Kreditbedingungen bereiten und den Wind- und Solarsektor auch für andere Kreditanbieter attraktiv machen.
Am 8. Januar verkündete Präsident Obama in einer Rede zum geplanten Konjunkturprogramm, dass er „eine Verdopplung der Energieerzeugung aus regenerativen Energiequellen in den nächsten drei Jahren“ anstrebe. Um das zu erreichen, müssten in diesem Zeitraum Erzeugerkapazitäten im EE-Sektor von über 20 Gigawatt installiert werden, wovon der Großteil unseres Erachtens aus Windkraftanlagen bestehen dürfte. Eine feste Zielvorgabe für regenerative Energien hat der Kongress bislang noch nicht in das Stimulierungspaket aufgenommen. Die geplanten Änderungen bei den steuerlichen Anreizen für Betreiber von Windkraftanlagen sollten jedoch helfen, Präsident Obamas ehrgeizige Ziele zu erreichen. Profitieren dürften hiervon Entwickler wie FPL, Turbinenhersteller wie Vestas und Gamesa sowie US-Solaranlagenbauer wie First Solar.
Immer wieder haben wir uns in den letzten Monaten gefragt, ob die Regierungen rund um den Globus ihre Unterstützung für erneuerbare Energien trotz des Wirtschaftsabschwungs aufrechterhalten werden. Schließlich konkurrieren viele Industriezweige um die in Aussicht gestellten staatlichen Mittel. Das Programm der US-Regierung zum Ankurbeln der Wirtschaft aber ist aus unserer Sicht der beste Beweis dafür, dass Klimawandel und Energiesicherheit auch weiter ganz oben auf der politischen Agenda stehen.
Und mit ihren Initiativen sind die USA nicht allein. So wurde in Großbritannien im November das Klimawandel-Gesetz verabschiedet, das basierend auf den Zahlen von 1990 eine Reduzierung von CO2-Emissionen bis 2020 um 26% und bis 2050 um 80% bindend vorschreibt. Zudem haben sich die EURegierungschefs auf feste Ziele für erneuerbare Energien und die Reduktion der Kohlendioxidemission verständigt. Erst vor kurzem wurde Europa anhand des Gasstreits zwischen der Ukraine und Russland schmerzlich daran erinnert, dass es rund ein Viertel seines Gasverbrauchs durch russische Gaslieferungen deckt. Nachdem Russland den Gashahn zugedreht hatte, musste die EU fast zwei Wochen vor allem auf Vorräte zurückgreifen, während andere Länder mitten im Winter praktisch ganz auf Gas verzichten mussten. Zweifellos hat der Gasstreit und seine Folgen den Verantwortlichen einmal mehr deutlich gemacht, wie wichtig es ist, verschiedene Energieanbieter zu haben, alternative Gasversorgungsrouten aufzubauen und zur Stromerzeugung verstärkt auf erneuerbare Energieträger und die Atomkraft zu setzen.
Auch der Sektor Erneuerbare Energien wird angesichts der Turbulenzen an den Finanzmärkten nicht ungeschoren davonkommen. So wird die Finanzierung neuer Wind- und Solarenergieprojekte zunehmend schwierig und teuer, was die neu installierten Kapazitäten und die Margen sinken lässt. Hinzu kommt die zunehmende Risikoscheu der Marktteilnehmer. Hierunter leiden besonders Wachstumswerte, denn Anleger sind derzeit kaum bereit in Projekte zu investieren, die erst in Zukunft Gewinne abwerfen. Deshalb werden viele Firmen aus dem EE-Sektor inzwischen auf dem Marktdurchschnitt entsprechenden Gewinnvielfachen gehandelt, während für sie in der Vergangenheit meist ein Aufschlag gezahlt werden musste. Aber trotz, oder vielleicht gerade wegen des rauen Konjunkturklimas verstärken die Gesetzgeber inzwischen ihre Unterstützung für die Nutzung regenerativer Energieträger.
In den nächsten Wochen werden wir Genaues zur Ausgestaltung des US-Konjunkturprogramms erfahren. Aber ganz gleich wie dieses Programm auch aussehen wird, schon heute ist klar, dass das Thema erneuerbare Energien in der Politik stetig an Bedeutung gewinnt. ( extern ) |