manager-magazin.de, 10. Mai 2006, 15:29 Uhr http://www.manager-magazin.de/it/artikel/0,2828,415480,00.html MICROSOFT
Wrestling mit Bill Gates
Aus Los Angeles berichtet Christian Stöcker
Sony hatte vorgelegt, heute Nacht zogen die Konkurrenten mit ihren Vorab-Präsentationen bei der Spiele-Messe 3E nach. Bei Microsoft gab es gewaltige Bilder, ein paar böse Überraschungen und Bill Gates persönlich. Der lehrte im Duett mit dem tätowierten Xbox-Chef Peter Moore die Konkurrenz das Fürchten.
Los Angeles - Die Welt geht dieser Tage dauernd unter in Los Angeles. Bei der Pressekonferenz von Sony am Montag hieß eines der wenigen spielbaren Produkte "Resistance: Fall of Man" - darin kämpfen die letzten verbliebenen Menschlein mit Schusswaffen gegen eine übermächtige Alienrasse. Microsoft ließ gestern ein Spiel vorführen, das "Gears of War" heißt - darin kämpfen die letzten verbliebenen Menschlein... genau. Das Problem für Sony: Microsofts Weltuntergang sah viel besser aus.
Bevor es jedoch zum Showdown zwischen den beiden hochgerüsteten Konsolen von Sony und Microsoft kam, lud der dritte Wettbewerber im Rennen zur Präsentation - und sorgte zwischen all dem Getöse für eine Atmosphäre, die einem gut organisierten Kindergeburtstag glich. Mastermind und Ritter Shigeru Miyamoto betrat die Bühne des Kodak-Theater in Hollywood, in dem auch die Oscars vergeben werden, als Kapellmeister verkleidet - und dirigierte mit dem Controller der neuen Konsole Wii ein putziges, auf eine Leinwand projiziertes virtuelles Orchester. Der kleine Mann mit dem breiten Lächeln und dem Kinderherz verbreitete dabei so gute Laune, dass das Auditorium in spontanen Jubel ausbrach.
Dann betrat Reggie Fils-Aime die Bühne, Nintendo-Topmanager und nun der designierte Chefdemagoge. Er war für die griffigen Zeilen und die bösen Seitenhiebe zuständig, zum Beispiel "es geht nicht nur ums Aussehen, sondern ums Gefühl" - denn Wii kann grafisch mit der Konkurrenz nicht mithalten, soll aber durch seinen wie ein Zeigegerät oder einen Tennisschläger zu führenden Controller jeden ansprechen. Auch, und das wurde immer wieder betont, Menschen, die noch nie ein Videospiel gespielt haben. Und immer wieder wurde der Erfolg des Nintendo DS beschworen - das erfolgreiche Handheld bringe ebenfalls neue Zielgruppen zum spielen.
Dann gab es einen Seitenhieb auf Sony: "Was man sieht, ist nicht immer das, was man am Ende bekommt." Der Konkurrent aus Nintendos Heimatland hat sich den Ruf erworben, gelegentlich zu viel zu versprechen.
Nintendo-Revolution vor dem Bildschirm
Dann begann Fils-Aime vorzuführen, was auf Wii alles laufen soll, wenn die Konsole "im vierten Quartal" auf den Markt kommt. Die Stars des Nintendo-Universums traten an: Mario, "Zelda"-Held Link und "Metroid"-Heldin Samus. 27 spielbare Titel kündigte Fils-Aime für die Messe an, die alle auf die speziellen Funktionen des Wii-Controllers zugreifen sollen. Bei "Zelda - The Twilight Princess" können damit etwa Feinde mit dem Bogen anvisiert und Schwertwirbel ausgelöst werden. Für die Demonstration von "Zelda", live auf der Bühne, nahm man sich viel Zeit - um dann zu verkünden, das Spiel werde zum Marktstart der Konsole verfügbar sein. Einen Weltuntergang hat Nintendo auch: "Disaster", ein Katastrophenspiel mit Flutwellen und Vulkanausbrüchen.
Viele Spiele wurden nur in Videos vorgestellt, und ebenso häufig wie Spielszenen waren die Spieler zu sehen, die den Controller durch die Luft schwangen oder damit auf den Bildschirm zielten. Enthüllt wurde, dass der Controller einen eigenen Lautsprecher enthält, so dass das Surren der Pfeilsehne oder das Klirren des Schwertes aus der richtigen Richtung kommt, dazu ein "Rumble"-Feature für den spürbaren Aufprall der Klinge. Außerdem wurde verraten, dass nicht nur der eigentliche Controller, sondern auch die so genannte Nunchaku-Erweiterung mit Bewegungssensoren ausgestattet ist. Die Möglichkeiten dieser Technik wurden anhand eines mit einem japanischen Schwerterpaar ausgetragenen Kampfes im Spiel "Red Steel" vorgeführt.
Nintendo-Chef Satoru Iwata kündige weiter an, Wii werde gewissermaßen ständig online sein und so beispielsweise nachts Updates herunterladen oder virtuelle Besucher einlassen können. Den Abschluss bildete eine Runde Tennis, gespielt von Iwata, Myamoto, Fils-Aime und dem glücklichen Gewinner einer Verlosungsaktion. Wild auf der Bühne herumfuchtelnde Anzugträger und ein begeisterter Fan - bei so viel Elan fiel es kaum ins Gewicht, dass das gezeigte Tennisspiel graphisch nicht viel hermacht. Es soll im Paket mit einem Baseball- und einem Golfspiel zum Konsolenstart auf den Markt kommen. "Toll, man kann jetzt Nintendo64-Spiele mit dem Wii-Controller spielen", spottete ein Gast beim Hinausgehen - so hieß Nintendos vorletzte Konsole.
Microsoft kommt, Sony bibbert
Im Graumanns Chinese Theater nebenan stürzte Microsoft die Besucher in die finstere Welt von "Gears of War", beeindruckend in Animation und Grafik. Das bereits bei der letzten E3 angekündigte Spiel macht mehr her als "Resistance" für Sonys Playstation 3 - und das, obwohl der Cell-Prozessor in der nagelneuen Konsole eigentlich der schnellste und beste aller in Konsolen eingesetzten Chips sein soll.
© REUTERS Premiere: Bill Gates in Hollywood: Unter dem Label "Live" will Microsoft alle seine Spieleplattformen miteinander verbinden Xbox-Chef Peter Moore hatte ein paar mäßig beeindruckende Ankündigungen im Gepäck und ein paar echte Aufreger.
Irgendwann enthüllte er das "Halo 2"-Tatoo, das er sich vor zwei Jahren in den rechten Oberarm hatte stechen lassen. "Manche bringen Gummienten mit, manche Tätowierungen", stichelte er in Richtung von Sonys Phil Harrison, der auch am Montag wieder, wie bei Sony üblich, technische Demonstrationen mit virtuellen Badeentchen vorgeführt hatte. Dann zog Moore seinen zweiten Ärmel hoch, dort fand sich aber nicht wie erwartet ein "Halo 3"-Tatoo - sondern der aufgemalte Schriftzug "Grand Theft Auto IV".
Dass der nächste Teil der erfolgreichen Serie ab Oktober 2007 für die Xbox 360 verfügbar sein wird, ist für Sony ein schwerer Schlag. Bislang erschienen die "Grand Theft Auto"-Spiele (GTA) stets zuerst auf der Sony-Plattform - ein exklusives GTA zum Start der PS3 wäre für viele Fans ein Kaufargument gewesen.
Als nächstes war von Windows als Spieleplattform die Rede, ein paar Spiele wurden vorgeführt, und dann bat Moore - für die E3 eine Premiere - Bill Gates auf die Bühne. Der Microsoft-Gründer schwärmte ein bisschen von dem immer wieder verschobenen Betriebssystem Windows Vista, erklärte Windows zur erfolgreichsten Spieleplattform aller Zeiten - und ließ dann die Katze aus dem Sack.
"Live Anywhere" soll ein Dienst heißen, der künftig alle mit Microsoft-Systemen ausgestatteten Produkte miteinander verknüpfen soll. Xbox-Spieler und PC-Spieler könnten sich damit online verabreden - und gegeneinander spielen, wenn sie entsprechende Versionen des gleichen Spiels besitzen. "Microsoft ist vermutlich das einzige Unternehmen, das das schaffen kann", sagte Gates. Bei Sony dürfte der eine oder andere geschluckt haben.
Insgesamt soll das neue Angebot eine Art windowsbasierte Online-Community sein, bei der jeder stets sehen kann, ob die eigenen Freunde und Bekannten online sind - ob mit einem Mobiltelefon, der Xbox 360 oder einem PC. Inhalte sollen von einer Plattform auf die andere verschoben werden können, so dass man etwa sein Rennauto am PC neu bemalen, unterwegs per Telefon das Fahrwerk verstellen und dann mit der Konsole über die Piste jagen könnte. Vor allem aber soll verkauft werden - vom digitalen Song über Musikvideos bis hin zu Spiele-Upgrades. Für die Vermarkter digitaler Waren dürfte dieser allgegenwärtige digitale Marktplatz eine Traumvorstellung sein.
Nun liegen die Karten auf dem Tisch - und der Konsolenkrieg kann beginnen. Sony hat ein auf dem Papier mächtiges Produkt und einen neuartigen Controller, dessen Möglichkeiten noch auszuloten sind. Auf der anderen Seite ist die PS3 vergleichsweise teuer, und wirklich eindrucksvolle Software ist bislang kaum in Sicht. Microsoft will seine Xbox 360 bis zum Start der Konkurrenz zehn Millionen mal verkauft haben, bis Weihnachten soll es 160 Spiele dafür geben - und nun wird die Marktmacht von Windows mit in die Waagschale geworfen. Nintendo dagegen geht seinen eigenen Weg, auf der Suche nach neuen Märkten. Das Rennen ist offen - aber es ist gut möglich, dass einer der Wettbewerber diese Runde nicht übersteht.
Mehr zum Thema · Sony: Der Konsolen-Coup (09.05.2006) http://www.manager-magazin.de/it/artikel/0,2828,415292,00.html · Spielsachen: Von goldenem Glanz (15.03.2006) http://www.manager-magazin.de/life/freizeit/0,2828,405665,00.html
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