WELT AM SONNTAG, 11. Juni 2000
Der Überflieger von Hongkong Von Manfred Rowold
Richard Li, Sohn des Milliardärs Li Ka-shing, will Asiens größter Versorger mit Satellitenprogrammen und Internetinhalten werden.
Hongkong Für das Magazin „Asiaweek“ ist Richard Li Tzar-kai der „Superboy“. Aber obwohl er sehr jugendlich aussieht und Freizeit-Dress bevorzugt, beansprucht der 33-jährige „Junge“ mit Nachdruck, ernst genommen zu werden in der gesetzten Nadelstreifen-Welt des Big-Business. Und er will mehr sein als "Superman Junior“, wie ihn andere in Anspielung auf seinen Vater Li Ka-shing nennen, der Hongkongs erfolgreichster Unternehmer und einer der reichsten Männer der Erde ist.
Die Bezeichnung "super“ verdiente sich Li, als seine Pacific Century CyberWorks (PCCW) die Cable&Wireless Hongkong Telecom (HKT) übernahm - mit umgerechnet rund 76 Milliarden Mark der bislang teuerste Deal in Asien. Ende Mai hat der HKT-Vorstand Lis Angebot akzeptiert, nun müssen nur noch am 3. Juli die Aktionäre abnicken.
Der PCCW-Vorsitzende tut den Coup als einen eher beiläufigen Schritt ab, der nicht einmal seine Idee gewesen sei. Völlig unsentimental seien die Verhandlungen, in denen die konkurrierende SingTel aus Singapur aus dem Feld geschlagen wurde, verlaufen. Er habe nie sein Angebot erhöht und klar zu verstehen gegeben, daß es zeitlich nicht unbegrenzt auf dem Tisch liege. Hart und schnell, dieser Ruf geht dem neuen Stern am asiatischen Internet-Himmel voraus.
Hinter den vier Buchstaben PCCW verbirgt sich der Traum vom weltweit größten Versorger an Breitband-Technologie und Inhalten für das Internet. Weniger als ein Jahr nach seinem Börsengang gilt Lis bislang noch unprofitable Technologie-Schmiede mit einer Markt-Kapitalisierung von 25 Milliarden US-Dollar als Asiens größte Internet-Gruppe außerhalb von Japan. Zu den weltweit aktuellen Turbulenzen unter Internet-Werten meinte Li nur lapidar: Die neue Wirtschaft ist für jedermann neu. Niemand weiß sie zu bewerten. Mit kurzgetrimmten Haaren, die bei Lis Hobby Tauchen, praktisch sind und fast randloser Brille wirkt Hongkongs neuer Unternehmer-Star wie ein Musterschüler. Schon im Alter von acht Jahren nahm ihn sein Vater mit in Direktoren-Sitzungen seiner Unternehmen, wo er heute neben seinem zwei Jahre älteren Bruder Victor Vorstands-Posten innehat.
Mit 13 schickten ihn die Eltern in die USA, wo er sich den „american way of life" zu Eigen machte. An der renommierten Stanford-Universität absolvierte er ein Studium der Computer-Technik, was den Geschäftsmann auch zum Mann vom Fach macht. Seine unternehmerischen Kenntnisse verfeinerte er an der London Business School und in der lnvestment-Gesellschaft Gordon Capital in Toronto, bevor er 1990 im Besitz eines kanadischen Passes nach Hongkong zurückkehrte.
Daß er mit den sprichwörtlichen „goldenen Löffeln“ geboren wurde, hat Richard Li einen Blitzstart ermöglicht, aber nicht zum Müßiggang verführt. Er gilt als rastloser Arbeiter und nicht sehr rücksichtsvoller Arbeitgeber. Mit einem väterlichen Startkapital von angeblich 125 Millionen US-Dollar baute er 1990 das erste asiatische Satelliten-Fernsehen Star TV auf, das 53 Millionen Haushalte versorgte. Drei Jahre später verkaufte es Li an den australischen Medien-Unternehmer Rupert Murdoch. Der Gewinn wurde zur Basis der im selben Jahr gegründeten Pacific Century Group, der Muttergesellschaft von PCCW.
Richard Lis Vision ist es, mit Hilfe von Satelliten, die in einem Joint Venture von DaimlerChrysler gebaut werden sollen, den riesigen asiatischen Internet-Entwicklungsraum mit einem System von Hard- und Software zu versorgen, das per Breitbandtechnik auf dem Fernsehbildschirm alle Formen von Computerkommunikation einschließlich E-Commerce und elektronischer Unterhaltung vereint - ein "One-Stop Shop". Sein "Network of the World" (NOW), gespeist aus wenigstens drei globalen Internet- und digitalen Video-Produktionszentren, soll schon in wenigen Jahren 130 Millionen Haushalte als Kunden haben.
Richard Li werden nicht die besten Beziehungen zu seinem Vater nachgesagt, der angeblich eher Sohn Victor als Hüter seines unternehmerischen Vermächtnisses und Verwalter seines Milliardenerbes bevorzugt. Während der 72-Jährige, der als Sohn mittelloser Eitern sein erstes Geld mit Plastikblumen verdiente, eher konservativ und bescheiden auftritt, fällt dem Junior das Geldausgeben ebenso leicht wie das Geldverdienen. Der auf über sechs Milliarden US-Dollar geschätzte goldene Junggeselle Richard lebt zur Zeit noch in einem Apartment in der Old Peak Road oberhalb des Hongkonger Zentrums. Doch in Shek O, an der gegenüberliegenden Südostseite der InseI befindet sich am Meeresufer ein aufwendiger Residenz-Komplex im Bau. Der Privatpilot hält sich nicht nur einen Jet, sondern auch eine Luxusyacht. Zu einem privaten Neujahrs-Konzert ließ er Whitney Houston einfliegen.
„Geld und Macht sind mir wichtig,“ sagt Richard Li, "aber sicher nicht so wichtig wie etwas, auf das man stolz sein kann und einem ein gutes Gefühl gibt." |