Der enge Zusammenhang zwischen einem höheren Goldpreis und politischer Unsicherheit Der Preisunterschied hatte die Bullion Banks, also Banken, die auf den Handel und die Lagerung von Edelmetallen spezialisiert sind, alarmiert. Denn diese Banken sichern ihre Goldbestände in London gegen Preisrisiken ab, indem sie an der New Yorker Terminbörse Comex Short-Wetten platzieren.
Das bedeutet, dass die Banken Gold-Terminkontrakte an der New Yorker Terminbörse verkaufen, die sie verpflichten, das Gold zu einem späteren Zeitpunkt zu einem festgelegten Preis zu liefern. Fällt der Goldpreis, kaufen sie die Terminkontrakte zu einem niedrigeren Preis zurück. Der Gewinn aus diesem Rückkauf gleicht den Verlust aus dem gesunkenen Wert des physischen Goldes aus.
Ist der Goldpreis in New York aber höher als in London, stehen die Banken vor Verlustrisiken. Sie müssen zügig Gold von London nach New York transportieren, um es dort zu höheren Preisen zu verkaufen. Gelingt ihnen das nicht rechtzeitig, verlieren sie Geld: Sie müssen die Terminkontrakte zu einem höheren Preis zurückkaufen, um ihre Verpflichtungen zu erfüllen – während der Preis ihres Goldes in London niedriger bleibt.
In den Wochen vor den US-Zollankündigungen im April waren Banken, die Gold nach New York fliegen lassen wollten, plötzlich mit Wartezeiten konfrontiert. Denn die Bank of England, wo viele ausländische Zentralbanken und Investmentbanken ihr Gold in Tresoren lagern, war auf einen solchen Ansturm nicht vorbereitet.
EZB warnt vor Short-Squeeze Mittlerweile hat sich die Lage aber wieder beruhigt, weil die befürchteten US-Zölle auf Goldimporte ausblieben. Doch laut den EZB-Volkswirten könnten Lieferprobleme auch in Zukunft Stress verursachen. Sie warnen vor dem Risiko eines „Short-Squeeze“.
Das heißt: Wenn der Goldpreis überraschend stark steigt, droht eine Kettenreaktion. Marktteilnehmer, die zuvor Gold geliehen und dann direkt weiterverkauft haben, wären gezwungen, das Gold teurer zurückzukaufen. Dadurch aber würde der Preis noch weiter steigen. Ein solcher Short-Squeeze wäre mit hohen Verlusten für die Marktteilnehmer verbunden.
Die EZB weise hier auf ein wichtiges Problem hin, sagt Martin Siegel, Fondsmanager beim auf Edelmetalle spezialisierten Vermögensverwalter Stabilitas. Denn allein in der Euro-Zone beträgt der Wert der Goldderivate rund eine Billion Euro. Das entspricht rund 9.720 Tonnen Gold, dem Dreifachen der weltweiten Jahresproduktion.
Dem World Gold Council (WGC) zufolge liegen bei Zentralbanken etwa 17 Prozent des weltweit geförderten Goldes. Laut Siegel verleihen Zentralbanken dieses Gold unter anderem an Investmentbanken, diese zahlen dafür eine Leasingrate. Die Investmentbanken würden GolId-Derivate auflegen, um auf Preisbewegungen zu spekulieren oder sie abzusichern, erklärt Siegel. Sie würden sich also vertraglich verpflichten, das Gold zu einem bestimmten Zeitpunkt und Preis zu liefern.
Nicht jedes Derivat ist aber durch echtes Gold gedeckt, so der Fondsmanager. Das sei normalerweise kein Problem, da sich Spekulanten das Gold, das sie über Derivate kaufen, nicht ausliefern lassen würden. |