wie folgendes beispiel zeigt.
Hier geht Europas größte Produktion für grünen Wasserstoff in Betrieb
In einem unscheinbaren Dorf hat der Energiekonzern Iberdrola ein Milliardenprojekt gestartet. 20 Gigawatt sind nur der Anfang. In der Anlage wird kein einziger Mensch arbeiten.
Sandra Louven 31.05.2022 - 12:30 Uhr https://www.handelsblatt.com/politik/...toff-in-betrieb/28367634.html
Die Spanier nennen es das Dorf der zwei Lügen: Puertollano, übersetzt „flacher Hafen“, besitzt weder einen Hafen noch ist die Region 250 Kilometer südlich von Madrid flach, sondern vielmehr von Hügeln gesäumt. Doch die Investoren, die sich hier breitgemacht haben, sind offenbar nicht abergläubisch. Sie haben das 48.000-Einwohner-Dorf auserwählt, eine wichtige Rolle in der Zukunft Spaniens und womöglich Europas zu spielen: als Vorreiter für die Produktion von grünem Wasserstoff.
Mitte Mai hat der spanische Energiekonzern Iberdrola in Puertollano einen Elektrolyseur mit einer Kapazität von 20 Megawatt gleich neben der Düngemittelfabrik Fertiberia in Betrieb genommen, um einen Teil von deren Energiebedarf zu decken.
Das Projekt ist damit die bislang größte Produktionsanlage für grünen Wasserstoff in ganz Europa. Und grüner Wasserstoff gilt als der Hoffnungsträger schlechthin für die Energiewende.
Spanien sieht sich als Exporteur von sauberer Energie
Dessen Produktion aber ist schwierig, bisher gab es in Europa noch kein einziges Projekt für die industrielle Nutzung in großem Stil. Gerade die ist für die Entwicklung des neuen Marktes jedoch entscheidend. Sowohl Iberdrola als auch die spanische Regierung wollen dabei nun eine führende Rolle spielen.
Die Strategie dahinter: Spanien soll so nicht nur unabhängig werden von Energie-Importen und fossilen Brennstoffen. Es will grünen Wasserstoff auch in den Rest Europas exportieren - und das gewinnbringend für Iberdrola.
In Puertollano investiert der Konzern deshalb im ersten Schritt 150 Millionen Euro, um 3000 Tonnen grünen Wasserstoff pro Jahr zu produzieren und damit 48.000 Tonnen CO2-Emissionen zu vermeiden – etwa so viel wie rund 22.000 deutsche Haushalte im Jahr ausstoßen.
Wer sich der neuen Anlage nähert, sieht schon von Weitem die frisch weiß-grün getünchte Produktionshalle von Iberdrola, die ganz im Kontrast steht zu der dahinter liegenden, in die Jahre gekommenen Anlage von Fertiberia.
Seit über 60 Jahren produziert Spaniens größter Düngemittelkonzern hier Kunstdünger, dessen wichtigster Inhaltsstoff Ammoniak ist. Die Energie dafür lieferte bislang grauer Wasserstoff, der aus Erdgas hergestellt wird.
Doch Fertiberia will bis 2035 klimaneutral werden – und stellt daher seine Energieversorgung nach und nach auf grünen Wasserstoff um. Der Bedarf ist riesig: Selbst die nun installierte Kapazität von 20 Gigawatt deckt gerade einmal zehn Prozent des Energiebedarfs von Fertiberia. Sie ist nur der Anfang: Bis 2027 soll sie sich auf 40.000 Tonnen grünen Wasserstoff pro Jahr mehr als verzehnfachen. Iberdrola investiert dafür 1,8 Milliarden Euro.
Eine Photovoltaik-Anlage bringt den benötigten Strom
Die Anlage, die schon in der Bauphase internationale Expertengruppen besucht haben, bezieht ihren Strom für den Elektrolyseur von einer Photovoltaik-Anlage wenige Kilometer entfernt, die eine installierte Kapazität von 100 Megawatt hat. Ein unterirdisches Kabel bringt den Strom direkt in die Produktionshalle.
Dicke, schwarze Stromkabel laufen dort in insgesamt 16 quadratische Elektrolyseure, die jeweils rund einen Kubikmeter groß sind. Sie bestehen aus 200 Schichten einer Membran, durch die Wasser fließt und die mithilfe des Solarstroms Wasserstoff und Sauerstoff trennt.
Jeder dieser 16 Elektrolyseure hat eine Kapazität von 1,25 Megawatt, die zusammen jene 20 Megawatt schaffen, die die Anlage in Puertollano zur größten in Europa machen.
Aus den Elektrolyseuren wird der Wasserstoff in elf Lagertanks geleitet, die wenige Meter neben dem Produktionsgebäude stehen und wie überdimensionierte weiße Säulen 23,5 Meter hoch in den Himmel ragen.
Da Wasserstoff recht voluminös ist, wird er mit 60 Bar komprimiert, dadurch passt doppelt so viel in jeden Lagertank – in die elf Tanks insgesamt 6000 Kilo Wasserstoff. Das reicht, um den Bedarf von Fertiberia zwei Tage lang zu decken.
Da Sonnenenergie nicht immer in derselben Menge zur Verfügung steht, hat Iberdrola den Zwischenschritt über die Tanklager gewählt, um eine gleichbleibende Energieversorgung von Fertiberia sicherzustellen. Der Bau der Anlage hat gerade einmal 1,5 Jahre gedauert. Auch Wettbewerber ziehen vor der Geschwindigkeit den Hut.
Der Betrieb funktioniert unbemannt
In der Anlage wird kein einziger Mensch arbeiten. Die Produktionshalle darf ohnehin nur betreten werden, wenn die Elektrolyseure gerade nicht in Betrieb sind. Ein Windstoß könnte ausreichen, um die Produktion des flüchtigen Gases bereits empfindlich zu stören. An der Decke der Halle sind neben Feuermeldern auch Fühler angebracht, die die Temperatur und die Konzentration des Wasserstoffs messen.
Übersteigt Letztere ihren Sollwert, werden Abluftrohre geöffnet, damit der Wasserstoff entweichen kann. Die Mannschaft dafür sitzt jedoch 400 Kilometer entfernt in Castellón an der Mittelmeerküste. Nur in den ersten zwei Jahren bleibt zur Sicherheit jemand in Puertollano in der Nähe.
Iberdrola will wie in Puertollano grünen Wasserstoff zunächst dort einsetzen, wo er grauen Wasserstoff verdrängen kann. Das trifft vor allem auf Raffinerien und Düngemittelhersteller zu. Der Grund: „Damit wir investieren, muss die Nachfrage gesichert sein“, sagt Millán García-Tola, der bei Iberdrola für grünen Wasserstoff verantwortlich ist, im Gespräch mit dem Handelsblatt.
In einem zweiten Schritt will Iberdrola fossile Brennstoffe durch grünen Wasserstoff bei Produktionsprozessen ersetzen, die hohe Temperaturen erfordern wie etwa bei der Stahl- oder Keramik-Herstellung.
Dafür hat Iberdrola mit dem schwedischen Unternehmen H2 Green Steel eine Partnerschaft geschlossen. Mit Investitionen von 2,3 Milliarden Euro soll in der Nähe eines Stahlwerks grüner Wasserstoff mit einer Kapazität von einem Gigawatt hergestellt werden, um damit pro Jahr zwei Millionen Tonnen nahezu emissionsfreien Stahl herzustellen. Ausgesucht wird dafür eine Anlage auf der Iberischen Halbinsel, noch ist nicht klar, welche.
Bislang hat Iberdrola keine Subventionen bekommen
„Das Problem sind in der Regel die Kosten“, sagt García-Tola. Durch den starken Anstieg des Gaspreises sei grüner Wasserstoff heute zwar wettbewerbsfähig mit grauem. „Aber wenn die Gaspreise wieder auf das Niveau von vor zwei Jahren sinken, ist er rund doppelt so teuer wie Erdgas und dreimal so teuer wie Kohle.“ Deshalb seien zumindest in der Anfangsphase Subventionen nötig.
Für das Werk in Puertollano hat Iberdrola jedoch bislang kein Geld von der spanischen Regierung gesehen. Die hat zwar Investitionen von 1,5 Milliarden Euro in grünen Wasserstoff in den Jahren 2021 bis 2023 aus dem europäischen Wiederaufbaufonds versprochen. Aber noch habe sie nur Ausschreibungen für kleine Projekt gestartet – im Wert von gerade einmal 400 Millionen Euro, heißt es in der Branche.
„Wir haben trotzdem gebaut“, sagt García-Tola. „Wenn wir uns nicht bewegt hätten, hätte niemand einen Schritt nach vorn gemacht.“
Das aber sei wichtig, weil es heute weder Fabriken für grünen Wasserstoff in großem Maßstab gebe noch Hersteller von entsprechend potenten Elektrolyseuren. Iberdrola setzt darauf, dass das Unternehmen nachträglich Hilfen aus dem EU-Fonds erhält.
Die Regierung will grünen Wasserstoff zum Exportschlager machen
Die spanische Regierung will die Produktion von grünem Wasserstoff antreiben und bis zum Jahr 2030 eine Kapazität von vier Gigawatt an Elektrolyseuren installieren. Das ist ein Zehntel der 40 Gigawatt, die die EU als Ziel ausgegeben hat. García-Tola hält beide Werte für sehr ambitioniert. „Die Hälfte des Zeitraums ist ja schon verstrichen“, sagt er.
Auch das Ziel Spaniens, grünen Wasserstoff zu exportieren, sei allenfalls mittelfristig zu erreichen. „Wir gehen davon aus, dass grüner Wasserstoff erst ab 2030 oder 2035 auch außerhalb von lokalen Märkten eingesetzt werden kann“, sagt Bruno Esgalhado, Partner bei der Unternehmensberatung McKinsey in Madrid.
Zunächst müsse sich der Markt entwickeln und die nötige Infrastruktur gebaut werden, um Wasserstoff auch über lange Distanzen zu transportieren. „Die Investoren stehen in den Startlöchern, aber sie zögern noch, in einen Markt zu investieren, von dem sie noch nicht wissen, wie er sich entwickeln wird“, sagt Esgalhado.
Langfristig sieht er Spaniens Rolle als Exporteur optimistisch. Sonne und Wind im Überfluss sorgten dafür, dass es für einen Abnehmer wie Deutschland billiger sein könne, die saubere Energie aus Spanien zu importieren, als sie selbst herzustellen.
Iberdrola-Manager García-Tola ist skeptischer: „Die Energiekosten, um grünen Wasserstoff herzustellen, liegen in Spanien bei rund drei Euro pro Kilogramm Wasserstoff, in Deutschland sind sie vielleicht 20 bis 30 Prozent teurer – das ist kein so großer Unterschied“, sagt er. Hinzu kämen die Transportkosten.
Klar ist aber auch: Deutschland mit seiner umfangreichen Industrie wird den Bedarf nicht allein mit eigener Produktion decken können. Die Bundesregierung begrüßt deshalb die spanischen Pläne, eine neue Pipeline nach Frankreich zu bauen, um darüber Gas und später auch grünen Wasserstoff nach Nordeuropa zu transportieren. Bislang fehlte eine solche Infrastruktur allerdings |